Modigliani-Fälschungen:Auf der faulen Haut

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Staatsanwälte auf Museumstour: Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt Werke des italienischen Malers Amedeo Modigliani - doch einige der Bilder sollen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung und des Deutschlandfunks gefälscht sein.

Catrin Lorch und Stefan Koldehoff

Der Italiener Amedeo Modigliani (1884 bis 1920) zählt zu den wenigen Malern, deren Bilder schon zu Lebzeiten gefälscht wurden. Im Paris der 1910er-Jahre war er ein Star der Pariser Bohème, zu der damals auch Pablo Picasso zählte. Ihr Kollege, der französische Maler Fernand Léger, erinnerte sich nach dem Krieg daran, dass das Vollenden und Fälschen von Modiglianis Werken schon vor dessen Tod gängige Praxis und eine gute und selbstverständliche Möglichkeit zum Geldverdienen war.

Vieles spricht dafür, dass dieses Modigliani-Gemälde gefälscht ist: Der "Liegende Akt (Céline Howard)" aus einer Privatsammlung in Genf. Der maskenhafte Akt ist malerisch sehr viel schwächer als... (Foto: Foto: Interfoto / Katalog)

Modiglianis Freund und Händler Léopold Zbowrowski soll andere Künstler dafür bezahlt haben, dessen unvollendet gebliebene Bilder einfach weiterzumalen und später auch eigene Werke in Modiglianis Stil mit dessen Namen zu signieren. Als nach dem Krieg hohe Preise für Porträts des Italieners gezahlt wurden, betrieben Fälscher wie der Ungar Elmyr de Hory das Geschäft fast industriell.

Heute schätzen Experten, dass auf ein echtes Modigliani-Bild drei unechte kommen. In Deutschland waren seit der Düsseldorfer Retrospektive von 1991 keine Modigliani-Ausstellungen mehr zu sehen - auch wegen der zahlreichen ungeklärten Echtheitsfragen, über die Experten streiten. Nun hat sich die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn wieder an den Italiener herangewagt. Auch sie fiel aber offenbar auf Fälschungen herein.

Im Zwielicht

Es sollte der glanzvolle Abschluss einer großen Kuratorenkarriere werden - und endet mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Die von Christoph Vitali in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn initiierte Ausstellung "Modigliani" gerät ins Zwielicht. Der Verdacht: Mindestens eines der dort gezeigten Werke stammt nicht von Modigliani, sondern ist eine bewusste Fälschung, die aus der Ausstellung heraus zum Kauf angeboten wird.

Nach Informationen von "Deutschlandfunk" und Süddeutscher Zeitung müsste sich die Strafverfolgungsbehörde allerdings für deutlich mehr fragwürdige Arbeiten interessieren, die in Bonn als Modigliani-Werke gezeigt und von Fachleuten für nicht sicher eigenhändig gehalten werden. Dabei handelt es sich neben den Zeichnungen "Frau mit Hut" (Kat.-Nr. 82), "Hanka Zborowska" (84) und "Victoire" (112) und fünf zumindest zweifelhaften Frühwerken (Kat.-Nr. 1,2,3,5 und 9) um die Gemälde "Junge Brünette" (Kat.-Nr. 87), "Maria" (110), "Rote Karyatide" (137), "Junge Frau mit weißem Kragen" (50), "Liegender Akt (Céline Howard)" (107) und die "Junge Frau mit braunem Haar (Elvira)" (104).

Gegen den französischen Kunsthistoriker Christian Parisot, der an den Vorbereitungen der Bonner Ausstellung maßgeblich beteiligt war, wurde in den vergangenen Jahren mehrere Male ermittelt, weil seine Modigliani-Publikationen und Ausstellungen Fälschungen enthalten haben sollen. Mindestens eines der Bonner Werke wurde bereits vor neun Jahren als zweifelhaft publiziert. Warum dieses und die anderen nach SZ-Informationen fragwürdigen Bilder in der Ausstellung trotzdem unkommentiert zu sehen sind und ob alle Exponate sorgfältig genug geprüft wurden, wäre ebenfalls zu klären.

