Ausstellung "Hellas in München":Und Perikles trinkt Ouzo

Ausstellung "Hellas in München": Der 17-jährige Otto I., König von Griechenland, gemalt von Joseph Stieler 1832. Links unten, hinter seinem Arm, die Athener Akropolis.

Der 17-jährige Otto I., König von Griechenland, gemalt von Joseph Stieler 1832. Links unten, hinter seinem Arm, die Athener Akropolis.

(Foto: Wittelsbacher Ausgleichsfonds)

Die Münchner Antikensammlungen feiern "200 Jahre bayerisch-griechische Freundschaft".

Von Johan Schloemann

Der erste König des modernen griechischen Staates war ein Bayer. Er hieß Otto I. aus dem Geschlecht der Wittelsbacher und war im Jahre 1832 bei seiner Thronbesteigung zarte siebzehn Jahre alt, ein jugendliches Gesicht der Hoffnung auf die Wiedergeburt antiker Größe. Ein Ephebe, würden Liebhaber sagen. Als die Griechen im Sommer 2004 überraschend Fußball-Europameister wurden mit dem deutschen Trainer Otto "Rehakles" Rehhagel, da nannte man ihn "König Otto II."

Als die Bayern 1862 durch eine Militärrevolte aus Athen nach Hause gescheucht wurden und ihr idealistisches Regierungsexperiment aus dem Geist des humanistischen Gymnasiums damit abbrechen mussten, hinterließen sie einiges: Bierbrauereien für griechisches Helles, eine Reihe nationaler Einrichtungen, eine modernere, allerdings auch ziemlich aufgeblähte Verwaltung und Staatsschulden. Aber daheim in München war ja derweil ein Ersatz-Athen aus klassizistischem Marmor entstanden, genau wie in Athen selber mit Hilfe bayerischer Baumeister. In Ottos Schloss tagt bis heute das griechische Parlament. Nach dessen Architekt heißt der Münchner Gärtnerplatz, wo gerade erst wieder das Alkoholverbot aufgehoben wurde. Prost Dionysos.

Propyläen in München, 2013

Ersatz-Athen: Blick in der Säulenhalle der Propyläen am Münchner Königsplatz.

(Foto: Johannes Simon)

Die größten Exponate dieser bayerisch-griechischen Affäre sind also die neo-antiken Plätze und Bauten des 19. Jahrhunderts als solche, in München der Königsplatz mit der Akropolis-Kopie der Propyläen und der gerade frisch sanierten Glyptothek. Weil aber in diesem Jahr gefeiert wird, dass der Kampf der Griechen um die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich vor 200 Jahren begann, und weil bayerische Antiken-Fans, Philhellenen genannt, dabei maßgeblich mitmischten, markiert eine kleine Sonderausstellung über "Hellas in München" noch einmal den Ursprung jener ständigen Ausstellung. Sie kann auch deshalb kleiner ausfallen, weil sie schon größere Vorgänger mit voluminösen Katalogen hatte, etwa "Das neue Hellas. Griechen und Bayern zur Zeit Ludwigs I." 1999 im Bayerischen Nationalmuseum.

Eine königliche Schlafmütze im Traumland Altertum

"Daß mir vergönnet nicht war, Griechen, zu leben bey euch! / Lieber, denn Erbe des Throns, wär' ich hellenischer Bürger!" So hatte Ottos königlicher Vater Ludwig I. als Kronprinz gedichtet, der Kämpfer für Griechenlands Befreiung im Traumland Altertum und Vater der Glyptothek. Im Eingangsbereich der Antikensammlungen begegnet man ihm ebenso wie der originalen griechisch-orientalischen Schlafmütze seines Sohnes Otto aus roter Seide sowie einer Büste von Friedrich Wilhelm Thiersch, einem revolutionär gestimmten Altphilologen, der später für seine Verdienste um die klassische Bildung in Bayern geadelt wurde. Thiersch lehrte nicht nur am Wilhelmsgymnasium und an der Akademie, sondern gründete sogar ein "Lyzeum" für ausgewählte Absolventen aus Griechenland, das nachher dann aber seine Elitenausbildung doch lieber selbst übernahm.

Hellas in München
200 Jahre bayerisch-griechische Freundschaft
Sonderausstellung, 29.6.-2519.9.2021
Fotoindex
Alle Abbildungen erhalten Sie bei den Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek 
München (fendt@antike-am-koenigsplatz.mwn.de; 089/289275

Griechisch-orientalische Tracht: Hauskappe von Otto I., König von Griechenland, aus roter Seide, zwischen 1832 und 1840.

(Foto: Bastian Krack/Bayerisches Nationalmuseum)

In der gegenüberliegenden Glyptothek, dem Skulpturenmuseum, werden die überschaubaren bayerischen Erwerbungen von der Athener Akropolis eingeordnet und die farbigen Ölskizzen des heute zerstörten 39-teiligen Bilderzyklus zum griechischen Unabhängigkeitskampf gezeigt, den der Maler Peter von Hess für die Hofgarten-Arkaden schuf. Die deutsch-griechischen Missverständnisse, die zwischen Perikles-Sehnsucht und südosteuropäischer Realpolitik entstanden sind - bis hin zu den Nazis auf der Akropolis -, werden dabei zum Jubiläum eher höflich ausgeblendet.

München hat eine große griechische Community, aber wie steht es heute um die bayerisch-griechische Freundschaft? Das kommt ganz darauf an, woran man sie misst - an Ouzo-Konsum und Urlaubsbuchungen, an Wirtschaftsbeziehungen, an den Anmeldezahlen zum Griechischunterricht oder an der Anteilnahme am Schicksal der Migranten auf Lesbos. Jedenfalls dichteten die Münchner, als das griechische Abenteuer der Wittelsbacher damals vorbeiging, im Jugend-Stil ihres früheren Monarchen: "Man lobt den Tag nicht vor dem Abend, / Propyläen gebauet habend."

Hellas in München
200 Jahre bayerisch-griechische Freundschaft
Sonderausstellung, 29.6.-2519.9.2021
Fotoindex
Alle Abbildungen erhalten Sie bei den Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek 
München (fendt@antike-am-koenigsplatz.mwn.de; 089/289275

Steinmetzkunst nach antikem Vorbild: Ein ionisches Marmor-Kapitell aus dem früheren, im Zweiten Weltkrieg zerstörten Foyer der Antikensammlungen, um 1840.

(Foto: Renate Kühling/Staatliche Antikensammlungen München)

Hellas in München. 200 Jahre bayerisch-griechische Freundschaft. Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, München. Bis 19. September.

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