Musical:Gruselkabinettstück

Lesezeit: 3 min

Uwe Kröger in der deutschsprachigen Fassung des Broadway-Hits "The Addams Family" am Deutschen Theater

Von Michael Zirnstein

Die Welt des Musicals ist brutal: blutige Bandenkriege im Armenviertel ("West Side Story"), Vatermord und Intrigen um ein Raubtierkind ("König der Löwen"), das große Wehklagen der Mensch-Katzen-Monster auf einer Müllkippe ("Cats"), eine selbstmordgefährdete Kaiserin ("Elisabeth"), Prostitution im Prekariat ("Les Miserables"). Dagegen wirkt jene Familie, die mitten im New Yorker Central Park in einer verfallenen viktorianischen Villa wohnt, fast harmlos. Gut, Morticia, die Dame des Hauses, hat wohl eine vampiristische Ader und liebt Rosen ohne Köpfe, Familienoberhaupt Gomez Alonzo Lupold ist dauernd spitz, die Tochter Wednesday (zweiter Name Friday) quält ihren Bruder Pugsley bisweilen auf dem elektrischen Stuhl, und man verhätschelt eine abgetrennte Hand ("Das eiskalte Händchen") als Haustier.

Von solchen Äußerlichkeiten solle man sich aber nicht täuschen lassen, mahnt der Musical-Star Uwe Kröger, denn im Inneren sei die Addams Familiy (Clan-Motto: "Sic gorgiamus allos subjectatos nunc! - Wir verspeisen jene, die uns zu bezwingen versuchen!") ein ehrenwerter Haufen. "Sie sind reinen Herzens, zwischen Morticia und Gomez ist nie etwas schief gelaufen", schwärmt Kröger, "man wünscht sich, dass die eigene Familie so intakt ist wie die Addams Family, wo die Eltern sich noch erotisch begehren - auch wenn man sich nicht vorstellen möchte, dass die eigenen Eltern sexuell aktiv sind, aber das treibt eine Ehe ja an."

Als Gomez Addams drückt sich Kröger auf der Bühne ein wenig vorsichtiger aus, es ist schließlich eine familientaugliche Komödie: "Komm, lass uns nach oben gehen und einen Tango tanzen", raunt er seiner angebeten Morticia brünftig zu, mit spanischem Akzent wie in den Vorlagen für das Stück: der amerikanischen Fernsehserie aus den Sechzigerjahren, den TV-Cartoons aus den Siebzigern und den drei Kinofilmen von 1991, 1993 und 1998, sowie der Musical-Fassung von Andrew Lippa, die von 2010 an 700 mal am Broadway lief. Sie alle basieren auf den Comics, die Chas Addams von 1938 an für den New Yorker zeichnete.

"Wir haben versucht, aus allem das Beste für uns herauszuziehen", sagt Kröger über die 2014 uraufgeführte deutschsprachige Fassung, die nach dem Gastspiel im Wiener Museumsquartier nur zwei Wochen lang im Deutschen Theater läuft - und dort die morbide Serie von Schauerstücken wie "Horror" und "Tanz der Vampire" ergänzt (es folgen "Sarg niemals nie", "Der Glöckner von Notre Dame" und "Rocky Horror Show"). Kröger hat langjährige Erfahrung mit gruseligen Figuren, vom Phantom der Oper über Frank'n Furter bis zu Elisabeths Tod und Dr. Gudden im Füssener "Ludwig²". Nun dreht er richtig auf: "Mit Schminke und Kostüm sehe ich aus wie Gary Grant auf Ecstasy." Seinen Gomez siedelt er "irgendwo zwischen der pummeligen Cartoon-Figur der Siebzigerjahre und dem drahtigen Südamerikaner von Raul Julia aus dem Film" an.

Mit "wir" meint der 52-Jährige vor allem den Regisseur Andreas Gergen. Der ist einigen noch als Sohn aus der "Familie Heinz Becker" bekannt, für Kröger aber inzwischen "als Regisseur im Musical der Beste". Und da hat der 13 Mal vom Fachblatt Musicals als "Deutschlands Musical Star Nr. 1" ausgezeichnete Kröger einige erlebt. Gergen sei "ein Schauspieler-Flüsterer". Vor allem freut er sich darüber, dass Gergen sein komödiantisches Talent entdeckt habe, bisher war Kröger eher für dramatische Auftritte gebucht.

Bei der Musical-Fassung der Addams sind Witz und Timing besonders wichtig, denn abgesehen von Tanz und Gesang ist es eine Boulevard-Komödie mit einer Handlung schlichter als die einer TV-Seifenoper: Tochter Wednesday verliebt sich schrecklicherweise in einen Normalo, was sie ihrem Vater beichtet, dieser aber Morticia (Edda Petri) verschweigen soll, womit er diese quasi erstmals hintergeht. Zum Showdown kommt es - "Ein Käfig voller Narren" lässt grüßen - als die biedere Verlobtenfamilie um die aufgedrehte Sauberfrau-Mama (April Hailer) zum Essen in die bröckelnde Villa kommt. Dann wird sich herausstellen, wer normal ist und wer irre.

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Zu der Frage hat Kröger eh seine eigene Meinung, seit er als Zivildienstleistender in der Jugendpsychiatrie gearbeitet hat. "Als ich danach mit dem Schauspielunterricht in Berlin begann, war es wichtig, dass man viel über sich herausfindet, auf was man emotional reagiert und auf was nicht." Das hatte er längst bei der Arbeit mit den verhaltensauffälligen Kindern: "Bei vielem, was ich da gesehen habe, habe ich bemerkt: Ich reagiere auch so." Ein Psychiater habe ihm dann gesagt: "Uwe, das ist gut so, das sind alles menschliche Gefühle, es kommt nur drauf an, wie häufig und in welcher Konzentration sie auftauchen."

The Addams Family , bis Sonntag, 26. März, Deutsches Theater, Schwanthalerstraße 13

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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