München:Grün, blau, rot oder braun?

Das Bild: Wassiliy Kandinsky, Das Bunte Leben, 1907, im Lehnbachhaus

Noch ist „Das bunte Leben“ von Wassily Kandinsky aus dem Jahr 1907 im Münchner Lenbachhaus zu sehen.

(Foto: Florian Peljak)

Eines der berühmtesten Gemälde der Kulturmetropole, "Das bunte Leben" von Wassily Kandinsky aus dem Jahr 1907, soll NS-Raubkunst sein. Die Erben der jüdischen Sammlerfamilie fordern das Bild nun zurück.

Von Kia Vahland

Das Erbe des Nationalsozialismus ist in München nicht zu übersehen. Am Königsplatz stehen die von Paul Ludwig Troost errichteten Monumentalbauten, einer davon, die heutige Musikhochschule, war einmal Hitlers "Führerbau". Und den Englischen Garten verriegelt seit 80 Jahren eines der prominentesten Gebäude totalitärer Herrschaft: das Haus der Kunst, errichtet nach Plänen Troosts am Parkeingang als Haus der Deutschen Kunst. Hitler ließ hier Bäume fällen und verwirklichte mit Ausstellungen von NS-Künstlern von 1937 an seine Träume einer "arischen" Kultur. Einer wie der Deutschrusse Wassily Kandinsky, Vorreiter der Abstraktion, hatte seine Wahlheimat München da längst verlassen. Wie viele andere stand er auf der Liste der "entarteten" Künstler, deren Werke in Schandausstellungen zu sehen waren.

Die Stadt war nicht nur "Hauptstadt der Bewegung", sondern einst auch die Hauptstadt der Antimoderne. Die Süddeutsche Zeitung berichtete im März, dass Kandinskys Hauptwerk "Das bunte Leben" aus dem Lenbachhaus in der NS-Zeit sehr wahrscheinlich einer jüdischen Familie in Amsterdam abgepresst wurde. 1940 wurde es dort auf einer NS-Kunstauktion voller Raubgut versteigert.

Kandinskys "Buntes Leben" als Inbegriff der Hoffnung auf einen radikalen Neuanfang

Ausgerechnet eine Kuratorin des Lenbachhauses, die im Krieg in Italien am Kunstraub der Nazis beteiligt gewesen war, sorgte nach SZ-Recherchen dafür, dass die Bayerische Landesbank das Werk aus holländischem Privatbesitz erwarb und 1973 dem Museum überließ. Damals war München noch ergriffen vom internationalen Geist der Olympischen Spiele im Vorjahr. Weltoffen, modern wollte die Stadt sein und nicht mehr ständig an die Verbrechen erinnert werden. Kandinskys "Buntes Leben" wurde zum Inbegriff dieser trügerischen Hoffnung auf einen radikalen Neuanfang. Was jetzt aus dem Gemälde wird, muss sich noch zeigen. Die Erben der jüdischen Eigentümer fordern es von der Landesbank zurück. Nun kommt der Fall entweder vor ein Gericht in New York oder vielleicht doch irgendwann vor die Limbachkommission, die in Deutschland Empfehlungen zu NS-Raubgut abgibt. Möglicherweise verliert München am Ende Kandinskys Hauptwerk - es sei denn, die Stadt, der Staat, Mäzene und die Bürger bringen das Geld auf, um es dieses Mal den richtigen Besitzern abzukaufen. Der Marktpreis könnte im höheren zweistelligen Millionenbereich liegen.

Vor noch einer Entscheidung stehen die Münchner: Das Haus der Kunst soll saniert werden, wohl nach Plänen des Architekten David Chipperfield. Der aber möchte das Gebäude weitgehend rückbauen in den Zustand von 1937. Dann würden die Bäume hinter und vor dem Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst wieder gefällt werden. Es sähe von außen, teilweise auch von innen aus wie zu Hitlers Zeiten. Manche Münchner und einige Zeithistoriker sehen dem mit Schrecken entgegen. Wieder steht die Stadt vor der Frage, wie sie mit ihrem fürchterlichen Erbe umgehen will.

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