Museen:Vor der Neugier der Besucher schützen

Museumsinsel Berlin

Nur ein Ausschnitt des Kunst-Konglomerates auf der Museumsinsel Berlin: James-Simon-Galerie und Neues Museum, im Hintergrund das Pergamonmuseum.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Was an den Berliner Staatlichen Museen kritisiert wird, ist symptomatisch für viele deutsche Häuser: eine Kultur der Exklusivität und der institutionellen Arroganz.

Kommentar von Jörg Häntzschel

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll in vier unabhängige Einrichtungen geteilt werden, sie braucht neues Personal und muss mehr in die marode Substanz ihrer Häuser stecken als in Neubauten. Über diese Empfehlungen des Wissenschaftsrats, der Europas größten Kulturverbund evaluiert hat, wurde diese Woche viel diskutiert.

Weniger war bisher die Rede von dem, was die Gutachter über die Staatlichen Museen Berlin (SMB) schreiben. "Den Anspruch, für Ausstellungen von Weltrang zu stehen, lösen die SMB (...) kaum ein", lautet das strenge Urteil. Doch ihre Hauptkritik gilt einem anderen Problem: Die Häuser folgten "teilweise (...) überholten Vorstellungen von Museumsarbeit".

Was fehle, sei "eine kreative Ausgestaltung der Rolle von Museen in der modernen Gesellschaft". Dadurch hätten sie "teilweise den Anschluss an internationale Entwicklungen verloren". Eindringlich mahnen die Gutachter, die Institutionen sollten sich "der Herausforderung stellen, Konzepte musealen Sammelns, Bewahrens, Erforschen, Ausstellens und Vermittelns neu zu denken und die Relevanz der Museen für die gesellschaftliche Selbstverständigung zu verdeutlichen".

Die Liste mit Mängeln ist lang: Den Bereich Bildung und Vermittlung, in den Programme für Kinder, Schüler und Senioren ebenso fallen wie Führungen, Netz-Angebote und Veranstaltungen, würden die Berliner Museen völlig vernachlässigen. In Sachen Digitalisierung hätten sie "großen Nachholbedarf". Der "Diversität und Vielfalt der Welt" würden sie nicht gerecht, eine Diversität, die "sich auch in der Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abbilden" sollte.

Die Kultur der Exklusivität und der institutionellen Arroganz hält sich immer noch hartnäckig

Das hört sich kleinteilig an. Tatsächlich sind damit aber Symptome eines Problems benannt, das keineswegs nur Berlin betrifft: eine hartnäckig sich haltende Kultur der Exklusivität, der Intransparenz und der institutionellen Arroganz. Dass die Museen in Deutschland die Vermittlung im internationalen Vergleich immer noch vernachlässigen, lässt sich nicht mit Budgetproblemen erklären. Es ist umgekehrt: Die Budgets sind so knapp, weil die Verantwortlichen mit ihren Ausstellungen zuallererst noch immer ihresgleichen bedienen, anstatt auch alle anderen in ihre Häuser zu bringen: Kinder, Demente, Menschen mit anderer Herkunft und anderem Bildungsstand.

Und dass es mit der Digitalisierung und Veröffentlichung der Bestände im Netz so langsam vorangeht, liegt nicht daran, dass den altmodischen Museumsleuten die digitale Welt eben etwas fremd ist, sondern daran, dass sie ihre Sammlungen und ihre Forschung nur ungern mit der Öffentlichkeit teilen. Noch immer verstehen sie sich oft als auserwählte Hüter eines unschätzbar wertvollen Erbes, das vor dem Zugriff und der Neugier Nichtinitiierter geschützt werden muss.

Die Besucher kennen es kaum anders. Sie stehen auch heute noch andächtig vor Gemälden, ohne darauf hingewiesen zu werden, dass diese Juden geraubt worden waren und teils längst hätten zurückgegeben werden müssen. Sie bewundern afrikanische Kunstgegenstände, doch erfahren nicht, wie diese nach Europa kamen. Sie wandeln durch perfekt ausgeleuchtete Säle, doch die oft dunkle Historie der Institutionen enthält man ihnen ebenso vor wie die vielerorts ernüchternden Zustände hinter den Kulissen. Noch immer erzählen die Museen aus weißer, europäischer Sicht Kunst-Geschichten, als seien es die einzig gültigen.

Hier und dort ändert sich das allmählich. Doch das Bewusstsein dafür, "dass die höchste Verantwortung der Museen diejenige gegenüber ihren Publika ist", wie die Gutachter schreiben, stellt sich nur äußerst schleppend ein. Im Zweifel kann man schließlich immer Geldmangel vorschieben.

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