Zur Zeit interessiert sich die Staatsanwaltschaft allerdings weniger für die Gesamtschau, für die Besucher immerhin zwischen 5 und 14 Euro Eintritt zahlen, sondern vor allem für die angeblich 1918 gemalte "Junge Frau mit braunem Haar (Elvira)", weil bei ihr der Verdacht besonders nahe liegt, dass sie nur in der Bonner Ausstellung platziert wurde, um sie von dort aus gewinnbringend zu verkaufen.

Schlüsselfigur eines Skandals

Laut Katalog von einer Galerie in Frankfurt am Main nach Bonn vermittelt, wurde das erstaunlich frische, ungerahmte Bild gut eine Woche nach Eröffnung der Ausstellung in der KAH über Inserate in der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum Kauf angeboten: "Z.Z. im Museum Bonn zu besichtigen. Diskrete u. seriöse Abwicklung in der Schweiz".

Wer auf die Kleinanzeige antwortete, erhielt vom in Brugg bei Zürich tätigen Kunsthändler Alfred Lüthy eine Angebotsmappe zugesandt, die vor allem fotokopierte Expertisen der "Archives Legales Amedeo Modigliani" enthielten, die Modiglianis Nachlassverwalter Christian Parisot gegründet hat. Die angebliche Echtheit des Gemäldes bescheinigen darauf neben Parisot nur Modiglianis Tochter Jeanne und ihr Ehemann, der Philosoph Victor Nechtschein, der im der SZ vorliegenden Anschreiben zum "Modigliani-Experten" erklärt wird.

Die Echtheit ihrer Expertisen bestätigt wiederum Christian Parisot - obwohl sich die Unterschriften von Jeanne Modigliani und ihre Art, das Datum zu schreiben, auf zwei Dokumenten deutlich voneinander unterscheiden. Die Bonner Ausstellung wird in dem Begleitbrief ebenso als Beleg für die Echtheit des Gemäldes zitiert wie das begleitende Katalogbuch und ein fotokopierter Artikel in der FAZ, der das Bild großformatig wiedergibt. Die Bonner Schau ist Verkaufsargument für ein Werk, für das weder Herkunft noch frühere Ausstellungen genannt werden. Der Preis für das Gemälde, das Parisot schon in seinem Werkverzeichnis als echt publiziert hatte, soll 4,2 Millionen Euro betragen.

Mit Christian Parisot, der jetzt nicht zum ersten Mal zur Schlüsselfigur eines Skandals werden könnte, schloss der damalige Intendant der KAH und Kurator der Ausstellung, Christoph Vitali, einen Kooperationsvertrag, um an Leihgaben zu kommen. Wann dieser Vertrag begann und ob Parisot ein Honorar erhielt, will die Leitung der Kunst- und Ausstellungshalle heute ebensowenig beantworten wie die Frage nach dem Gesamtetat der Ausstellung. Wie eng die Zusammenarbeit allerdings war, ist unter anderem daran zu erkennen, dass sowohl die Fotowand am Beginn der Ausstellung als auch das Katalogbuch das Logo von Parisots "Archives Légales Amedeo Modigliani" zieren.

Beschädigtes Lebenswerk

Ein einziges Mal nur, bevor er in den Ruhestand gehe, wolle er seine Sicht auf Modigliani zeigen, hatte Vitali Freunden und Kollegen immer wieder erzählt. Gelegenheit zu seiner Modigliani-Schau hätte der Schweizer Ausstellungsmacher oft gehabt: als freier Kurator, als Mitbegründer der Frankfurter Schirn, als Leiter des Hauses der Kunst in München oder zuletzt als Direktor der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel.

Nie aber kam die Ausstellung zustande. Als die Bundeskunsthalle nach der Kündigung ihres bisherigen Intendanten 2007 dringend einen neuen Leiter suchte, beriefen die dafür Verantwortlichen beim Kulturstaatsminister in Berlin den damals schon 67-jährigen Vitali. Schon wenige Tage nach seiner Amtsübernahme verkündete der neue Chef, er werde nun endlich eine Retrospektive auf das Werk des italienischen Porträtisten zusammenstellen.

Vitalis Lebenstraum entwickelt sich nun offenbar zu einer Katastrophe, die das gesamte Lebenwerk des Kurators zu beschädigen droht und auch den Ruf der Kunst- und Ausstellungshalle ins Wanken bringen könnte - denn mit Parisot wählte Vitali offenbar den falschen Mann. Der Franzose hatte zwei Jahrzehnte lang als Dozent am "Institut d'art visuels d'Orléans" gearbeitet und Mitte der 1970er-Jahre bei Recherchen für seine Doktorarbeit Jeanne Modigliani kennengelernt. Beide verstanden sich, und die Künstlertochter vererbte ihm bei ihrem Tod 1984 das "Droit moral". Danach haben in Frankreich die Erben eines Künstlers das Recht, über ein Ouvre zu wachen - und auch über Echtheit und Fälschung zu entscheiden.

