"Moonfall" im Kino:Die dunkle Seite des Mondes

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Familiendramen, KI-Visionen, Sci-Fi-Mythen, Verschwörungserzählungen, Actionhelden, Top-Gun-Flüge - was will man mehr? Halle Berry und Patrick Wilson in "Moonfall". (Foto: Reiner Bajo/AP)

Roland Emmerich zeigt in "Moonfall" das, was er am besten kann: möglichst viel kaputt machen. Katastrophenkino vom Feinsten.

Von Andrian Kreye

Der Mond stürzt auf die Erde. Er ist aus der Bahn geraten und nähert sich in elliptischen Bahnen dem Mutterplaneten. Der Aufprall wird alles Leben vernichten. Vorher aber richten seine Anziehungskräfte schon einigen Schaden an, weil sie mit jeder Runde stärker werden. Die perfekte Vorlage für Roland Emmerich, als Großmeister des Blockbusterkinos Großstädte, Weltmeere und ganze Gebirgszüge zu zerschmettern.

New York? In Scherben. Die Rocky Mountains? Nur noch Geröll. Der Pazifik vor Südkalifornien? Eine Schlammbrühe, die sich bis in die Wolken hinauf zum Tsunami aufbäumt.

Dazu gibt es Familiendramen, KI-Visionen, Sci-Fi-Mythen, Verschwörungserzählungen, Actionhelden, Top-Gun-Flüge mit dem Space Shuttle und gefühlt fünf Jahrgänge Wissenschaftsberichterstattung. Weil die Menschen im Kino die ja auch verfolgen und so ein Weltuntergang nur wirken kann, wenn er sich zumindest halbwegs an die Erkenntnisse der Forschung hält. Auch wenn die Logik früh das erste Opfer ist in der erst einmal etwas hirnverbrannten Prämisse vom abtrünnigen Himmelskörper. Aber wenn sich die Menschheit dann im dritten Akt in einem Showdown ... Aber das soll nicht verraten werden, weil Emmerich Wendepunkte wie Zündstufen einsetzt, die sein Drehbuch Richtung Finale beschleunigen. Alles drin, wie bei einem Triple-Deluxe-Burger. Mit einer Extraportion Schmalz dazu, weil Emmerich immer wichtig war, seine Spezialeffektorgien mit Figuren zu bevölkern, die einen irgendwie anrühren. Und wie sollen sich die Stars denn gegen das Sperrfeuer der Effekte durchsetzen, wenn nicht mit viel Melodram?

Der Astronaut hat ein paar Probleme: Scheidung, Schulden, Suchtkrankheit

Die Hauptfiguren sind Jocinda Fowler und Brian Harper, die sich noch aus der Zeit kennen, als sie zur Besatzung eines Space Shuttles gehörten. Ihr letzter gemeinsamer Flug ging gewaltig schief, und weil Harper die Raumfähre ohne Instrumente trotzdem sicher landete, wäre er eigentlich ein Held geworden. Hätte Fowler damals nicht vor dem Untersuchungsausschuss gegen ihn ausgesagt. Harper hat daraufhin das Dreierlos der Schicksalsschläge gezogen: Scheidung, Schulden, Suchtkrankheit. Fowler ist dagegen in der Hierarchie der Weltraumbehörde Nasa bis ins oberste Management aufgestiegen. Beste Voraussetzungen, einander zu hassen, was dem Drama des Weltuntergangs ein Beziehungsdrama hinzufügt, das die Handlungsstränge ganz gut auf der emotionalen Schiene hält.

Wenn man mal davon absieht, dass die beiden mit Halle Berry und Patrick Wilson besetzt wurden und deswegen viel zu gut aussehen für ihre Jobs, taugen die Figuren recht gut, um den Film zusammenzuhalten. Netter Nebenaspekt ist dabei, dass die beiden Stars ein Hollywood'sches Naturgesetz auf den Kopf stellen. Berry ist nämlich ein Stück älter als Wilson und ihre Figur um einiges vernünftiger und zupackender als seine.

