Vor mehr als zehn Jahren wurde von zwei Hornisten des Bayerischen Staatsorchesters, Johannes Dengler und Christian Loferer, bei wohligem Saunabesuch die Idee zu "Munich Opera Horns" geboren. Wenig später gründeten sie, als gerade ein Generationswechsel stattfand, das aus acht Hornisten des Orchesters bestehende Ensemble. "Jenseits der Opernroutine wollen wir neue, gleichberechtigte Formen des Spiels entwickeln und an unserer Klangkultur arbeiten, nicht zuletzt, um Eigenständigkeit mit allerhand Biss zu erreichen", betont Christian Loferer, seit 2005 Mitglied des Staatsorchesters und auch begeisterter Alphornspieler.
Das ginge kaum, "wenn wir uns nicht als Gruppe, die altersmäßig von unter Dreißig bis über Sechzig geht, hervorragend verstehen würden". Selbstbewusst ist sich Loferer sicher: "Wir sind eine ganz entspannte Truppe, die sich aufeinander verlassen kann, aber auch", wie er lachend sagt, "nie einen trockenen Mund kriegt". Denn das sei ja das Schlimmste für den präzisen Ansatz. "Auch bei Nervosität wird bei uns in den Tönen nicht gezittert, das steckt bloß die anderen an." Schließlich reicht die Tradition der Hornspieler des einstigen Hofopernorchesters bis 1706 zurück, als Kurfürst Max Emanuel III. sie erstmals fest bei der Hofkapelle anstellte.
Die Idee vom eigenen Ensemble hat mittlerweile auch Orchesterkollegen angesteckt
Mittlerweile hat die Idee andere Orchesterkollegen angesteckt und so gründeten auch die Cellisten und die Kontrabässe jeweils ein Kammermusik-Kollektiv. Letztere sind dieses Jahr ebenfalls mit einem eigenen Kammerkonzert bei den Opernfestspielen vertreten. Für die immer häufiger werdenden Auftritte der "Munich Opera Horns" wurden Arrangements von Bach bis Piazzolla und eine "Rosenkavalier-Suite" in Auftrag gegeben, die die sechs Hornisten und zwei Hornistinnen auch beim Richard-Strauss-Festival auf der Aussichtsterrasse am Gipfel des Wank auf 1780 Meter Höhe spielen. Zuletzt bestellten die "Munich Opera Horns" bei Miroslav Srnka, der für die Bayerische Staatsoper "South Pole" komponierte, und jetzt bei Samy Moussa neue Stücke. Der 34 Jahre alte Kanadier ist in München durch Produktionen bei der Musiktheater-Biennale aufgefallen: "L'autre frère" (2012) und "Vastation - Wüstung" (2014), eine ebenso effektvolle wie zynische Polit-Oper.
Moussas "Stasis" erlebt bei den diesjährigen Opernfestspielen gleich zweimal seine Uraufführung: einmal zu Beginn beim Festspiel-Gottesdienst in Sankt Michael vor Haydns "Nelson-Messe", die Moussa einst als junger Tenor gesungen hat, das andere Mal, eingebettet in Mozarts "Maurischer Trauermusik" und Wagners "Siegfried-Idyll" bei einem Kammerkonzert in der Herz-Jesu-Kirche. Es endet mit vier Bearbeitungen von Wolf-Liedern durch Gérard Grisey für neun Instrumente (Klarinette, Bassetthorn, Horn, Streicher) und Stimme (Rachael Wilson) sowie Bachs erstem Brandenburgischen Konzert.
Samy Moussa durfte die beiden Programme zusammenstellen und dirigiert sie auch selbst. "Das Horn in meinem Leben" könnte als Motto über dem Abend in der Herz-Jesu-Kirche stehen, denn da wird das warme, oft mit der Romantik assoziierte Blechblasinstrument in Werken der verschiedensten Epochen eingesetzt, zu denen Moussa ein besonderes Verhältnis hat.
Als Komponist, der hauptsächlich groß besetzte Orchestermusik und Opern komponiert, fühlte sich Moussa zwar geehrt, als er den Auftrag bekam, aber zugleich etwas verwirrt und unsicher, weil er acht Hörner als eine sehr homogene Gruppe mit monochromen Farben ansah. Aber im Gespräch mit Christian Loferer, der so begeistert vom Hornsolo zu Beginn eines Orchesterstücks von Moussa war, ließ er sich überzeugen, dass er der Richtige ist. Moussa erklärt, wie seine Bedenken langsam verflogen: "Anfangs wollte ich chorisch komponieren, merkte aber schnell, dass ich die Hörner im Raum verteilen muss, auch wenn die Musik statisch bleiben und ohne dezidierte Bedeutung fließen muss." Daher rührt der Titel "Stasis - Stillstand". Sieht man sich gemeinsam mit Christian Loferer die Partitur an, die für alle acht Hörner in ganz tiefer Lage beginnt, oftmals gehaltene Noten enthält, die über ein Glissando erreicht werden, kaum dezidierte Rhythmik oder Bewegung in der Vertikale kennt, aber viele Tonwiederholungen, dann bekommt man eine vage Vorstellung, wie das wohl klingen mag; vor allem der beiden Gongs wegen, die den Mittelteil der Komposition ohne Hörner bestimmen werden und im dritten Teil zusammen mit den Bläsern agieren. Entscheidend für das Spiel wird sein, wie beim Bogenschießen im Moment vor dem Loslassen des Pfeils alle Absicht und alles Wollen zu vergessen und ganz im Augenblick zu sein.
Und dann führt Loferer mit den Lippen vor, was etwa die Spielanweisung "Frullato" in der Partitur bedeutet: Ein mit "Flatterzunge" geblasener Ton, bei dem man die Zunge zwischen die Zähne nehmen muss; auch ganz ohne Horn klingt das wunderbar wie eine Mischung aus Musik und Geräusch.
Inspiriert wurde Moussa für "Stasis" nicht zuletzt von frühen kalligrafischen Aufzeichnungen der Gesänge tibetischer Mönche, die aussehen wie die ersten Verschriftungen des Gregorianischen Chorals in Europa aus dem 9. Jahrhundert, aber auch vom Klang des Schofar-Horns aus dem alten jüdischen Ritus. So wurde daraus etwas, was Moussa gar nicht "Musik" nennen möchte - perfekt dafür geeignet, die Intrada eines Gottesdienstes zu bilden, aber auch eine Brücke zu spannen von sakralem Mozart zu Wagnerscher Kammermusik.
Munich Opera Horns, Festspielgottesdienst, So., 24. Juni, 10 Uhr, Sankt Michael, Neuhauser Str. 6, Festspielkonzert , Fr., 6. Juli, 20 Uhr, Herz-Jesu-Kirche, Lachnerstr. 8