Süddeutsche Zeitung

Zum Tode von Monika Schoeller:Milde und Behutsamkeit

Über Jahrzehnte hat die S. Fischer-Chefin und Mäzenin Monika Schoeller die deutsche Verlagslandschaft geprägt - mit ihrem Tod endet eine Ära.

Nachruf von Christoph Schröder

Vor rund einem Monat hat der S.-Fischer-Verlag anlässlich des 80. Geburtstages von Monika Schoeller einen elegant gestalteten, in Leinen gebundenen Band herausgebracht. In "Stimme und Herz", so der Titel, sind Schoeller zugeneigte Texte von Autorinnen und Autoren gesammelt. Silvia Bovenschen preist Schoellers "Milde und Behutsamkeit", die Büchnerpreisträgerin Felicitas Hoppe lobt die Zugewandtheit und Diskretion der Verlegerin, die sich zwar 2002 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hatte, jedoch Mitglied der Geschäftsführung der S.-Fischer-Verlagsgruppe geblieben war.

Monika Schoeller war eine stille, öffentlichkeitsscheue Frau, die in der persönlichen Begegnung dennoch ein natürliches Charisma ausstrahlte. Geboren 1939 als Tochter des Verlegers Georg von Holtzbrinck, wusste sie, die ihrem Vater sehr nahe stand, dass sie eines Tages das Familienerbe würde antreten müssen.

Als es dem Vater 1974 gesundheitlich nicht gut ging und der S.-Fischer-Verlag nach dem Weggang des Cheflektors Peter Härtling ein personelles wie geistiges Vakuum aufwies, übernahm die studierte Literaturwissenschaftlerin Monika Schoeller die Verlagsleitung. Ein Beginn, der zum einen getragen war von der natürlichen Scheu vor der Tradition des Verlags von Kafka und Thomas Mann und dem Vorbehalt der Belegschaft auf der anderen Seite. "Ich habe durchgehalten", sagte Monika Schoeller Jahrzehnte später, "oft am Rand meiner Kräfte". Schoeller hat die Verlagspolitik fortgeführt, deren Anspruch es stets war, das Gesamtwerk der Hausautoren zu pflegen und zum Glänzen zu bringen. Das war als Signal zu verstehen: Ein Verlag, wie Monika Schoeller ihn gestaltete, sollte von den Autoren als ein Zuhause empfunden werden.

Zugleich aber erweiterte und schärfte sie das Verlagsprofil, getreu dem Motto von Samuel Fischer, der es als die schönste Aufgabe des Verlegers bezeichnet hat, dem Publikum neue Werte aufzudrängen, die es gar nicht wolle. Die Gründung der ökologischen Taschenbuchreihe "Fischer alternativ" fiel ebenso in ihre Anfangszeit wie die der Schwarzen Reihe im Jahr 1977, die sich intensiv mit der historischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus beschäftigte. Anlässlich von Monika Schoellers 70. Geburtstag schrieb Silvia Bovenschen, es sei ihr schleierhaft, wie ein Mensch sich den Gravitationsgesetzen des Kulturbetriebs so konsequent und erfolgreich habe entziehen können. Darauf angesprochen sagte Monika Schoeller, dass das ihrem Naturell entsprochen habe: "Ich muss mir meine Reserven erhalten. Und ab und zu muss ich in die Wüste gehen, um mich zu erholen."

Monika Schoeller war eine Frau mit Geld und Macht. Beides nutzte sie mit der ihr eigenen Noblesse und mit Umsicht. Ihr Erbe war ihr eine Verantwortung, die über die ökonomische Effizienz des Verlags weit hinausreichte. Sie war großzügige Mäzenin und Förderin; darüber hinaus war sie es, die Ende der Neunzigerjahre, als der S.-Fischer-Verlag in Schieflage geraten war, einem Team von seinerzeit jungen Menschen wie Jörg Bong, Peter Sillem, Hans Jürgen Balmes und Oliver Vogel die Verantwortung für den Verlag übertrug.

Hierarchische Strukturen empfand sie als nicht mehr zeitgemäß. Der S.-Fischer-Verlag hat sich unter den einschneidenden Veränderungen, denen die gesamte Branche unterworfen ist, in den vergangenen Monaten neu aufgestellt. Im Juni dieses Jahres hat Siv Bublitz Jörg Bong als verlegerischen Geschäftsführer abgelöst.

Wie der Verlag erst jetzt mitteilte, ist Monika Schoeller am vergangenen Donnerstag im Alter von 80 Jahren gestorben. Ihr Tod markiert das Ende einer Verlagsära.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2019
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