Moderne Bildhauerei:Stahl und Stil

Die aus Brooklyn stammende Bildhauerin Beverly Pepper beschert der umbrischen Provinzstadt Todi einen Skulpturenpark.

Von Carlos Widmann

Der erste künstlerische Impuls des unternehmungslustigen kleinen Mädchens führte gleich zu einem traumatischen Desaster. Um sich zu Hause, in Brooklyn, an der geschäftigen Flatbush Avenue ein paar Buntstifte besorgen zu können, hatte die sechsjährige Beverly Stoll aus der Haushaltskasse der Mutter einen US-Dollar entnommen. Damals, 1928, war das zwar tatsächlich noch Geld, aber die erzieherische Reaktion des Vaters sprengte alle Maßstäbe. Der Teppichhändler und gelernte Kürschner, der einer jüdischen Familie aus dem Baltikum entstammte, verprügelte das Kind damals so hemmungslos, dass es eine Woche lang der Schule fernbleiben musste. "Schon damals habe ich mich in Wunschträumen von meinem Elternhaus verbschiedet," erzählt Beverly Pepper auf ihrem Landsitz und Atelier in der Umgebung von Todi in Umbrien.

Das Trauma aus Brooklyn hat über zwei Jahrzehnte nachgewirkt - bis Beverly Stoll, inzwischen in Paris lebend, Schülerin von Fernand Léger und selbst künstlerisch tätig, 1949 ihren Familiennamen ablegte. Nach der blitzartigen Liebesheirat mit einem Newsweek-Reporter und Rom-Korrespondenten zeichnet sie ihre Bilder und Skulpturen nur noch als Beverly Pepper. Und ein halbes Jahrhundert später, seit dem vergangenen Wochenende, flattert ihr Name in meterhohen Buchstaben über ganz Todi, dem umbrischen Hügelstädtchen in der Provinz Perugia.

Beverly Pepper Todi

Rost unter regenlosem Himmel: Die Stahlskulpturen von Beverly Pepper in der umbrischen Stadt Todi.

(Foto: Auro e Celso Ceccobelli)

Seit einem Jahrzehnt ist sie dort Ehrenbürgerin. Peppers Name prangt nun auf frisch bemalten Transparenten über der Piazza del Popolo, zwischen den vertrauten Kuppeln und Türmen und Palästen - und vor allem über dem "Beverly Pepper Park", einer langen, bewaldeten, ansteigenden Wanderstrecke innerhalb der mittelalterlichen Stadtwälle, die von der herrlichen Wallfahrtskirche Santa Maria della Consolazione weit hinauf, noch über das Stadtzentrum und bis zum imponierenden gotischen Kloster San Fortunato reicht.

Einen "Hauch von Weltläufigkeit" will die Bildhauerin der Stadt in der umbrischen Provinz geben

Dort oben hat die 96jährige Bildhauerin aus Brooklyn den einzigen modernen Skulpturenpark Italiens entworfen und errichtet. Ihr Stil wird von Kunstexperten als "minimalistisch" charakterisiert, was viele Besucher bei der ersten Betrachtung amüsant finden: Beverlys Stahlsäulen sind oft über zehn Meter hoch und wiegen über acht Tonnen, nur unter Einsatz riesiger Kräne konnten sie vor der staunenden Bevölkerung Todis auf der Piazza del Popolo (ehemals Vittorio Emanuele) aufgestellt werden. Die Namen dieses Platzes täuschen über seine Geschichte hinweg, er existiert seit dem 11. Jahrhundert.

Die alte Dame, die sich nach einem schweren Sturz vor vier Jahren nur noch im Rollstuhl fortbewegen kann, hat der Stadt sechzehn ihrer Skulpturen vermacht. Bürgermeister Antonino Ruggiano verspricht sich davon feinsinnig "un tocco di internazionalità" - einen Hauch von Weltläufigkeit. Den habe Todi dringend nötig, wenn es Touristen vor allem aus dem Norden und den USA anziehen wolle.

Beverly Pepper möchte mit ihrer Aktion der Stadt etwas einflößen, das sie selbst im Übermaß besitzt: Energie und Mut zum Wechsel. Zur Bildhauerei hatte sie erst 1960 gefunden, im Alter von 37 Jahren, während eines Besuchs in den Khmer-Tempeln von Angkor Wat. Nur zwei Jahre nach diesem Einstieg zog es sie beim "Festival der Zwei Welten" in Spoleto zur Metallarbeit. Wie damals auch Alexander Calder folgte sie einer Künstlergruppe bei deren Experimenten in italienischen Stahlwerken. Das Schweißen lernte sie nebenher bei einem Schmied. In einer Fabrik in Piombino assistierte sie in drei Schichten pro Tag den dortigen Facharbeitern, um ihnen ihre Technik abzuschauen und ihren Jargon zu lernen. Da hatte es sich die einst so elegante Beverly, die mit Marcello Mastroianni, Federico Fellini und anderen Cinecittá-Größen befreundet war, in Karohemden, Jeans und Stiefel geworfen.

Beverly Pepper

Beverly Pepper ist Ehrenbürgerin des Städtchens Todi in Umbrien.

(Foto: Domenico Stinellis/AP)

Die Herkunft aus Brooklyn ist ihrer Stimme und ihrem Humor immer noch anzumerken, selbst wenn sie Italienisch spricht. Wenn das bloße Formen und Biegen der Metallmassen ihr zu farblos wurde, suchte Beverly Pepper den Rost - mit welchen Mitteln auch immer. "Wenn es nicht genug regnet", scherzt sie gerne, "dann müssen halt meine Assistenten auf die Skulpturen pinkeln."

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