Monacensia:Eine Frage der Bindung

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Neue Projekte des Literaturarchivs

Von Antje Weber, München

Man stelle sich vor: Da sitzt der erfolgreiche Dramatiker, Schriftsteller und Arzt Max Mohr 1927 in seinem Haus am Tegernsee; er erfährt, dass der berühmte Schriftstellerkollege D.H. Lawrence in Irschenhausen weilt - und schreibt ihn mal an. Tatsächlich erhält er eine Antwort, besucht ihn gar mit einem Blumenstrauß in der Hand. Von nun an schreiben sie sich, Mohr wird sogar der Arzt von Lawrence.

"Es war Freundschaft", sagt Nicolas Humbert, Regisseur und Enkel von Max Mohr. Die beiden seien einander ähnlich gewesen, was ihre Beziehung zur Natur angehe, ihr modernes Frauenbild: "Sie sind darin extrem aktuell." Und so hat die Monacensia von Humbert kürzlich 32 Briefe und sechs Postkarten von D.H. Lawrence an Max Mohr angekauft; zusätzlich zu den Briefen, die das Literaturarchiv schon von Mohr besaß. Humbert hat sich von ihnen nach und nach getrennt, "je nach Dichtegrad der persönlichen Bindung".

Die persönliche Bindung ist ohnehin wichtig, wenn es um Vor- und Nachlässe aller Art geht. Das verdeutlichten Monacensia-Leiterin Anke Buettner und ihr Stellvertreter Frank Schmitter bei einem Pressegespräch, bei dem es um die derzeitigen Archiv-Erwerbungen und -Bemühungen ging. Was die Ankäufe betrifft, so hat die Monacensia jährlich einen Erwerbungsetat von 80 000 Euro zur Verfügung, "was natürlich nicht reicht", so Buettner. Immer wieder genehmigt der Stadtrat daher Sondermittel; natürlich sind auch Sponsoren und Kooperationen wichtig.

Wie im Fall Waldemar Bonsels: Derzeit digitalisiert die Kulturwissenschaftlerin Christina Lemmen in einem auf zwei Jahre angelegten Projekt den Nachlass von Bonsels, der in der Monacensia liegt; finanziert wird das von der Waldemar-Bonsels-Stiftung. Es ist ein gewaltiges Projekt, schließlich sind 100 Kassetten mit Briefen, Manuskripten, Fotos abzuarbeiten. Und dann? Dann brauche es, so Buettner, "kuratorische Pfade", um sich dem Material zu nähern, ob über Veranstaltungen oder Ausstellungen. Im Fall von Erika Mann, deren Todestag sich Ende August zum 50. Mal jährt, setzt man auf eine Ausstellung (Eröffnung: 10. Oktober). Die Frage der Vermittlung beschäftigt Buettner jedenfalls stark: "Man muss da Zugänge schaffen."

Das gilt auch für viele andere Nach- und Vorlässe, von Gert Heidenreich oder Johano Strasser, Gisela Elsner oder Karin Struck. Gerade erst hat auch Dagmar Nick, die 93-jährige Grande Dame der Münchner Literatur, der Monacensia große Teile ihres Vorlasses als Schenkung übergeben. Für das Haus, so Schmitter, sei all das "Geschenk und Verpflichtung".

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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