Museum Ludwig in Köln:Der nicht zu beziffernde Schaden

Museum Ludwig in Köln: Eine originale "Malerische Architektonik" von L.S. Popowa (rechts) und die vorsichtig als "Frühere Zuschreibung" eingeordnete Version des Museum Ludwig.

Eine originale "Malerische Architektonik" von L.S. Popowa (rechts) und die vorsichtig als "Frühere Zuschreibung" eingeordnete Version des Museum Ludwig.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)

So etwas hat es in einem deutschen Museum noch nicht gegeben: Das Museum Ludwig in Köln zeigt möglicherweise gefälschte Gemälde der russischen Avantgarde.

Von Catrin Lorch

Eines der größten deutschen Museen überprüft seine Sammlung im Bereich russischer Avantgarde, insgesamt 600 Werke. Das Resultat der ersten Sichtung von 49 Gemälden? 22 sind womöglich Fälschungen. Eine Abschreibung von Meisterwerken in diesem Ausmaß hat es in einem deutschen Museum noch nie gegeben, es geht um Werke von Nikolai Suetin, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa und El Lissitzky.

Kunst der russischen Avantgarde ist ein Schwerpunkt des Museums. Offensichtlich jedoch hat sich Peter Ludwig, Gründer und Stifter des nach ihm benannten Museums in Köln, der seit den Siebzigerjahren russische Avantgarde ankaufte, häufig täuschen lassen; kaum ein Bereich der Kunstgeschichte ist so betroffen von Fälschungen. Was einerseits daran liegt, dass es sich bei der russischen Avantgarde, die im Umfeld der Revolution und in der frühen Sowjetunion entstand, um eine der bedeutendsten kunstgeschichtlichen Epochen handelt. Andererseits beeinträchtigten die Umbrüche in der Sowjetunion Leben und Schaffen der Künstler und die Überlieferung ihrer Werke. Es gab keinen Kunstmarkt, keine Galerien, keine Händler. Vieles verschwand aus den Museen, anderes tauchte in Familien oder bei Weggefährten wieder auf. Als Großsammler wie Peter Ludwig auf die Jagd nach Meisterwerken gingen, trennte der Eiserne Vorhang Europa - und nur wenige konnten überhaupt Ware in den Westen bringen.

Wie also geht man um mit so einem Konvolut? Petra Mandt, die Restauratorin des Museum Ludwig, berichtete im Interview mit der SZ, dass die vielen Verweise auf andere Versionen der Werke sie misstrauisch gemacht hätten. Die Bilanz gibt ihr jetzt recht. Doch wie soll man die Erkenntnisse öffentlich machen?

Es gibt organisierte Banden, die nicht nur Bilder, sondern auch Vorzeichnungen, Expertisen, Kaufverträge und Provenienzen fälschen. Sie finanzieren neben Ateliers wissenschaftlich auftretende Institutionen, Labore und Publikationen. Skeptische Sammlungsleiter, Wissenschaftler und Gutachter, die sich diesem grauen Kunstmarkt in den Weg stellen, werden rasch mit Klagen überzogen.

In so einem Umfeld musste das Kölner Museum nicht nur eine Systematik für die Überprüfung der Gemälde entwickeln, sondern auch eine Strategie, wie man negative Ergebnisse kommuniziert. Auch wenn es paradox klingt: Aber wenn es um russische Avantgarde geht, muss sich ein um Aufarbeitung bemühtes Haus gegen Angriffe wappnen. "Als Museum liegt die Ausstellung nahe, wenn man Transparenz herstellen will", sagt die mit dem Projekt betraute stellvertretende Direktorin Rita Kersting, die einen Katalog herausgibt und zu einem Symposium einlädt. Das Museum wurde allerdings schon im Vorfeld verklagt, weil die Galerie Gmurzynska, aus der die meisten Werke stammen, vor der Vernissage Einsicht in die Gutachten verlangte. Während der Pressekonferenz ließ sie Flugblätter verteilen, die Analyse des Museums sei "oberflächlich" und der Erkenntnisgewinn "gering". "Der Schaden aber bleibt in den Köpfen", schreibt Krystyna Gmurzynska.

