Musical:Macho-Messias

Lesezeit: 2 min

Beziehungsstatus "schwierig": Jesus (Armin Kahl) und seine Maria Magdalena (Dionne Wudu). (Foto: Marie-Laure Briane)

"Jesus Christ Superstar" am Gärtnerplatz

Von katharina rustler, München

Dieser Superstar mit Schnurrbart, an dessen Lippen seine Apostel hängen und den sie liebevoll "JC" nennen, hat viele Gesichter. So, wie er seine Kampagne plant und "Vote-for-Jesus"-Plakate verteilt, könnte er politischer Aktivist sein. Wahlversprechen: Liebe und Friede - "Hosanna"! Gleichzeitig ist er Rebell mit seinen rockigen, tätowierten Jüngern, der sich in einer Garage vor den feindlichen Soldaten versteckt. Doch egal, was er ist, alle wollen Ratschläge, seine Segnung oder ein Selfie mit ihm.

Jesus von Nazareth, der auch in der Wiederaufnahme des Musicals "Jesus Christ Superstar" am Gärtnerplatztheater von Armin Kahl gespielt wird, fühlt sich geschmeichelt von dem Zuspruch seiner Fans. Stimmlich wird Kahl dem Etikett des Superstars gerecht, und auch in den höheren Tonlagen klingt er - wie ein junger Gott. Annähernd jedenfalls. Optisch ähnelt er mit Sneakers und Undercut eher einem erfolgreichen Clubbesitzer aus Kreuzberg, dem sein Erfolg allerdings nicht gut tut - seine cholerischen Ausraster lassen ihn arrogant wirken, nicht selten wirft er mit Stühlen um sich.

Wer indessen still leidet und den Kult um Christus mit sensiblem Blick beäugt, ist sein Jünger Judas. Wurde dieser in der vorherigen Saison noch von David Jakobs gespielt, übernimmt nun der Niederländer John Vooijs ("Tarzan") die Rolle. Ähnlich charismatisch, kämpft er zwischen Freundschaft und Verrat und verfängt sich dabei unaufhaltsam in den Fäden des Feindes, allen voran von Pontius Pilatus (Erwin Windegger). Dabei wirkt er so verletzt, dass er oft nur heiser krächzt, wodurch bei Liedern, wie "Strange Thing, Mystifying" Textstellen verloren gehen.

Das in der Rockoper erneut eingesetzte Bühnenbild (Rainer Sinell) aus einem metallenen Gerüst wirkt zugegebenermaßen auf der engeren Bühne im Stammhaus am Gärtnerplatz etwas gedrängt, bietet dem sehr dynamischen Stück aber einen nüchternen und soliden Halt. Den es definitiv auch braucht, da so viele Schauspieler mitwirken, dass es unübersichtlich werden kann. Was durchaus beabsichtigt ist, da Regisseur und Intendant Josef E. Köpplinger das Stück von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice in eine zeitgenössische Szenerie setzt. Darin vertreibt Jesus nicht Händler aus dem Tempel, sondern Konsumfrönende aus einer Shopping Mall. Das letzte Abendmahl hält er bei Döner und Bier. Die gelungene Szene, in der er mit seinen Jüngern exakt in Da Vincis ikonografischer Interpretation verharrt, währt kurz. Zum Glück hält sie Petrus mit seinem Smartphone fest, für die obligatorische Instagram-Story.

Diese Adaption ist durchaus zeitgemäß, wenn auch nicht ganz stringent. Dionne Wudus bleibt als neubesetzte, emanzipierte Maria Magdalena, die gesanglich mit ihren Soli "I Don't Know How to Love Him" und "Could We Start Again, Please" hervorsticht, bleibt sie die einzige starke Frauenrolle. Da fragt man sich, wenn schon alles anders gemacht wird, wieso gibt es nicht auch Jüngerinnen, die sich um den Messias scharen? Also Frauen, die nicht nur als fanatische Fans reihenweise in Ohnmacht fallen, sondern auch mal mit Stühlen werfen, wenn ihnen gerade danach ist.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: