"Monsieur Chocolat" im Kino:Geschlagen, aber glücklich

"Monsieur Chocolat" im Kino: Der Zirkus bewirbt ihn als Affenmenschen: Omar Sy als Clown Padilla in "Monsieur Chocolat".

Der Zirkus bewirbt ihn als Affenmenschen: Omar Sy als Clown Padilla in "Monsieur Chocolat".

(Foto: DCM)

Omar Sy spielt den legendären schwarzen Clown "Monsieur Chocolat", der sich fürs weiße Pariser Publikum erniedrigt.

Filmkritik von Philipp Stadelmaier

Seinen wahren Namen kennt niemand, nicht einmal er selbst, denn seine Eltern waren Sklaven afrikanischer Herkunft auf Kuba. Er selbst nennt sich Raphaël Padilla, aber berühmt wird er unter dem Namen "Chocolat". Um den Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ist der Mann in Frankreich einer der erfolgreichsten Künstler seiner Zeit. Er trägt schicke Anzüge, fährt teure Autos, nimmt viele Drogen, hat viele Frauen. Er ist ein Star, ein Liebling der Presse.

Und gleichzeitig lebt er als Schwarzer in einer Welt von Weißen, nach ihren Regeln, ihren Namen, ihrer Kunst, ihren Rassenvorstellungen. Sein Erfolg kommt zu einem immensen Preis: Wenn er geliebt werden will, muss er sich demütigen, sich erniedrigen lassen - was schon mit dem Namen "Chocolat" beginnt. Es ist der Name eines Clowns, der auf seine Hautfarbe reduziert wird.

Als Affe karikiert

Zu Anfang heißt Padilla noch Kananga und spielt mit viel Geschreie und Getobe in einem halberfolgreichen Wanderzirkus den wilden Barbaren aus dem Busch. Bis ihn schließlich der Clown Footit entdeckt und ihm vorschlägt, als Duo aufzutreten. So gehen sie ab sofort zusammen in die Manege, als weißer Clown und dummer August. Eine Novität in der damaligen Zirkuswelt. Die Sache ist ein großer Erfolg, erst im Wanderzirkus, und bald in einem privaten Theater in Paris. Ab sofort wird Padilla Abend für Abend unter dem Gejohle der amüsierten Menge Fußtritte und Ohrfeigen einstecken. Fröhlich lächelnd, versteht sich. "Geschlagen, aber glücklich" steht einmal auf einem Werbeplakat, auf dem er als Affe karikiert wird.

Bevor man Roschdy Zems Film gesehen hat, der auf der Geschichte Padillas beruht, könnte man denken, dass seine Unternehmung nur schwerlich glücken kann. Zu oft hat man im französischen Unterhaltungskino gesehen, wie rassistische Stereotype eher ausgestellt als kritisiert und unter versöhnlichen Visionen weggelacht werden. So etwa in "Ziemlich beste Freunde", mit dem Omar Sy, der hier den "Monsieur Chocolat" spielt, seinen Durchbruch hatte. Damals gab er den lustigen Schwarzen aus der Banlieue, der trotz großer Differenzen zum besten Buddy eines reichen Weißen wurde.

Aber Roschdy Zem hat seinen Film subtiler angelegt. Er reduziert die Figur Padilla nie auf seine Hautfarbe, einen sozialen Typus, ein Opfer. Er nimmt ihn einfach als Clownskünstler ernst. Sein Partner (James Thiérée), der ihm freundschaftlich verbunden ist, versichert ihm, dass es viel schwerer sei, die Leute zum Lachen zu bringen, als sie zu erschrecken - Angst machen könne schließlich jeder. Padilla, das ist zunächst einmal ein großer Körpervirtuose, ebenso wie sein Darsteller Omar Sy.

Nur dann geliebt, wenn man ihm in den Hintern tritt

Darin liegt aber schon das Dilemma: Padilla mag ein großer Künstler sein - geliebt wird er aber nur, solange man ihm in den Hintern tritt und das für alle lustig ist. Auf diese Weise wird das Weglachen problematisiert. Denn außerhalb der Rolle, die Padilla für die Weißen spielt, kann er niemals "für sich" gesehen werden. Wenn der schon berühmte Padilla einmal plötzlich verhaftet und von Polizisten gefoltert wird, die seine Haut "weiß schrubben" wollen, sieht er aus wie die dunkle Urwaldbestie mit glitzernden Augen und gelben Zähnen, welche die Gefängniswärter in ihm sehen wollen.

Hinter dieser Maske des Clowns oder der Bestie, hinter all diesen rassistischen Projektionen gibt es niemals einen "echten" Padilla. Ein militanter Haitianer in seiner Gefängniszelle versucht zwar, ihn zum Freiheitskämpfer zu machen und meint, er müsse als Künstler ein politisches Vorbild der Unterdrückten sein: Anstelle des dummen August solle er als erster schwarzer Schauspieler in Frankreich Shakespeares "Othello, der Mohr von Venedig" spielen. Aber das ist eben auch nicht er selbst, sondern eine weitere Rolle, an der er später verzweifeln wird.

Aus dem Spiel für die Weißen kommt er nicht mehr heraus. Selbst das eine Mal, als er mitten in einer Darstellung aus der Rolle fällt und zornig seinen Partner ohrfeigt: Ein entsetztes Raunen geht durch die Zuschauerränge. Da wäre er fast, der Skandal, die Revolte. Aber sofort reißt sich der Clown wieder zusammen. "Nein, Monsieur Footit, Sie träumen nicht!" scherzt er. Die Leute lachen, die Vorstellung geht weiter. Die einzige Möglichkeit, auf die eigene Misshandlung aufmerksam zu machen, sie zu denunzieren und sich dagegen zu wehren, wird sofort wieder Teil einer Clownsnummer, die alles ironisiert.

Damit zeigt dieser vorzügliche Film, dass auch er nur ein Spektakel ist. Und dass die von ihm gezeigten Probleme nur außerhalb des Spektakels und des Kinos, also in der Wirklichkeit gelöst werden können - 2016 ebenso wie um 1900. Das Problem ist weniger, dass es zu wenige "schwarze" Schauspieler wie Omar Sy im Kino gibt, sondern dass diese als Schwarze bezeichnet werden, als würden sie zuvorderst ihre Hautfarbe "darstellen". Um da herauszukommen, reicht es nicht, ein guter Clown zu sein.

Monsieur Chocolat, Frankreich 2015 - Regie: Roschdy Zem, Buch: Zem, Cyril Gely, Olivier Gorce, Gérard Noiriel, Kamera: Thomas Letellier. Mit Omar Sy, Jamera Thierée, Clotilde Hesme. DCM, 110 Minuten.

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