Neue Dauerausstellung in der Monacensia-Bibliothek:Biografie einer Münchner Villa

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Das Hildebrand-Haus um 1900, auf dem Balkon unterm Zwiebelturm stehen Adolf und Irene von Hildebrand. (Foto: Architekturmuseum der TUM)

Die Monacensia gilt als literarisches Gedächtnis der Stadt an der Isar. Nun gibt es dort eine neue Dauerausstellung. Sie erzählt die spannende Vorgeschichte des Hildebrandhauses, wo die Bibliothek seit 1977 untergebracht ist.

Von Jürgen Moises

Es war Rettung in letzter Minute. Nachdem das Hildebrandhaus 1967 an einen Investor verkauft worden war und dieser das geschichtsträchtige Gebäude einfach verfallen ließ, drohte Anfang der Siebzigerjahre der Abriss. Abgewendet wurde dieser durch den Protest prominenter Bürger, und durch das 1973 neu geschaffene und zum ersten Mal eingesetzte Bayerische Denkmalschutzgesetz. Ein Jahr später erwarb der Freistaat Bayern das Anwesen für die Stadt München. Die ehemalige Villa des Bildhauers Adolf von Hildebrand wurde restauriert und im Oktober 1977 der Stadtbibliothek als neuer Sitz der Monacensia übergeben.

Als Monacensia kennt man heute in erster Linie auch das Haus in der Maria-Theresia-Straße 23, dessen bewegte Geschichte nun die neue Dauerausstellung im Haus erzählt. „Maria Theresia 23. Biografie einer Münchner Villa“ heißt die Schau, die einerseits recht klassisch mit vielen biografischen, teilweise noch nie gezeigten Dokumenten, Fotografien, Akten oder Briefen aufwartet. Auf modische Touchscreens wird verzichtet. Dafür wird die Biografie des Hauses unter www.mon-mag.de im Online-Magazin weitererzählt. Dort finden sich weitere, ständig neu ergänzte Artikel oder Interviews. Auch die bisherige Dauerausstellung „Das Literarische Leben zur Zeit Thomas Manns“ ist dorthin, ins Digitale gewandert.

Adolf von Hildebrand im Treppenturm des Hildebrandhauses, um 1910. (Foto: Münchner Stadtbibliothek / Monacensia)

Was sich da und dort findet, sind Erinnerungen von Julian Nida-Rümelin. Der in diesem Jahr 70 Jahre alt gewordene Münchner Philosoph hat die ersten 15 Jahre seines Lebens im Hildebrandhaus verbracht. Denn sowohl sein Vater als auch sein Großvater waren Bildhauer und hatten ihre Ateliers dort. Und er erinnert sich ganz allgemein an eine sehr freie, aber auch sehr enge Zeit. Nida-Rümelins Vater gehörte zu den Leuten, die für den Erhalt der Villa kämpften. Nur war dessen Vision, diese als Künstlerhaus zu erhalten. Also als das, was die „Maria Theresia 23“ von Anfang an gewesen ist, nachdem Adolf von Hildebrand die herrschaftli­che Villa 1898 von Gabriel von Seidl errichten lassen hatte.

Adolf von Hildebrand lebte und arbeitete dort nicht nur. Er machte aus der Villa ein offenes Haus, in dem Künstler, Schauspieler und Schriftstellerinnen wie Annette Kolb und Franziska zu Reventlow ein und aus gingen. Nach Hildebrands Tod 1921 übernahmen dessen Kinder Dietrich und Irene das Anwesen. Im Jahr 1934 wurde es von der Jüdin Elisabeth Braun erworben. Sie ließ das Gebäude umbauen, zog 1938 ein und gewährte bis 1941 dort 15 verfolgten Menschen Unterschlupf. Es kam zur Enteignung und alle Bewohner wurden von den Nazis ermordet. Im Jahr 1948 übernahm die Evangelisch-Lutherische Kirche die Villa, teilweise arbeiteten dort deren Bedienstete neben Künstlern wie Wilhelm Nida-Rümelin.

Ein sehr spannendes Kapitel behandelt ebenfalls die direkte Nachkriegszeit. Darin geht es darum, wie die Bogenhausener Villengegend rund um die Möhlstraße zu einem lebendigen Anlaufpunkt für Juden und andere „displaced persons“ wurde. Das Zentralkomitee der befreiten Juden zog gegenüber dem Hildebrandhaus ein. Und es kam zur „Grundlegung der jüdischen Gemeinschaft nach 1945“, wie man in einem Video von der Literaturvermittlerin Rachel Salamander erfährt.

In einem eigenen Raum geht es schließlich um die heutige Monacensia und ihr Selbstverständnis als offenes Literatur- und Künstlerhaus, was wie ein Anknüpfen an die Anfangszeit der Villa klingt. Schade, dass die Rolle des Hauses als bedeutendes Archiv dafür etwas kurz kommt. Dabei verdankt sich doch auch diese Ausstellung einer intensiven Archivarbeit. Wie viele Geschichten nicht nur in den dort gesammelten Texten, sondern auch im Gebäude selbst stecken, das macht die Ausstellung aber sehr gut deutlich.

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