Süddeutsche Zeitung

"Mortdecai - Der Teilzeitgauner" im Kino:Die große Depp-Show

Torkeln und tänzeln, fast wie Jack Sparrow: Johnny Depp spielt den trotteligen Upper-Class-Gauner "Mortdecai" mit einer ganz eigenen Mischung aus Tollpatschigkeit und Eleganz. Auch wenn der Film ziemliche Schwächen hat - die Titelfigur ist ein Kunstwerk des Klamauks.

Von Susan Vahabzadeh

Mortdecai hätte sich gut gemacht in Monty Pythons "Wunderbare Welt der Schwerkraft", in der Episode über den Wettbewerb der Trottel der feinen Gesellschaft. Er ist von Adel, Kunstsachverständiger und ein Gauner, dabei irgendwie naiv, irgendwie elegant - und doch ein Idiot. Er torkelt durchs Leben, und eine gnädige Göttin behütet ihn dabei. Johnny Depp spielt ihn, als eine Art neuzeitliche Luxusvariante des Captain Sparrow aus der "Fluch der Karibik"-Reihe - man weiß nie so recht, ob das Torkeln nicht doch ein Tänzeln ist, und was immer ihn fast umhaut: Er fängt sich wieder.

"Mortdecai", das merkt man schnell, ist als Franchise konzipiert, als Filmreihe, aber es bleibt abzuwarten, ob das, was sich Johnny Depp als Produzent und David Koepp als Regisseur als Nachfolger von Depps Karibikfahrten ausgedacht haben, wirklich mehrere Filme trägt. Es ist jedenfalls, ganz ähnlich wie bei Sparrow, alles an Johnny Depps komischer Nummer aufgehängt, der Krimi-Plot ist Nebensache, und die Nebendarsteller sind es irgendwie auch; obwohl es doch Gwyneth Paltrow und Ewan McGregor sind, und die beiden ihre Sache gar nicht schlecht machen.

Mortdecai hat alles, was ein englischer Lord braucht: einen albernen Akzent, ein Schloss, einen Butler - und neuerdings auch einen Schnurrbart, so ein Hercule-Poirot-Ding mit aufsteigenden Enden. Leider ist aber seine heile Welt in Gefahr. Er schuldet dem britischen Staat acht Millionen Pfund Steuern, und weil er blank ist, wird nun mindestens sein Lieblings-Pferdebild dran glauben müssen, vielleicht gar das ganze Schloss. Und die Gattin hat ihn, des Schnauzers wegen, achtkantig aus den ehelichen Gemächern geworfen.

Aber ein Butler hält zu seinem Lord, auch ohne Gehaltsscheck, und im Fall von Jock (Paul Bettany), gegen jeden Überlebensinstinkt: Es ist der Running Gag des Films, dass Mortdecai dem treuen Diener, der ihn aus allen Gefahren herausboxt, dauernd aus Versehen anschießt. Inspektor Martland vom MI5 (McGregor), Studienkollege und langjähriger Verehrer von Mortdecais Frau Johanna (Paltrow), taucht nun auf, als Retter, und engagiert Mortdecai, um bei der Suche nach einem verschwundenen Goya zu helfen, gegen Finderlohn, versteht sich. So beginnt nun eine wilde Jagd - unter dem Goya ist noch ein zweiter versteckt, den zwei kunstbesessene Milliardäre, ein Russe und ein Amerikaner, haben wollen.

Von niedlich-doof bis elegant - der Film ist die große Depp-Show

Was sich dann entspinnt, zwischen den als Zeichentrick gezeigten Trips von London nach Moskau und dann nach Amerika, ist zwar nicht gerade ein Action-Thriller, aber auf merkwürdige Art spannend. Was da alles an Schlägereien, Schießereien und amourösen Verirrungen auf Mortdecai wartet, treibt zwar selten die Handlung voran - aber wenigstens passiert irgendwas. Mortdecai jagt Terroristen, Martland jagt Mortdecais Frau, und eine amerikanische Nymphomanin jagt Mortdecai.

Die Romanserie, auf der "Mortdecai" basiert, stammt aus den Siebzigern, Koepp und Depp haben die Handlung aber in eine retro-gestylte Version der Gegenwart verlegt, das Mobiliar im Schloss mag zeitlos sein, Mortdecais Outfits aber - die müsste er schon in der Savile Row anfertigen lassen. Sockenhalter sind längst vom Aussterben bedroht.

Das Setting, die Ausstattung - das erinnert alles an ein paar echte Klassiker, den "Rosaroten Panther" mit Peter Sellers, oder das künstliche Sixties-Revival in Mike Meyers' "Austin Powers"-Filmen. Wer jetzt findet, Sellers' Auftritte als Clouseau seien nachgerade sakrosankt und der Vergleich blasphemisch - der sollte sich ganz genau anschauen, was Johnny Depp macht. Er hat einen unverwechselbaren Stil entwickelt, eine Mischung aus niedlich-doof und angetrunken, irgendwie tollpatschig und doch elegant, wie eine sehr ungeschickte, etwas beschickerte Gazelle. Die ganzen Filme, das gilt für "Mortedecai" so sehr wie "Fluch der Karibik", sind einfach nicht gut genug, um einmal echte Klassiker zu werden - aber die Figuren, die er für sie geschaffen hat, sind große Kunstwerke des Klamauks.

Man würde "Mortdecai" wünschen, es hätte noch mal jemand ein bisschen nachjustiert - eine Idee ist noch kein Witz, und Koepp jagt seinen Gauner von einer Location zur anderen, ohne viel daraus zu machen. Wenn man dann schon Clouseau als Vergleichsgröße heranzieht, dann zeigt das auch, wie sich das Kino an sich gewandelt hat - das Drehbuch zu "Mortdecai" wäre damals zur Überarbeitung an den Autor zurückgegangen. Auch eine Situationskomödie kann ein paar richtig witzige Dialoge gebrauchen - so bleibt "Mortdecai" die große Depp-Show. Ist ja auch schon mal was.

Mortdecai, USA 2015 - Regie: David Koepp. Drehbuch: Eric Aronson. Kamera: Florian Hoffmeister. Mit: Johnny Depp, Gwyneth Paltrow, Ewan McGregor, Paul Bettany, Jeff Goldblum. Studiocanal, 106 Minuten.

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SZ vom 23.01.2015/cag
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