Der Mond hat sich aus seiner Umlaufbahn gelöst und kreist immer näher um die Erde herum. (Foto: Reiner Bajo/AP)

Nun gehören Blockbuster-Regisseure neben Hedgefonds-Managern und Rückversicherern zu jenem Menschschlag, der die Ängste und Bedürfnisse der Menschen bis möglichst weit in die Zukunft einschätzen muss, damit sich die Investitionen lohnen. Emmerich hatte dafür immer ein Gespür. Oft hat er die Ängste an Fabelwesen wie die Außerirdischen in "Independence Day" oder die Monsterechse in "Godzilla" ausgelagert. Er hat das mal damit erklärt, dass er keine Feindbilder bedienen wolle. Mit der Klimakatastrophe aber gibt es endlich ein konsensfähiges Böses.

Emmerich ist damit vor Jahren schon der Urvater des pädagogischen Katastrophenfilms geworden. Er hat damit sogar einiges bewegt. "The Day After Tomorrow" von 2004 sorgte auf gleich zwei Ebenen dafür, dass die Klimakatastrophe von der amerikanischen Bevölkerung und dann auch von der Politik dort endlich ernst genommen wurde. Auf der einen Seite war der Streifen eine didaktische Heranführung ans Thema. Auf der anderen Seite trafen sich bei der Premiere in New York der Dokumentar-Regisseur Davis Guggenheim und der ehemalige Vizepräsident Al Gore, die dann den Aufklärungsfilm "Eine unbequeme Wahrheit" produzierten, mit dem sie zumindest im vernünftigen Teil Amerikas das Thema im Diskurs zementierten.

Mond statt Komet, Spannung statt Satire: "Moonfall" ist das Gegenstück zu "Don't Look Up"

Auch "Moonfall" ist ein Klimakatastrophen- und auch ein Pandemiefilm. Die Metapher steht wie ein Koloss. Die lag offensichtlich in der Luft. Neulich erst kam der Netflix-Film "Don't Look Up" heraus, der sich der gleichen Prämisse nur mit Komet statt Mond und Satire statt Spannung bedient.

Auch "Moonfall" hat die Kernbotschaft, dass es übel ausgehen kann, wenn man den Kassandras dieser Welt keinen Glauben schenkt. Weil Blockbuster-Regisseure aber nicht nur darauf achten müssen, die Ängste ihres Publikums zu erfassen, um Spannung zu erzeugen, sondern auch, niemanden zu verprellen, bedient sich Emmerich eines recht charmanten Tricks. Er stellt den beiden Hauptfiguren einen Sidekick namens K.C. Houseman zur Seite, den John Bradley aus "Game of Thrones" spielt, einen Hobbywissenschaftler und Verschwörungstheoretiker. Den siedelt er im Feld der Ufologen und Alien-Gläubigen und damit in der politischen Harmlosigkeit an. Überhaupt tänzelt er recht elegant um die politisch verminten Diskursfelder herum, was in Amerika beim Thema Umweltkatastrophe gar nicht so leicht ist.

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Und weil ja wirklich alle ins buchstäbliche Boot geholt werden müssen, würfelt das Schicksal die Patchworkfamilien der beiden Hauptfiguren während der Katastrophe immer enger zusammen. Da gibt es dann den Stiefvater mit nicht näher definierten lateinamerikanischen Wurzeln und beruflichen Erfolgen (Michael Peña), den Scheidungsvater afroamerikanischer Herkunft mit glänzender Karriere beim Militär (Eme Ikwuakor), und für die chinesischen Koproduzenten gibt es noch eine chinesische Au-pair-Studentin (Kelly Yu), die als einzige Figur keine so rechte Funktion für die Handlung hat, aber sehr hübsch und hilfsbereit ist.

Da stellt sich dann schon irgendwann die Frage, ob ein Film noch funktionieren kann, wenn so alles richtig gemacht wird. Und da muss man dann doch feststellen, dass Roland Emmerich bei allen Anforderungen, die eine Filmindustrie, eine amerikanische und in zweiter Instanz auch globale Gesellschaft, der Lauf der Dinge und der Gelder an ihn stellen, die allesamt in gewaltige Schieflagen geraten sind, vor allem ein guter Geschichtenerzähler ist. Wer zwei Stunden lang das Gefühl haben will, dass einen ein Blockbuster ordentlich in den Kinosessel drückt, wird bestens bedient.

Moonfall , USA 2022 - Regie: Roland Emmerich. Buch: Roland Emmerich, Harald Kloser, Spenser Cohen. Mit: Halle Berry, Patrick Wilson. Leonine, 130 Minuten. Kinostart: 10. Februar 2022.

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