Musical:Menschlichkeit hinter der Oberfläche

Gil Mehmet

Gil Mehmert sucht Menschen hinter den Figuren.

(Foto: Christian Pogo Zach)

Gil Mehmert inszeniert "Priscilla" am Gärtnerplatz

Von Egbert Tholl

Vor mehr als 20 Jahren kam ein lustiger Film von Stephan Elliott ins Kino, den man einfach lieb haben musste, auch weil sich hinter der grellen Oberfläche viel Menschlichkeit und ein bisschen Melancholie verbarg. "Priscilla, Königin der Wüste" erzählt die Geschichte von drei Drag Queens auf dem Weg in die Mitte des australischen Kontinents. Priscilla heißt übrigens ihr Bus. Vor elf Jahren hatte dann die Musical-Version des Stoffs ihre Uraufführung, ein sogenanntes "Jukebox-Musical", was bedeutet, dass darin viele für die Schwulenszene ikonografisch gewordene Popsongs vorkommen. Ein Hit.

Den Hit inszeniert nun Gil Mehmert als deutsche Erstaufführung am Staatstheater am Gärtnerplatz, dem Ort, wo das Stück hingehört wie Wagner nach Bayreuth. Oder Strauss nach Garmisch. Oder - was auch immer. Es passt einfach, das kann man jetzt schon sagen, vor der Premiere an diesem Donnerstag. Eine Herausforderung ist die Produktion dennoch, denn eigentlich, so Mehmert, sei dies ein Stück, entwickelt für eine lange Laufzeit an ein und demselben Haus, en suite, wegen der vielen Bilder und dem Bühnenaufwand kaum geeignet für ein Repertoiretheater. Eines, das sich, so Mehmert, noch anfühle wie eine Baustelle. Denn so toll das Gärtnerplatztheater für den Zuschauer glänzt, in der Technik ist längst noch nicht alles vollendet renoviert. Mehmert sagt, er fühle sich wie vor 15 Jahren im Off-Theater.

Der Musical-Profi und -Professor beschreibt den Unterschied zwischen Film und Musical "als würde dazwischen ein Fluss laufen und die Blumen auf der einen Seite besonders schön blühen". Jetzt kann man sich fragen, welche Seite welche ist, beziehungsweise, welche Blumen einem lieber sind: die des Party-Stücks auf der Bühne oder die des Films. Mehmert jedenfalls will es auf der Bühne keinesfalls beim mitreißenden Song-Potpourri bewenden lassen; er greift auf die Figurenzeichnung des Films mit zurück. Das wird keine Schwulenklamotte à la Bully Herbig.

Selten schaue er sich Produktionen von den Stücken an, die er inszeniert. Im Falle von "Priscilla" tat er es, weil man aus dem kargen Textbuch allein kaum schlau wird. Also guckte er sich eine brasilianische Produktion des Musicals an und dachte danach: Will der Josef mich ärgern? Der Josef ist Josef E. Köpplinger, Intendant des Gärtnerplatztheaters. Und der will ihn gar nicht ärgern, der will den Hit.

Und so machte sich Mehmert, auch mit Hilfe des Films, auf die Suche nach den Menschen hinter den Figuren. Die drei seien für ihn wie Weißclown, trauriger Clown, dummer August, drei Menschen weit jenseits einer Replika-Show. Bei den Proben stellte Mehmert erfreut fest, dass die vielen Songs keineswegs nur eine Nummernrevue bilden müssen, sondern in die jeweilige Situation passen, diese vergrößern. Bei einem kurzen Blick in eine Hauptprobe kann man dann eines schon einmal feststellen: Der Sound der Synthese aus Band und Gärtnerplatzorchester ist verblüffend.

Eine Vorbereitung war für Mehmert die Lektüre der neuesten Biografie über Freddie Mercury und dessen wilde Münchner Zeit, der andere war das Plädoyer für Verständnis, Toleranz. Der Film kam heraus in der Hochzeit von Aids, zur Zeit einer Schwulenparanoia, heute taugt der Stoff bestens als Beitrag zur Transgender-Debatte. Der "sexual clash" bleibt - im Stück kommt es zur (Fast-)Vergewaltigung durch Minenarbeiter -, aber dessen Überwindung durch Menschlichkeit ist Programm. "Die Seele ist weder männlich noch weiblich", sagt Mehmert mit bewusstem Pathos.

Priscilla - Königin der Wüste, Premiere Donnerstag, 14. Dez., 19.30 Uhr, Gärtnerplatztheater.

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