Betrügerische Abischt lässt sich nach so vielen Jahren den Beteiligten kaum noch nachweisen

Es scheint, als fürchte ausgerechnet die Galerie, jetzt beschädigt zu sein, wo doch das Museum, wie Direktor Yilmaz Dziewior ankündigt, Bilder aussortieren muss. Allerdings hält er die möglicherweise gefälschten Gemälde immer noch für "ideell wertvoll". Auch Brigitte Franzen vom Vorstand der Ludwig-Stiftung geht gelassen mit dem Ergebnis um. Da es sich um eine Schenkung handele, sei "kein Schaden entstanden". Juristisch, da wehren beide ab, sei nicht viel zu gewinnen, unmöglich, den Beteiligten nach so vielen Jahren betrügerische Absicht nachzuweisen. Es ist wohltuend, dass die Ausstellung auf reißerische Formulierungen verzichtet. Schon weil die Suprematisten Publikumsmagnete sind, hängen zwei unzweifelhafte Meisterwerke im Eingangsraum: Auf der Stirnwand thronen Kasimir Malewitschs "Supremus No.38" und das tiefdunkle "Schwarz auf Schwarz" von Alexander Rodtschenko

Und auch der letzte Saal der Schau versammelt Originale in aller Pracht; Natalia Gontscharowas "Orangenverkäuferin" ist da zu sehen und die ungeheuer fein gemalten Stillleben von Michael Larionow. Allerdings: Auch sie hängen, wie die als "zweifelhaft" oder "unsicher" kategorisierten Leinwände, über einer breiten Leiste, auf der - wie auf einem Arbeitstisch - Papiere ausgebreitet sind. Zitate aus Provenienzen, Gutachten, Materialuntersuchungen - und abschließend ein "Fazit". Die Betrachter können sich als Leser ein Bild von den Forschungen machen. Wer sich für die Epoche interessiert, erfährt hier vieles, das ebenso aufschlussreich ist wie biografische Daten und kunsthistorische Interpretationen.

Museum Ludwig in Köln: Links Ljubow Popowas "Stillleben" (1914), rechts, ein "Stillleben mit Glas und Flaschen", jetzt nicht mehr der Malerin zugeschrieben.

Links Ljubow Popowas "Stillleben" (1914), rechts, ein "Stillleben mit Glas und Flaschen", jetzt nicht mehr der Malerin zugeschrieben.

(Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln)

Vor allem aber erfährt man in dieser Ausstellung, wie gewaltig der Schaden ist, den Fälscher anrichten. Nicht weil hier ein Museum Millionenwerte abschreiben muss, Sammler genarrt und Experten an der Nase herumgeführt wurden. Sondern weil fast schmerzhaft nachvollziehbar wird, wie das Werk von bedeutenden Malern bestenfalls verwässert, schlimmstenfalls verletzt wird. Wäre Popowa als erstrangige Malerin gefeiert worden, wenn nur die - fragwürdige - Kölner Version ihrer "Malerischen Architektonik" in der Öffentlichkeit kursierte? Während da Farbflächen wie Schablonen flach aneinanderstoßen, kann man vor dem Original nachvollziehen, wie die Malerin um das Leuchten der Abstraktion rang, mit kräftigen, hellen Pinselschwüngen Orange, Blau und Goldtöne miteinander verspannte. Der Ausstellung mit dem sperrigen Titel gelingt eine wohldosierte Mischung aus Werkstattbericht und Würdigung.

Russische Avantgarde im Museum Ludwig - Original und Fälschung. Fragen, Untersuchungen, Erklärungen bis zum 3. Januar im Kölner Museum Ludwig. Der Katalog kostet 29,80 Euro.

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Onlinerechte: ja
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Credit: Peng! Kollektiv

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