Weil sich in der Regel die Rechtehüter von Sammlern für ihre Expertisen bezahlen lassen können, ist das "Droit moral" eine lukrative Einnahmequelle. Der deutsche Urheberrechtsexperte Gerhard Pfennig, Geschäftsführer der VG Bild-Kunst, bezweifelt allerdings, dass diese Regelung in Deutschland Wirkung entfaltet: "Europaweit erlöschen Urheberrechte 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers. An Werken Modiglianis, der 1920 - übrigens als Italiener, für den italienisches und nicht französisches Recht gilt - gestorben ist, bestehen in Deutschland keine Urheberpersönlichkeits- oder Nutzungsrechte mehr." Einen Zwang zur Zusammenarbeit gab es also für das Bonner Ausstellungshaus nicht.

In der Vergangenheit fiel der umtriebige Nachlassverwalter Parisot immer wieder dadurch auf, dass er in Ausstellungen und Publikationen neue Arbeiten als Werke von Modiglianis Hand präsentierte, die andere ausgewiesene Kenner noch nie gesehen hatten.

Gelegentlich wurden auch diese Werke von Gutachten oder Rechnungen begleitet, auf denen Verwandte von Modigliani oder Kunsthändler die Echtheit bezeugten. In Spanien ließ die Polizei 2002 sogar eine von Parisot verantwortete Ausstellung schließen und 77 darin gezeigte Zeichnungen beschlagnahmen, die angeblich von Modiglianis Geliebter, Jeanne Hébuterne, stammten. Unabhängige Experten fanden nach material- und stilkritischen Untersuchungen heraus, dass es sich um Fälschungen handelte.

Lesen Sie auf Seite 2, was die Farbe über das Alter eines Gemäldes verraten kann.

In der Obhut der französischen Polizei befinden sich inzwischen auch mindestens drei Gemälde, die Parisot Modigliani zugeschrieben hat, deren Echtheit aber zumindest umstritten ist. Eines davon, eine von Parisot als Jugendwerk mit lediglich gefälschter Signatur bewertete "Promenade in Livorno", wurde vor einer Versteigerung im Pariser Auktionshaus Drouot beschlagnahmt. Die beiden anderen Gemälde - ein "Junger Mann mit Schnurrbart" und ein "Mädchen mit Ponyfrisur" - wurden aus Ausstellungen in Frankreich entfernt.

...der gekonnt gedrehte, anatomisch glaubwürdige "Liegende Akt auf roter Couch" von 1917 aus der Staatsgalerie Stuttgart: ein echter Modigliani. (Foto: Foto: Foto: Interfoto / Katalog)

Immer wieder tauchten in den vergangenen Jahren auch bei verschiedenen, meist kleineren, Auktionshäusern angebliche Modigliani-Werke auf, denen außer Parisot kein anerkannter Experte zuvor die Echtheit attestierte - im März 2006 beispielsweise ein gezeichneter "Knieender Frauenakt" bei Tajan in Paris und im Juni 2007 die Zeichnung eines "Jungen Mädchens" bei Waddington's in Toronto.

Im Herbst 2007 überraschte Parisot dann die Kunstwelt bei einer Pressekonferenz in Belgrad mit der Enthüllung, auch dort sei ein unbekanntes Modigliani-Gemälde gefunden worden. Das angeblich 1918 entstandene Bildnis eines jungen Mannes mit leicht gewelltem Haar gehöre einem Serben, der inzwischen nicht mehr in seiner Heimat lebe. Insgesamt 17 Jahre habe es gedauert, die Echtheit des Bildes zu bestätigen. Wie, wann und vor allem wo der serbische Besitzer das Gemälde kurz nach der Öffnung des Ostblocks erworben haben sollte, wurde auf der Pressekonferenz nicht mitgeteilt.

