MacGregors Ernennung und Scheitern illustrieren aber auch gut, wie sehr sie oft auf Glamour und PR setzt, ohne Rücksicht auf Verluste. Eines ihrer aktuellen Lieblingsprojekte ist das Museum des 20. Jahrhunderts, das die Architekten Herzog & de Meuron auf das letzte freie Grundstück des Berliner Kulturforums bauen werden. Standort, Entwurf und Konzept des Museums wurden fast einhellig verrissen. Grütters peitschte das Projekt dennoch durch die Instanzen. Dass der Bau statt 200 Millionen Euro mehr als 400 Millionen kosten wird, ist der Preis für ihren Sieg.
Das Museum, eines von vielen Prestigeprojekten, wäre weniger umstritten, wenn es in den alten Häusern nicht an allem fehlte. "Für die Pflege des Altbestandes gibt es kein Geld, er bröselt weg." Gehe es so weiter, müssten in Berlin in absehbarer Zeit Häuser schließen. "Der Bund stattet seine Institutionen miserabel aus", sagt der Chef eines Hauses. "Er wird seiner Verantwortung nicht gerecht."
Grütters tut das als Weinerlichkeit ab. "Ich habe bei der SPK immer wieder Millionensummen draufgelegt." Sie will statt Klagen mehr Ehrgeiz, mehr Blockbuster, mehr Innovation, mehr Führung. Sie mag teils recht haben, aber sehr konstruktiv wirken ihre Machtspiele mit SPK-Chef Hermann Parzinger nicht.
Auch die Entscheidung, im Humboldt Forum keinen Eintritt zu verlangen, und die übrigen Museen damit in einen Preiskampf zu zwingen, ist so ein PR-Stunt. "Da muss ich mir doch ein grundsätzliches Modell überlegen", sagt ein Kulturpolitiker. Ein anderer sieht hier ein größeres Defizit. "Sie fragt nicht: Was tut langfristig gut? Strategische Überlegungen existieren nicht." Grütters beteuert, sie habe mit den Beteiligten gesprochen, außerdem sei mehr Konkurrenz unter den Institutionen und innerhalb dieser durchaus gesund.
Doch disruption dient bei ihr weniger der Innovation, sie ist Teil einer Strategie des Teilens und Herrschens. Besonders wenn sie persönlich involviert ist, gibt sie Kommandos und erwartet Gehorsam, auch wenn es nicht immer ausgesprochen werden muss. Das konnte man an der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt" ablesen, die Grütters bei der Bundeskunsthalle in Auftrag gab. Selbstverständlich konnten die Kuratoren die problematische Rolle des BKM dort nicht zum Thema machen. Selbstverständlich beteten sie das offizielle Narrativ von der Raubkunstsammlung nach und taten alles, um zu verschleiern, dass unter den mehr als 2000 Werken nur sechs Raubkunstfälle waren.
Grütters festigt ihre marktbeherrschende Stellung immer mehr, bläht ihren Apparat immer weiter auf. Doch da sie ideologisch so ungreifbar bleibt, da ihre Einmischungen nur strategischer Art sind, und da die "Zuwendungsempfänger" weiter auf Zuwächse hoffen können, üben sie sich in Duldsamkeit. Politik und Presse sehen nicht so genau hin. Kultur ist gut, mehr Kultur ist besser, wo ist das Problem? Ohnehin sind die großen Scheine, mit denen sie den Betrieb füttert, kleine Münzen, verglichen mit dem, was für Autobahnen, Waffen oder Renten ausgegeben wird.
Doch es kann nicht richtig sein, wenn es keinen Wettbewerb um wichtige Stellen gibt, wenn Posten heute noch auf Lebenszeit besetzt werden, wenn die besten Köpfe in der deutschen Kultur nicht offen über ihre Arbeit sprechen können, weil sie fürchten, in Berlin sonst nie wieder einen Job zu finden. Die intellektuelle Lähmung ist schon jetzt spürbar.
Und was, wenn die jetzige Schönwetterperiode endet? Wenn die Etats sinken? Oder wenn Grütters' Job nach der nächsten Wahl an die AfD geht? Dann fände ihr Nachfolger beim Amtsantritt perfekte Strukturen vor, um den deutschen, vor allem den Berliner Kulturbetrieb ideologisch auf seine Linie zu bringen.
Auch Grütters selbst ist übrigens Opfer einer Kulturpolitik, in der Machtausbau auf Kosten der Offenheit geht. Kein Thema, erzählt sie, beschäftige sie gerade so wie der Umgang mit den Objekten aus der Kolonialära. Doch die guten, aufregenden Ideen dazu, die am Telefon aus ihr heraussprudeln, will sie hier nicht gedruckt sehen. Das wäre zu gefährlich.