Münchner Kammerspiele:Was bringt's?

Lesezeit: 1 min

Chris Dercon lädt zum Auftakt seiner Gesprächsreihe zum Thema "Solidarität" den Fotografen Wolfgang Tillmans ein. Der hat auch viel Kluges zu sagen. Dercon hat nur leider nichts ähnlich Intelligentes zu fragen.

Von Catrin Lorch

Was macht ein Künstler, der auf eine Bühne geladen wird? Wolfgang Tillmans hüllte seinen Auftritt in den Münchner Kammerspielen in ein Bild: Von einer Klippe herab sieht man, wie seine Freunde mit ihren Armen Wellen in den feuchten Sand malen. Ein charakteristisches Motiv für den in Deutschland geborenen, aber seit Langem vorwiegend in England fotografierenden Künstler. Er brachte nicht nur in den Neunzigern, als seine Ästhetik Magazine wie die britische I-D prägte, Themen wie Aids, Gleichberechtigung, Sexualität, Armut, Krieg als politischen Diskurs in die Kunst ein - häufig stellte er seine Bilder auch NGOs oder Aktivisten zur Verfügung.

Sicher war Wolfgang Tillmans der ideale Kandidat für den Auftakt einer Gesprächsreihe zum Thema "Solidarität", die Chris Dercon, noch Leiter der Tate Modern Gallery in London, bald Intendant der Berliner Volksbühne, in den Münchner Kammerspielen verantwortet. Das Publikum erlebte, dass der inzwischen 47-jährige Tillmans politisch nicht nur wach ist, sondern als reflektierter Citoyen und überzeugter Zeitungsleser zwischen Subkultur und Wirtschaftsteil einen direkten Zusammenhang herstellt und funktionierende demokratische Strukturen wertschätzt: "Meist ist es die Verwaltung, die über die Existenz eines Clubs entscheidet." Auch für einen diffusen Solidaritäts-Begriff war Tillmans nicht zu haben: "Man muss nicht nur als Künstler jede Einzelentscheidung genau befragen." In den veränderten Rahmenbedingungen der Kunst geht es heute womöglich darum, nicht nur Sujets oder Themen zu setzen. Sondern - etwa in der Ethik-Kommission eines Museumskolosses wie der Tate - genau nach der Herkunft von Sponsoren-Geldern zu forschen.

Doch konnte die Diskussion, die von Dercon eher mit Stichworten gefüttert als richtig geführt wurde, keinen Moment an die Leichtigkeit des Strandmotivs anknüpfen, mit dem der Abend einsetzte. Die neue Reihe an den Kammerspielen soll offensichtlich beweisen, dass eine Bühne zu mehr taugt als nur Theater. Doch was ist umgekehrt der Mehrwert für die Kunst? In München, wo im Lenbachhaus und in der Pinakothek Werke von Tillmans hängen, erlebte man - vom Werk weit entfernt -, eine Talkshow.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: