Erstaunlich, dass es eine Pause gibt. Sie unterbricht nach bereits vierzig Minuten einen Theaterabend, der mit einem Affenzahn über die Bühne fetzt und eigentlich in zwei atemlosen Stunden heruntererzählt werden könnte - bis zum finalen Knockout. Aber vielleicht müssen einfach die Schauspieler mal durchschnaufen, und auch dem angeditschten Zuschauer tut ein Pausensekt ganz gut, so schnell, wie in diesem Boxertheater die Szenenversatzschläge und fäkalsprachlichen Konter auf ihn einprasseln. Man fühlt sich wie ein Punchingball. Ein paar wenige nutzen die Gelegenheit, um zu flüchten; das Wort "Schülertheater" zischelt durch die Runde.
Münchner Kammerspiele:Hauptsache, es ist okay
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Ein würdevoller Abschluss der Premierenwoche an den Kammerspielen: "Rocco und seine Brüder". Die Inszenierungen davor waren eher durchwachsen.
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Dabei hat die Szene so sehr darauf hingefiebert: Die ersten Premieren an den Münchner Kammerspielen unter der Intendanz von Matthias Lilienthal.
Bild: Stephan Rumpf -
Der Intendant gab sich wie erwartet eher unkonventionell: Am Premierenabend trägt er ein blaues Hemd mit über die Schulter gelegtem Kapuzenpulli.
Bild: Stephan Rumpf -
Der Andrang jedenfalls war groß am Freitagabend: Enormes Gedränge, aber auch eine Art Öffnung nach draußen, eine Sichtbarwerdung des Publikums.
Bild: Stephan Rumpf -
Für den Start in die Spielzeit hat Lilienthal das stets unter Antisemitismus-Verdacht stehende Shakespeare-Stück "Der Kaufmann von Venedig" angesetzt.
Bild: David Baltzer -
Die Inszenierung dieses Klassikers ist vor allem Spiegel des Stils von Regisseur Nicolas Stemann und dessen assoziativ mäandernden Textflächen.
Bild: David Baltzer -
Die hohen Erwartungen an die zweite Lilienthal-Premiere, "Ode to Joy" des Libanesen Rabih Mroué, wurden am Samstag dann auch eher enttäuscht.
Bild: Judith Buss -
Im Kern ist der Abend eine palästinische Volksseelenschau - für ein deutsches Publikum nicht ganz leicht nachvollziehbar.
Bild: Judith Buss -
Nächste Premiere am Sonntagabend: Die Rimini-Protokoll-Inszenierung von "Mein Kampf", die auf einer bemerkenswerten Recherche beruht.
Bild: Thomas Aurin -
Natürlich ist ein furchtloser, vielleicht sogar satirischer Umgang mit "Mein Kampf" der einzig richtige. Doch: Auch da wäre mehr gegangen.
Bild: Thomas Aurin -
Montagabend dann: "Yesterday You Said Tomorrow". Das Urteil über das quasi textlose Stück: 70 Minuten Langeweile.
Bild: Predieri/drama-berlin.de -
Am Mittwoch schließlich, die Erwartungen des Publikums immer noch erregt: Die Inszenierung "Rocco und seine Brüder" von Simon Stone.
Bild: Thomas Aurin -
Und tatsächlich: Geboten wird Theater im Sinne eines Repräsentations- und Identifikationstheaters, also mit richtigen Rollen, Figuren, Dialogen.
Bild: Thomas Aurin
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Im Eröffnungsreigen der Münchner Kammerspiele schickt Simon Stone nun "Rocco und seine Brüder" in den Ring - gewonnen ist der Kampf damit noch nicht.
Von Christine Dössel