Mossad: Morde in Dubai:Agenten sollen töten

"Ihr seid alle Killer", sagt eine von Yishai Sarids Romanfiguren zu einem israelischen Geheimdienst-Agenten. Wahrscheinlich hat sie recht, sagt der Autor.

Julia A. Heyer

In seinem Roman "Limassol" beschreibt der Anwalt und Schriftsteller Yishai Sarid das Dilemma eines israelischen Geheimdienstlers, der zwischen seinem Privatleben und der Pflicht, seinen Staat an mehreren Fronten zu verteidigen zerrissen wird. Teile der Handlung erinnern an die Operation, bei der bisher unbekannte Agenten des israelischen Geheimdienstes in einem Hotel in Dubai den Waffenhändler der palästinensischen Fundamentalistenorganisation Hamas Mahmud Abdel Rauf al-Mabhuh erst folterten und dann ermordeten. Sarid kennt die Welt der Geheimdienste aus erster Hand. Fünf Jahre lang diente er der israelischen Armee als Nachrichtenoffizier.

SZ: Das Leben Ihres Protagonisten, einem Schabak-Agenten, mutet für den Durchschnittseuropäer eher fiktiv an. Er geht mit Drogenbossen in die Sauna, er schlägt arabische Verdächtige bei seinen Verhören, darf foltern, soll töten.

Sarid: Der Nahe Osten ist kein Ort, an dem Normalität herrscht. Israel ist nicht die Schweiz. Hier führt man keine kindischen Minarettdebatten. Das Szenario, das ich in meinem Roman beschreibe, ist in seiner ganzen Grausamkeit absolut realistisch für diese Region.

SZ: Menschen zu töten ist für einen israelischen Geheimdienstler selbstverständlich?

Sarid: Wenn es sich um einen Terroristen handelt natürlich. Dann sollen die Agenten sogar töten. Ich sehe da überhaupt kein moralisches Dilemma. Da geht es um das Überleben unseres Staates. Um seine Existenz. Aber es dürfen keine Unschuldigen dabei ums Leben kommen.

SZ: Niemand in Israel stört sich an filmreifen Killerkommandos wie beim Mabhuh-Mord in Dubai?

Sarid: Das, was da passiert ist, ist hier bei uns in Israel schon ein Treppenwitz. Jeder versucht im Moment seinen Nachbarn als einen der Mossad-Agenten zu identifizieren, egal ob in der Schlange vor dem Kino oder im Supermarkt ums Eck. Eine nationale Groteske, wenn Sie so wollen. Die Frage ist allerdings, ob dieser Mann es überhaupt wert war, Agenten auf ihn anzusetzen und ihn zu töten. Er war ja schließlich kein Hamas-Führer. Sei's drum, leid um ihn tut es mir nicht.

SZ: Bei einem Geheimdienst zu arbeiten, als Agent von Schabak oder Mossad, ist in der israelischen Gesellschaft wohlgelitten?

Sarid: Absolut. Es wird sogar als ein sehr prestigeträchtiger Job angesehen. Ich habe viele Bekannte, die einmal für einen der Dienste gearbeitet haben. Das sind freundliche, kluge Menschen. Professoren, Ärzte, alles mögliche. Alle wollen sie helfen, unser Land zu verteidigen. Außerdem ist es natürlich ganz einfach aufregend, für einen Geheimdienst zu arbeiten.

SZ: In Ihrem Buch sagt eine Frau zu den Schabak-Agenten: "Ihr seid alle Killer".

Sarid: Wahrscheinlich hat sie Recht. Die Sache ist nur, sie müssen es sein. Das ist eine Notwendigkeit geworden, leider. Unsere Existenz als jüdischer Staat wird nicht nur von Iran bedroht, sondern auch von anderen muslimischen Ländern. Früher war alles noch etwas anders. Zu Itzhak Rabins Zeiten gab es noch die Hoffnung auf echten Frieden zwischen Israel und den Palästinensern, aber auch für Frieden mit den anderen arabischen Staaten.

SZ: Und diese Hoffnung ist mittlerweile aufgegeben?

Sarid: Ja. Die Leute wählen Hardliner wie Benjamin Netanjahu und seinen Likud-Block. Ich persönlich wähle weiter links, aber ich kann die Verunsicherung meiner Landsleute verstehen. Mein Buch zum Beispiel ist bestimmt kein politisches Manifest, aber es lag mir daran, diese düstere Realität zu beschreiben.

SZ: Im Israel der Gegenwart lebe man wie in einem schlechten Film, vor allem als Mitarbeiter eines Geheimdienstes, schreiben Sie. Trotzdem weigert sich der Held, zusammen mit seiner Familie das Land zu verlassen.

Sarid: Ich könnte Israel niemals für immer verlassen. Das Leben in diesem Land ist schwierig, aber es ist nun einmal unseres. Hier bekommen wir unsere Kinder, hier ziehen wir sie groß. Wie gesagt, hätte ich's mir aussuchen können, wäre ich vielleicht auch lieber als Schweizer geboren worden. Das war ein Scherz!

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