Malerische Fehler

Fragwürdige Arbeiten mit unklarer Herkunft finden sich nun auch in der von Christoph Vitali verantworteten Bonner Modigliani-Ausstellung. Den "Liegenden Akt (Céline Howard)" beispielsweise lehnten nach Recherchen des Fachmagazins "Art+Auction" sowohl Sotheby's als auch Christie's ab. Beiden Auktionshäusern sei das Gemälde zur Auktion angeboten worden. Der New Yorker Galerist, der den Besitzer vertritt, bestreitet das allerdings, verweist auf eine angeblich "gusseiserne Provenienz" und auf das Gutachten eines Labors in der Nähe von Köln. Das private Institut ist allerdings einschlägig bekannt dafür, dass es regelmäßig Rückschlüsse vom verwendeten Material auf einen Künstler zieht - und damit nicht immer richtig liegt.

Vergleicht man das Bild mit dem authentischen "Liegenden Akt auf roter Couch" aus der Stuttgarter Staatsgalerie, fallen malerische Fehler auf: Das Gesicht wirkt maskenhaft flach, Schulterblatt und Brüste sitzen an Stellen, die anatomisch nicht zu erklären sind. Der Körper liegt nicht auf dem Kissen, er scheint darüber zu schweben, und der aufgestellte linke Oberschenkel wächst nicht aus der Hüfte, sondern aus dem Bauch.

Modiglianis lang gestreckte Körper sind häufig angespannt, der "Liegende Akt auf roter Couch" wendet sein Becken beispielsweise mit gekonnter Drehung dem Betrachter entgegen. Die so entstehende Diagonale betont noch die kontrastreiche Formulierung des Hintergrundes: Modigliani bettet seinen Akt vor schwarzem Hintergrund auf Rot, vom weißen Kopfkissen aus zieht er sich als abfallende Diagonale über die Leinwand. In dieser Bildkonstruktion und Zeichnung gewinnen auch gedehnte Glieder glaubwürdig an malerischm Zusammenhalt - im Vergleich dazu wirkt der Leib von Céline Howard auf rotem Fond so schlaff, als sei er aus Nudelteig ausgewalzt.

Keine Beweise

Malte Modigliani überhaupt jemals eine Céline Howard? Das lässt sich nicht mehr nachvollziehen, erklärte Marc Restellini schon 2000 gegenüber "Art+Auction". Der ehemalige künstlerische Direktor des Pariser Musée du Luxembourg und jetzige Leiter der privat geförderten Ausstellungshalle "Pinacothèque de Paris", begann 1997 in Zusammenarbeit mit dem Pariser "Institut Wildenstein" damit, ebenfalls einen Kanon der authentischen Modigliani-Gemälde und -Zeichnungen zusammenzustellen. Auch mit ihm hatte Christoph Vitali im Vorfeld seiner Ausstellung Gespräche geführt. Restellini schloss aber eine Zusammenarbeit mit dem bereits engagierten Parisot kategorisch aus - und Vitali entschied sich wegen dessen vermeintlich besserer Kontakte zu Leihgebern für den Nachlassverwalter.

Ein anderer, angeblich 1916 gemalter "Liegender Frauenakt", den Parisot 1996 im vierten Band seines Werkverzeichnisses ("Témoignages") als authentisches Werk publiziert hat, enthält nach materialtechnischen Untersuchungen des University College London Titaniumweiß - einen Farbzusatz, der erst später in den Handel kam. Parisot bestreitet dies inzwischen und will mit einem neuen Gutachten belegen, dass die Farbe schon früher verfügbar gewesen sei- entgegen allen anderen Erkenntnissen, wie etwa denen des angesehenen Doerner-Instituts der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München.

Auch das in Bonn gezeigte Frühwerk "Medea", das der damals gerade 16-jährige Modigliani laut Katalog im Jahr 1900 als Bildnis einer Jugendfreundin auf Sardinien gemalt haben soll, gilt als zweifelhaft. Mit dem Profilporträt wirbt auch eine Website im Internet für Grundstücksverkäufe auf einer "Azienda Modigliani" in der Nähe von Cagliari und behaupten unter Berufung auf Christian Parisot, Modiglianis Vater sei auf Sardinien als Unternehmer tätig gewesen. Für einen Aufenthalt dort gibt es in der seriösen Modigliani-Literatur aber keinerlei Beweise. Im Jahr 1900 schwebte Modigliani wegen einer Tuberkulose-Erkrankung zwischen Leben und Tod. Dass seine Mutter ihn zu der Zeit nach Sardinien reisen ließ, ist unwahrscheinlich. Ebenso gibt es keinen Beleg für eine geschäftliche Tätigkeit seines Vaters dort.

