Musical:Voll verdudelt

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Von einem Bader (Sebastian Lohse, rechts) lernt der junge Rob (Patrick Stanke) nicht nur die Grundlagen der Heilkunst, sondern auch, wie man den Menschen das Geld aus der Tasche zieht. (Foto: Michael Eloy Werthmueller)

Am Deutschen Theater wird aus Noah Gordons Bestseller "Der Medicus" ein Historien-Schlamassel

Von Christiane Lutz

Kürzlich war im Deutschen Theater ein wunderbares Musical zu Gast. "Vom Fischer und seiner Frau", jenes Schauermärchen der Gebrüder Grimm um die nimmersatte Ilsebill. Die Produktion kam von den Grimm-Festspielen in Hanau, Marc Schubring hatte atmosphärische Melodien geschrieben, die Inszenierung von Holger Hauer war von eleganter Schnörkellosigkeit, mit einfachsten Bühnenmitteln schuf er einen betörenden, meeresblauen Abend.

Schwer vorstellbar, dass dieser Holger Hauer noch etwas mit "Der Medicus" zu tun haben soll, der nun am Deutschen Theater läuft. Zwar ist für die Münchner Version noch Christoph Jilo als Regisseur genannt, die aus Fulda übernommene Produktion aber stammt von Hauer. "Der Medicus" ist in jeder Hinsicht das Gegenteil des Fischers. Ein überfrachteter, von Pailletten gesäumter, in Orientteppiche gewickelter Historien-Schlamassel.

Zugrunde liegt dem Musical der Bestseller "Der Medicus" von Noah Gordon, den in den Neunzigerjahren in Deutschland praktisch jeder gelesen hatte. Das Buch erzählt die Arzt-Werdung des Briten Robert Cole im frühen elften Jahrhundert. Robert, der die Gabe hat, den Tod eines Menschen vorauszusagen, möchte in Isfahan Medizin studieren. Als Christ ist ihm jedoch der Zutritt zur Akademie verwehrt, so verkleidet er sich als Jude.

Nun liegen im "Medicus" spannende Themen: Die unantastbare Hoheit der Religion über die Wissenschaft beispielsweise. Oder die Szenen, in der ein Jude, ein Christ und ein Muslim gemeinsam um einen Tisch sitzen, was mehr denn je wie eine Utopie wirkt. Die Regie sieht die Symbolik, lässt dann aber doch lieber ein paar Haremsdamen tanzen. Überhaupt, die Haremsdamen. Es ist unendlich langweilig, immer noch Frauen auf Bühnen zu sehen, die ausschließlich als Dekoration fungieren. Egal, ob das "damals so war".

Die Musik (Dennis Martin, Musikalische Leitung: Inga Hilsberg) ist eher gewöhnlich und spielt auch nur mit Klischees (Schottland=Dudelsack). Choreografien (Kim Duddy) sieht man bei Helene Fischer bessere.

Einzig die Cast kann nichts für die Misere. Patrick Stanke in der Titelrolle und Barbara Obermeier als seine Ehefrau Mary ringen der Veranstaltung wenigstens ein wenig Würde ab und es macht Spaß, ihnen zuzuschauen.

In Gordons Heimat USA war der Roman übrigen weniger erfolgreich. Hierzulande scheint die Freude an Historiendramen und Exotismus noch immer groß: begeisterter Applaus.

Der Medicus , bis 25. November, Di-Fr 19.30 Uhr, Sa/So 14.30 Uhr und 19.30 Uhr, Deutsches Theater, Schwanthalerstr. 13, t 21837300

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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