Museum Fünf Kontinente:Im Frieden angekommen

Lesezeit: 2 min

Ann-Christine Woehrls Fotos dokumentieren das neue Leben ehemaliger Farc-Rebellinnen

Von Evelyn Vogel, München

Die sechs Frauen sind für die Fotografin exemplarisch noch einmal in ihr altes Leben geschlüpft, haben noch einmal ihre grüne Kampfmontur angezogen. Spotlightartig beleuchtet prangen ihre Porträts auf transparenten Fahnen in der Mitte des Raumes. Stolz stehen sie da im Kreis, wie Kriegerinnen, die über sich hinaus gewachsen sind, mit einem leisen Lächeln im Gesicht. Doch ihr Lächeln ist vieldeutig.

Denn die Uniform der kolumbianischen Farc-Rebellen, für die sie jahrelang gegen die Armee kämpften, hat sie zwar einst stolz gemacht. Doch vor Jahren schon haben sie diese Uniform abgelegt, haben im Friedensprozess nach 2016 ihre neue Rolle in der Gesellschaft gesucht und zum Teil auch gefunden. Und noch etwas schwingt in dem Lächeln mit: das Wissen, dass sie manches zu einem kleinen Teil besiegt haben, an dem Tausende ihrer Landsleute zu Grunde gegangen sind. Armut, Krankheit, fehlende Bildung, Hass und Korruption waren und sind in Kolumbien weit verbreitet. Und die Gewalt ist noch immer überall - wie die Ermordung eines jungen Paares kurz nach Weihnachten erneut deutlich gemacht hat.

Für die deutsche Fotografin Ann-Christine Woehrl haben sechs ehemalige Farc-Rebellinnen die Uniform noch einmal angezogen. Sie haben Woehrl und der Journalistin Cornelia von Schelling zwei Jahre lang erlaubt, sie auf ihrem Weg in ein "normales", ein ziviles Leben zu begleiten. Daraus ist nach einem Liedtitel der kolumbianischen Sängerin "La Grande Negra" die Ausstellung "Der Frieden trägt den Namen einer Frau. Kolumbien im Wandel" entstanden, die noch bis Ende März im Museum Fünf Kontinente zu sehen ist.

Woehrl fotografiert seit Jahren Frauen am Rande der Gesellschaft. Ihre Fotoserie aus Kolumbien stellt Porträts der Frauen aus der Zeit nach dem Friedensschluss dem einen mit Guerillareminiszenz gegenüber. Jeweils zwölf Porträts, aufgenommen bei der Arbeit, beim Lernen, mit der Familie, in der Öffentlichkeit, im Privatleben, sind zu sehen. Auf dschungelgrün gestrichenen Monolithen, die sich kreisförmig um die Fahnen gruppieren, sind die Bilder zusammen mit Auszügen aus den Lebensgeschichten der Frauen ausgestellt. Dokumentarische Fotos, die den Gegensatz zu den ein wenig pathetisch wirkenden bedruckten Fahnen deutlich machen. Auf der Rückseite der Monolithen ist auf silbrig glänzendem Untergrund je ein Zitat zu lesen, warum die Frauen, die damals oft noch Kinder waren, zur Farc gingen - wie Milena, die sich mit 16 Jahren entschloss, ihre Familie zu verlassen.

Dort der Traum von damals - hier die Wirklichkeit von heute. So erhält jede der Frauen ihren Platz, um ihre Geschichte zu erzählen. Sechs Frauen, die in Icononzo, einem der 26 Übergangscamps, ihr neues Leben begannen und die stellvertretend für mehrere Tausend Ex-Rebellinnen stehen - etwa 40 Prozent der Farc-Angehörigen sollen Frauen gewesen sein. Frauen, die versuchten, der Armut und der traditionellen Rolle der Frau als Mutter und duldsame Ehefrau in Kolumbien zu entfliehen. Frauen auf der Suche nach Liebe, die sie in ihren Familien oft nicht erhielten. Aber auch Frauen, die aus einem linksliberalen Elternhaus stammend den Weg der Farc-Guerilla teilten, um für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen.

In der Gegenwart badet Nasly ihre neugeborene Tochter, Viviana paukt mit 40 Jahren für ihr Abitur, Juliana fährt nervös zu einem Vorstellungsgespräch, weil sie fürchtet, nach ihrer Vergangenheit gefragt zu werden, Sandra füttert mit ihrem kleinen Sohn auf dem Arm die Hühner, Camila macht sich fürs große Familienfest nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis zurecht, und Milena geht, wenn auch unter Personenschutz, mit Mann und Kind einer gemeinsamen Zukunft entgegen. Wo Woehrls Porträts am banalsten sind, berühren sie am meisten.

Der Frieden trägt den Namen einer Frau. Kolumbien im Wandel, Fotografien von Ann-Christine Woehrl, Museum Fünf Kontinente, Maximilianstraße 42, bis 29. März, Di-So 9.30-17.30 Uhr

© SZ vom 08.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: