MTV:Das Ende vom Lied

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Mit einer eigenen Note wollte MTV Deutschland punkten. Nun verlangt der Mutterkonzern höhere Renditen - und der Sender verkommt zu einer Abspielstation von US-Produktionen.

Caspar Busse

Als Mitte Mai die damalige MTV-Deutschland-Chefin Catherine Mühlemann völlig überraschend nach sieben Jahren ihren Job aufgab, begründete sie das ausschließlich mit persönlichen Gründen. Es sei Zeit, einen Schritt weiter zugehen, teilte die Mutter von zwei Kindern seinerzeit mit. Doch schon damals gab es Spekulationen, die Schweizerin Mühlemann wolle in Wirklichkeit die strengen Rendite-Vorgaben des Mutterkonzerns Viacom aus den USA nicht mehr mittragen.

Mit der preisgekrönten Serie South Park will Comedy Central am Abend bei den Zuschauern punkten. (Foto: Foto: AP)

Jetzt, nach einer Schamfrist von fünf Monaten, zeigt sich, wie die Lage bei MTV Networks in Deutschland wirklich ist. Im Juni hatte der 44-jährige Niederländer Dan Ligtvoegt die Geschäfte in Deutschland von Mühlemann übernommen - zusätzlich zu seiner Zuständigkeit für die Beneluxländern und Skandinavien. Jetzt fährt er einen deutlichen Sparkurs - das Programm wird gekürzt, der erst 2007 gestartete eigenständige Unterhaltungskanal Comedy Central wird zu einem Programmfenster degradiert und Stellen fallen weg. Künftig werden wieder mehr amerikanische Produktionen ins Programm genommen.

"Aggressiver Weg"

Das Konzept Mühlemanns, mit einem eigenen deutschen Programm und einer eigenen Note auf dem schwierigen deutschen Markt zu bestehen, wird damit zurückgedreht. Die Unruhe in Berlin ist groß. Die goldenen Zeiten scheinen vorerst vorbei zu sein.

MTV Deutschland ist Teil des börsennotierten und weltweit tätigen Viacom-Konzerns, der 2007 auf einen Umsatz von 13,4 Milliarden Dollar kam und der von der Familie des Medienunternehmers Sumner Redstone kontrolliert wird. Dazu gehören unter anderem die Filmstudios Paramount (Indiana Jones) und Dreamworks (Shrek).

Redstone sieht sich auf einem "aggressiven Weg", bis 2010 hat Viacom zweistellige Ergebnisverbesserungen versprochen. Ob das angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise noch realistisch ist, ist zweifelhaft. Anfang Oktober musste Viacom bereits mitteilen, dass die Gewinnziele für 2008 nicht erreicht werden. Der Druck ist da.

Es geht an die Substanz

Mühlemann, die zuvor für das öffentlich-rechtliche DRS und den ersten Privatsender TV3 in der Schweiz gearbeitet hatte, war im Mai 2001 zu MTV gekommen und baute das Geschäft deutlich aus. Sie gründete einen zweiten Sender MTV-Pop. 2004 übernahm Viacom für rund 300 Millionen Euro den deutschen Rivalen Viva, die Zentralen wurden von München und Köln nach Berlin verlegt. Bislang war Viacom in Deutschland mit vier Kanälen im frei empfangbaren Fernsehen: Neben Viva und MTV sind das der Kindersender Nick und Comedy Central. Nach eigenen Angaben erreichten die vier Sender 2007 in Deutschland bei den 14- bis 29-jährigen Zuschauern einen Marktanteil von knapp sieben Prozent.

Noch, denn jetzt geht es an die Substanz. Bei den rund 350 festen Mitarbeitern sollen elf Stellen gestrichen werden, außerdem werden etwa 30 befristete Stellen nicht verlängert, heißt es in Berlin. Auch das Programm wird deutlich zusammengestrichen: Auf MTV fallen ab sofort deutsche Eigenproduktionen weg, unter anderem MTV News und MTV Masters, Sendungen wie MTV Urban und MTV Rockzone werden nicht mehr moderiert. Ähnlich sieht es bei Viva aus.

Ende des Pioniergeistes

Zudem werden der Kindersender Nick und der deutsche Ableger des amerikanischen Senders Comedy Central zusammen gelegt werden, einer der beiden Frequenzen wird zurückgegeben. Von Mitte Dezember an wird Comedy Central nun als Abendprogramm auf dem Spartensender Nick ausgestrahlt. Zusammen haben die beiden Programme künftig eine bessere Verbreitung in Deutschland, hieß es dazu. Comedy Central war erst im vergangenen Jahr mit großer Hoffnung gestartet, doch der Marktanteil kam über einen halben Prozentpunkt nicht hinaus. Nun gibt MTV Networks das Ziel aus, dass sich der Marktanteil auf ein Prozent verdoppeln soll. Von Januar 2009 an wird das Tagesprogramm von Comedy Central schrittweise eingestellt.

Mit Sendungen wie Rent a Pocher oder der Sitcom Ehe ist... soll ein Publikum zwischen 14 und 49 Jahren angesprochen werden. Am späteren Abend sind dann Comedy und Serien wie South Park, Nightwash oder ulmen.tv geplant. Hintergrund des Sparkurses sei "die Optimierung der Kostenstruktur und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Sender, insbesondere angesichts der herausfordernden aktuellen wirtschaftlichen Lage und der schlechten Prognosen für das kommende Jahr", teilte MTV mit. Vom Pioniergeist, mit dem MTV einst das Fernsehen revolutionierte, ist nicht mehr viel geblieben.

© SZ vom 27.10.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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