Wie Fake News einem das Frühstück vermiesen, das erlebt man gleich zu Beginn von „Paris Paradies“, dem neuen Film von Marjane Satrapi, der eben in den Kinos angelaufen ist. Die Operndiva Giovanna guckt im Le Parisien, der großen Tageszeitung, nach ihrem Horoskop, sie findet eine Meldung über sich und fängt an zu jammern: Da stehe, sie sei sechzig, dabei sei sie doch erst neunundfünfzig … Ihr Mann muss sie trösten, ein zweites Mal (sie war gerade fälschlich für tot erklärt worden, hat einen Aufenthalt in einem Kühlfach des Leichenschauhauses hinter sich).
Monica Bellucci ist Giovanna, und sie spielt diese ziemlich zickige Rolle lustvoll und bravourös. Darin überlagern sich das wirkliche Leben und die filmische Fiktion diskret. Auch Bellucci ist eine 59erin. Sie wurde am 30. September 1964 geboren in Città di Castello in Umbrien, fing während des Jurastudiums an, als Model zu arbeiten für Firmen wie Dior oder Givenchy, L’Oréal oder Dolce & Gabbana. Sie ist eine Frau mit bodenständiger Eleganz, die Stil und Emotion verbindet, auf sehr natürliche Weise. Nie das Haus in Sneakers und ohne Make-up verlassen, ist ihre Devise: „Das ist meine Natur. Ich will schön sein für mich.“
Aber immer wieder zog es sie zum italienischen Kino zurück
1991 spielte sie erstmals in einem Film, in Italien, ein Jahr darauf war sie schon in Francis Coppolas Dracula-Verfilmung eine der Bräute des Vampirs. Sie hat in ihrer Karriere alles gemacht, populäre und Arthouse-Filme. Im Jahr 2002 war sie in „Asterix & Obelix: Mission Cleopatra“ zu sehen, als kesse ägyptische Herrscherin, neben Gérard Depardieu als Obelix, aber auch in dem Rache-Schocker „Irréversible“ von Gaspar Noé – da spielt sie eine junge Frau, die in einer Fußgängerunterführung vergewaltigt wird, minutenlang – unerträglich fand das empörte Publikum beim Filmfestival in Cannes diese Szene.
Heftig diskutiert wurde auch „The Passion of the Christ“, 2004, von Mel Gibson, wo sie Maria Magdalena spielte. 2015 war sie dann Lucia Sciarra, Witwe eines Mitglieds der Großverbrecher-Clique „Spectre“ im gleichnamigen Bondfilm, ihre morbide Attraktivität lässt Daniel Craig als Bond plötzlich todessüchtig erscheinen. Und seitdem gibt es Kritiker, die sie zu den Bond-Girls zählen.
Immer wieder zog es Bellucci zum italienischen Kino zurück. 2000 verkörperte sie unvergesslich italienische Lebenslust und weibliche Energie in „Der Zauber von Malèna“ von Giuseppe Tornatore, der 1988 den Klassiker „Cinema Paradiso“ geschaffen hatte. Malèna ist eine junge Frau in den Vierzigerjahren auf Sizilien, in der Tradition von Magnani, Loren und Cardinale. Ihr Mann muss in den Krieg, sie muss kämpfen gegen Bombenangriffe, die deutsche Besatzung, den Hass der anderen Frauen. Mit unbeirrbarer Grazie schreitet sie die Uferpromenade entlang, und die Blicke eines Jungen (und der Zuschauer) weben einen sicheren Schutzschild um sie.
Ein erster Exkurs in die obskure Tim-Burton-Fantasy-Welt
Was sie rettet, erklärte Bellucci, sei die autodérision, die Fähigkeit, sich selbst ein wenig lächerlich zu machen, auf Distanz zu sich selbst zu gehen: „Wie ich das mache, darin steckt, glaube ich, eine Art Italianità, ein wenig Commedia dell’Arte.“ 2019 startete Bellucci eine Bühnenshow, die sie durch Europa führte, „Maria Callas: Lettres & Mémoires“, sie las Briefe der Operndiva vor und trug dabei zwei von deren Originalbühnenkostümen.
1999 hatten Bellucci und der Filmstar Vincent Cassel geheiratet, vierzehn Jahre waren sie ein Traumpaar des europäischen Kinos, 2013 trennten sie sich. Voriges Jahr gab Bellucci ihren neuen Lebenspartner bekannt, den amerikanischen Filmemacher Tim Burton. In diesem Herbst wird dessen neuer Film „Beetlejuice Beetlejuice“ anlaufen, Bellucci wird dabei sein, als böse Intrigantin, neben Michael Keaton und Winona Ryder. Die Giovanna in „Paris Paradies“ mit ihrer Scheintot-Nacht in der Leichenhalle war schon mal ein erster Exkurs in die obskure Tim-Burton-Fantasy-Welt.