Süddeutsche Zeitung

Musical:Rückkehr mit Riesenbabycharme

Das Stadttheater Regensburg bringt Franz Hummels "Ludwig II." heraus, das schon im Jahr 2000 in Füssen für Furore gesorgt hatte

Von Egbert Tholl, Regensburg

Als im April des Jahres 2000 in Füssen das "Ludwig II."-Musical herauskam, konnte man staunen: über die vollkommen irrsinnige Opulenz der Bühnenausstattung, über die Musik von Franz Hummel und nicht zuletzt darüber, dass da am Forggensee ein Theaterbau entstanden war, der dem Bayreuther Festspielhaus vage nachempfunden und sehr prächtig war. Den Bau gibt es noch, er wird auch weiterhin emsig bespielt, doch die Produktion verschwand 2003, war irgendwie pleite gegangen, doch diesbezüglich hing ziemlich viel Nebel über dem Forggensee.

Letztlich einigte man sich auf den Eindruck, Stephan Barbarino, der Erfinder das Ganzen, sei im Umgang mit Geld dem Sujet seiner Unternehmung, also dem König selbst, immer ähnlicher geworden. Immerhin hatten 1,5 Millionen Besucher das "Ludwig II"-Musical gesehen, dem bald ein zweites nachfolgte, mit der Musik von Konstantin Wecker und Christopher Franke und reichlich kümmerlich. "Ludwig", das Original, war dann 2005 noch einmal in abgespeckter Version im Deutschen Theater in München zu sehen, dann verschwand es. Nun ist es wieder da. In Regensburg. Zum ersten Mal überhaupt an einem Stadttheater, also einem Repertoirebetrieb. Inszeniert hat es Sam Brown, die Bühne baute Bengt Gomér, die opulenten Kostüme entwarf Louise Flanagan. Und eines kann man gleich sagen: Obwohl ein Theater wie das in Regensburg natürlich nicht eine Illusionsmaschinerie wie die des Füssener Betriebs nachstellen kann, dürfte die Produktion die Grenzen dessen, was an einem Stadttheater dieser Größe möglich ist, deutlich ausgedehnt haben. Sehr viele, ja irgendwie alle machen mit, der Choreograf Tamás Mester etwa spielt auch den Prinzen von Thurn und Taxis.

Damals, aber das ist halt auch fast 20 Jahre her, war man verdattert ob des bairischen Irrsinns, den Barbarino und Heinz Hauser verfasst hatten, der Revidierung eines kitschig-süßen Königbildes und eben auch der Musik. Als Franz Hummel acht Jahre alt war, komponierte er ein Klavierkonzert, über das sich noch Richard Strauss mit Wohlgefallen beugte. Das sind Dimensionen! Später tönte er recht neu und auch recht erfolgreich herum, bis er auf Barbarinos königliche Idee stieß. Daraufhin erfand er hemdsärmelig Bairisches, seltsame Phantasmagorien wie das berühmt gewordene "Cannabis Kanapee", kitschige Musicalnummern und allerlei Wagnerderivate. Dieses Amalgam klang in Füssen reichlich irre, was auch daran lag, dass man dort 20 Live-Musiker und viel vom Band Zugespieltes hatte.

In Regensburg ist alles live, mithin handelt es sich durchaus um eine Art Uraufführung. Chin-Chao Lin ist dafür auch der passend unerschrockene Dirigent. Das Erstaunliche ist nun, das die Musik viel homogener wirkt, aber wie gesagt, das ist ein Vergleich mit einer Erinnerung an ferne Zeiten. Viel weniger durchgeknallt ist das also, aber auch viel sinnstiftender. Gerade Hummels Wagnereien entstehen nun wie zwangsläufig aus dem Verlauf der, äh, Handlung, wirken nicht mehr wie irre Scherze. Und klingen sehr gut.

Wie alles hier. Johannes Mooser hat als Ludwig II. zwar ein wenig zu viel naiven Riesenbabycharme, aber stimmlich gibt es nicht viel zu meckern. Sara-Maria Saalmann überzeugt als Sissi, Vera Semieniuk ist als deren Schwester Sophie wie so oft in Regensburg die Wucht des Abends. Dazu schnurrt eine effektvolle Inszenierung ab, die mit Video und durchscheinendem Plexiglas die illusionistische Aura eines traumverlorenen Monarchen wunderbar einfängt. Nun glaubt man auch Ludwig viel mehr seinen Pazifismus, Schwerter zu Schlössern sozusagen. Überhaupt ist hier vieles ernster als erwartet, was überhaupt nicht schadet, auch wenn die ganz große Sause sich so nicht unbedingt einstellt. Und es sieht gut aus.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2019
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