Süddeutsche Zeitung

Musical:Seilschaft mit Influencer

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"Der Watzmann ruft!" - diesmal aber in einer neuen Inszenierung von Sven Kemmler im Deutschen Theater

Von Oliver Hochkeppel

Es war wahrscheinlich die lustigste Pressekonferenz des Jahres, die da Mitte Juni im Silbersaal des Deutschen Theaters über die Bühne ging. War es doch fast schon ein eigenes Stück, mit dem die neue Inszenierung des Kult-Musicals "Der Watzmann ruft!" vorgestellt wurde. In weißen Monturen zwischen Laborkluft, Bauarbeitermontur und Sporttrikot lief die neue Watzmann-Truppe auf, und Regisseur Sven Kemmler legte das Ganze dementsprechend zunächst wie eine Fußball-Pressekonferenz an. Was auch deshalb naheliegend war, weil die alte, in die Jahre gekommene Mannschaft im vergangenen Jahr sozusagen bei der Titelverteidigung schon in der Vorrunde ausgeschieden war: In seiner Urform war die über 40 Jahre alte Parodie auf Heimat- und Schlagergedöns in Zeiten der Neuen Volksmusik nur noch anachronistisch.

So stellte Kemmler nun also ein völlig neues Team vor, verkündete allerlei "taktische Änderungen" ("Wir haben eine Doppelsechs auf der Position des Bauern und des Großknechts, außerdem eine Doppelacht auf der Position des Bua und Knecht") und die "im Trainingslager neu einstudierten Varianten" für das "Heimspiel", das ja im Erfolgsfall einen festen Platz im Spielplan des Deutschen Theaters bekommen soll. Ein Heimspiel ist es in der Tat für die meisten Beteiligten: Sänger und Erzähler - dies ist die einzige Konstante zum vergangenen Jahr - bleibt die oberbayerische Heimatsound-Wuchtbrumme Mathias Kellner; in der zweiten Darsteller-Reihe tummeln sich die Münchner Allzweckwaffen Moses Wolff, Arnd Schimkat ("Arthur Senkrecht"), Norbert Bürger und seine neue Kollegin im Lach- und Schieß-Ensemble Claudia Jacobacci. Auch die Band ist ein hiesiges Allstar-Quartett. Geleitet vom Keyboarder Nick Flade versuchen sich der auch als Produzent und Toningenieur hervorgetretene Bassist Tom Peschel, Gitarrist Jan Zehrfeld (am bekanntesten wohl durch seine Band Panzerballett) und Schlagzeuger Oscar Peter Kraus an einer frischen Interpretation der wohl bekannten Songs des Musicals vom "Lied der Knechte" bis zu "Er fällt".

Denn die Melodien sind natürlich sakrosankt. Doch schon bei den Songtexten hat der neue Autor eingegriffen. Ecco Meinecke, als Autor, Kabarettist wie Musiker die vielleicht ideale Figur für eine wirkliche Neuinszenierung, erklärte denn auch, wie er den Watzmann vom Kopf auf die Füße gestellt hat: Nicht der Berg verschlingt in seiner Fassung den Menschen, sondern umgekehrt der Mensch den Berg. Der Watzmann wird vom Schicksalsberg zum Turbo-Skischaukel-Tourismus-Spot. Mit Konsequenzen für das Personal: Die Einheimischen, das sind hier Hannoveraner Unternehmer, die - das größte Problem in den Bergen - Parkplatzpartnerschaften mit den Pausengetränken koppeln. Und auch der Bauer ist jetzt in erster Linie Tourismus-Unternehmer, der überhaupt nicht mehr verstehen kann, warum sein "Bua" auf den dutzendfach erschlossenen Berg zu Fuß "auffi muaß".

Diesen in "Fridays for Future"-Zeiten hochaktuellen Generationenkonflikt spielten die Hauptdarsteller auch schon bei der Pressekonferenz genüsslich aus: Der Vorarlberger Schauspieler und Träger des Bayerischen Kunstförderpreises Aurel Bereuter, der diesen Bauer umso dämonischer ausgestalten kann, da er privat auf seiner "Kulturfarm" nahe Augsburg den respektvollen Umgang mit der Natur vorexerziert. Und als jugendliches Gewissen der Steirer Liedermacher, Lesebühnenautor und Schauspieler auf diversen Münchner Bühnen, Christoph Theussl. Schließlich gibt es auch bei der Gailtalerin etwas ganz Neues: Erstmals wird sie von einer Frau gespielt. Die langjährige Begleiterin von Hubert von Goisern Sabine Zapfinger alias die Alpine Zabine darf aus der Rotlicht-Verführerin nun eine skrupellose Influencerin machen. Und bringt mit "Mein Erster war der Berg" sogar einen neuen Song mit.

Dieser Watzmann 2.0 könnte also ein neuer großer Spaß im Geiste des Originals werden. Oder wie es Ecco Meinecke als Losung ausgibt: "Wenn wir auf diese Parodie, welche das Stück ja zweifelsohne war und ist, nicht mit einer weiteren Parodie antworten und mit einer gewissen Respektlosigkeit an das Ganze herangehen würden, hätten wir was falsch gemacht."

Der Watzmann ruft! Vorpremiere Do., 25. Juli, Premiere Fr., 26. Juli, bis So., 4. August, Deutsches Theater, Schwanthalerstraße 13

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SZ vom 24.07.2019
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