Mike NesmithDer mit der Pudelmütze

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Nesmith auf einer Pressekonferenz im Sommer 1967: Am Freitag ist er mit 78 Jahren im kalifornischen Carmel Valley gestorben.
Nesmith auf einer Pressekonferenz im Sommer 1967: Am Freitag ist er mit 78 Jahren im kalifornischen Carmel Valley gestorben. (Foto: Evening Standard/Getty Images)

Mit den "Monkees" war Mike Nesmith zeitweise sogar erfolgreicher als die "Beatles". Aber er war viel mehr als nur Musiker. Abschied von einem verkannten Pop-Genie.

Nachruf von Willi Winkler

Mike Nesmith war in der den Beatles nachgeklonten Plastik-Band The Monkees der einzige, der eine Gitarre richtig herum halten konnte, aber noch wichtiger war seine Pudelmütze, die ihn als amerikanische Antwort auf John Lennon auswies. Zu viert kasperten sie zwei Jahre lang zur Jingle "Hey, hey, we're the Monkees!" durchs Fernsehen, während Studiomusiker ihre Platten einspielten, mit denen sie im allseits politisierten Jahr 1968 erfolgreicher waren als die Beatles. Die Monkees trieben keinen größeren Aufwand; ihr schönstes Lied, "Last Train to Clarksville", war zusammengestohlen aus "Ticket to Ride" und "Paperback Writer".

Aber - und dafür kommen sie alle in den Himmel - sie verstrahlten reinen, unschuldigen Pop wie in "Daydream Believer" und verleiteten zu der tröstlichen Hoffnung, die Weltgeschichte könnte sich als so harmlos erweisen wie ihre Singles. Nesmith war davon trotz rasch einsetzender "Promi-Psychose", die er zu genießen wusste, intellektuell bald unterfordert und kaufte sich aus dem Vertrag frei; weil seine Mutter als tippfehleranfällige Sekretärin eine Korrekturflüssigkeit erfunden hatte und damit reich geworden war, konnte er sich die weitere Laufbahn als unabhängiger Künstler, Filmproduzent und Autor leisten.

Im höheren Alter söhnte er sich mit seiner Vergangenheit bei den Monkees aus

Nesmith hatte kurz bei der Air Force in Texas gedient und war dann nach Kalifornien gestrudelt, wo er sich im Umkreis von Janis Joplin und Jim Morrison als Country-Musiker mit V-Effekt versuchte. Bevor "Different Drum" ein Hit für Linda Ronstadt wurde, hatte Nesmith seinen Song im Fernsehen bereits selbst sabotiert. Schon bei "Flying Down to Rio" (1977) zeigte sich, dass er mehr wollte als Musik und es auch konnte: Er experimentierte mit Bildern und ihrer Wechselwirkung mit der Musik. Die Frage, ob er damit nur den Videoclip oder auch noch die Verwertungsmaschine MTV erfunden hat, beschäftigt inzwischen die Zeitgeschichtsforschung.

Im höheren Alter söhnte er sich mit seiner peinlichen Vergangenheit bei den Monkees aus und ging mit den anderen immer mal wieder auf Tournee. Die Pudelmütze ließ er zu Hause. Vier Wochen nach seinem letzten Auftritt ist das verkannte Pop-Genie Mike Nesmith am Freitag mit 78 Jahren im kalifornischen Carmel Valley gestorben.

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