Musical:Hinterm Horizont geht es nicht weiter

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Die Udo-Lindenberg-Show zieht von Berlin nach Hamburg um. Mit Hut. (Foto: Stephanie Pilick/dpa)

Mitten in Berlin, am Potsdamer Platz, steht jetzt das Stage-Theater leer, und die Udo-Lindenberg-Show zieht nach Hamburg um. Der Grund dafür ist das riskante Gebaren von Investoren.

Von Peter Laudenbach

Am kommenden Sonntag wird im Berliner Theater am Potsdamer Platz zum letzten Mal das Musical "Hinterm Horizont" rund um das Wirken und Schaffen des Sängers Udo Lindenberg dargeboten. Hinterm Horizont geht es nicht weiter, zumindest nicht auf der von dem internationalen Musical-Konzern Stage betriebenen Berliner Bühne. Lindenberg, der zur Uraufführung 2011 bei einer Pressekonferenz ohne Angst vor Peinlichkeiten zum Besten gab, er sei so gerührt von der Show, dass er "Pipi im Auge" habe, muss sich trotzdem nicht grämen: Von November an ist eine Hamburger Stage-Bühne die nächste Abspielstation der Produktion. Vor fünf Jahren, bei der Premiere, wirkte das Musical wie die rustikale Ruhmresteverwertung und Hit-Recycling-Anlage des Altrockers, aber dann läutete es immerhin sein Comeback ein.

Dass eine Produktion irgendwann abgespielt ist, nachdem die Zielgruppe sie gesehen hat, ist nichts besonders - Musical-Business as usual. Nicht ganz so üblich ist, dass die Stage, die den Vertrag für das 1800-Plätze-Theater erst 2015 für weitere sieben Jahre verlängert hat, das Haus erst einmal leer stehen lässt, für drei Millionen Euro Miete im Jahr ein teurer Spaß. Es gibt im Augenblick schlicht keinen Plan für eine neue Musical-Produktion. So ratlos dürfte sich das Stage-Management selten gezeigt haben. Damit wird das Theater mitten in Berlin zu einem großen, leeren Kasten am ohnehin nur mäßig belebten Potsdamer Platz - vielleicht die gerechte Strafe für seelenlose Investorenarchitektur an einem der hässlichsten Plätze der Hauptstadt. Das nutzlos gewordene Theater ergänzt jedenfalls das Ensemble der schlecht besuchten Einkaufspassage Potsdamer-Platz-Arkaden und der nicht übermäßig glamourösen Spielbank in schönster Tristesse. Immerhin stören die Feiernden beim dort gern veranstalteten Public Viewing an diesem urbanen Nicht-Ort keine Anwohner.

Für die 143 Beschäftigten des Theaters bedeutet die Schließung die Kündigung, wenn sie nicht in der Hamburger Zweitverwertungsproduktion unterkommen. Die Abwicklung der mit über zwei Millionen Besuchern in Berlin kommerziell recht erfolgreichen Berliner Produktion folgt schlichtem Brachialkalkül. Seit der mit Fernsehshows reich gewordene Stage-Gründer Joop van den Ende im vergangenen Jahr 60 Prozent der Anteile seines internationalen Musical-Konzerns an den Finanzinvestor CVC Capital Partners verkauft hat, gelten straffe Renditeerwartungen. Angeblich liegt die geforderte Marge bei stolzen 16 Prozent: Das Musical als Cashcow. CVC ist beim Blick in die Bilanzen eher unsentimental. Nur ist das Musical-Gewerbe ein Hochrisikozirkus, in dem sich Erfolge schlecht planen lassen und Flops schnell in die Zigmillionen gehen - eigentlich nicht das ideale Geschäftsfeld für einen Heuschreckeninvestor. Wie schnell scheinbar sichere Erfolge platzen können, hat die Stage in Berlin zuletzt bei der Pferde-Show "Gefährten" ("War Horse") zu spüren bekommen: Das Original war in London ein Hit und lief dort neun Jahre nonstop. Im Berliner Theater des Westens, ebenfalls eine Stage-Bühne, war mangels Publikumsinteresse schnell Schluss mit dem Pferdeflüstern.

So bitter die Schließung für die Beschäftigten ist - kurios ist das natürlich schon: Ein Investor darf zur Strafe für überzogene Renditehoffnungen die Millionenmiete für ein leer stehendes Theater zahlen. Vielleicht sollten sie dort einfach ein Musical mit Heuschrecken aufführen. Oder die schöne Operette "Die Dollarprinzessin".

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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