Verblüffend ähnlich

Als mögliche Fälschung gilt nach SZ-Informationen auch das angeblich 1918 entstandene Brustbild "Junge Brünette", das seinen Weg auf die zehntausendfach gedruckten Plakate, Aufkleber und auf den Ausstellungsfolder fand, der gleich drei der anzuzweifelnden Werke werbewirksam als Originale abbildet. Es ähnelt verblüffend Modiglianis "Sitzender Frau in blauem Kleid" von 1917 aus dem Moderna Museet in Stockholm. Der Kopist verstand allerdings weder die Frisur der Frau auf dem Originalbild, noch erkannte er - vielleicht wegen einer schlechten Malvorlage -, dass die Farbe ihres Kleides nicht schwarz war. Das in Bonn ausgestellte Brustporträt "Maria" schließlich versinkt in völlig Modigliani-untypischem Farbmatsch.

Klären wird die Bonner Staatsanwaltschaft müssen, ob die Verantwortlichen in der KAH schon vor der Ausstellungseröffnung etwas von Parisots Machenschaften ahnten. Über sie war schließlich in den vergangenen Jahren immer wieder in der Fachpresse und auch - von Stefan Koldehoff, einem der beiden Verfasser dieses Textes - im Bonner Katalogbuch berichtet worden, gegen das von Parisot informierte Leihgeber rechtlich vorzugehen drohten.

Wurden alle, zum Teil von Christian Parisot vermittelten Leihgaben von kompetenten Experten auf Echtheit hin untersucht? Gab es aussagefähige Originaldokumente zu ihrer Herkunft? Für Fragen über seine Zusammenarbeit mit Christian Parisot war Vitali nicht zu erreichen.

Zwei Lager

Es habe schon im Vorfeld der Bonner Ausstellung Unregelmäßigkeiten gegeben, räumte KAH-Intendant Robert Fleck, der im Januar von Christoph Vitali die künstlerische Leitung des Hauses übernommen hatte, im Mai bei einer Podiumsdiskussion über "Original, Fälschung oder Kopie?" ein: "Die Ausstellung wurde entschieden und kuratiert von Christoph Vitali in Zusammenarbeit mit Susanne Kleine als Projektleiterin. Es gab deutlich zwei Lager in der Modigliani-Forschung, und man kann so eine Ausstellung nur machen, wenn man sich für eines der beiden entscheidet", erzählte er. "Die Versuche, fragwürdige Bilder durch die Ausstellung weißzuwaschen, waren so vielfältig und erfindungsreich - ich habe nicht einmal geahnt, dass es so etwas gibt, die Vorbereitung war wirklich nicht langweilig."

Mit der Intendanz der KAH übernahm Robert Fleck im Januar von Christoph Vitali als erste Ausstellung seiner Amtszeit auch dessen problematisches Modigliani-Projekt. Dass die Zusammenarbeit mit Christian Parisot Schwierigkeiten mit sich brachte, die viel zu lange ignoriert oder verdrängt worden waren, wurde spätestens zu diesem Zeitpunkt deutlich.

Der Vertrag mit Christian Parisot sei im Januar ausgelaufen, bestätigte Robert Fleck in einem Gespräch mit der SZ. Danach hätten Christoph Vitali, Susanne Kleine und er selbst eigenhändig die möglichen Leihgeber kontaktiert und Werke ausgewählt: "Parisot rief dann sogar an und fragte nach - er war überrascht, dass wir nicht mehr auf ihn zurückkamen. Aber jedes Werk - und das war anhand der Vorlagen, E-Mails oder Abbildungen sehr kompliziert - wurde von uns zu dritt geprüft. Zuletzt ist es dann das Gefühl, das entscheidet."

In einigen Fällen allerdings trog das Gefühl offenbar.

Stefan Koldehoff hat für das Begleitbuch zur Bonner Ausstellung den Beitrag über die Fälschungsproblematik bei Modigliani geschrieben, ohne zu diesem Zeitpunkt die Auswahl der ausgestellten Werke zu kennen.

© SZ vom 26.06.2009/kar - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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