Kolumne "Nichts Neues":In ist, wer drin war

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Der großformatige Band "Mjunik Disco" erzählt fantastische Anekdoten aus dem Münchner Nachtleben.

Von Johanna Adorján

Eine sehr erbärmliche Szene aus dem Münchner Nachtleben lässt sich in Thomas Chatterton Williams' "Selbstporträt in Schwarz und Weiß - Unlearning Race" nachlesen, in dem er, ein schwarzer Amerikaner, über Rassismus schreibt. Das einzige Mal, dass er in seinem Leben unverhohlenen Rassismus erfahren habe, sei in München gewesen, als er vor ein paar Jahren mit einem Freund ausgehen wollte. Der Türsteher des Clubs, dessen Namen er höflich verschweigt, wollte aber nur seinen blonden Freund einlassen, ihn nicht.

Schönere Geschichten finden sich im großformatigen Band "Mjunik Disco", herausgegeben 2008 von Mirko Hecktor. Darin wird die Geschichte des Münchner Nachtlebens erzählt, fragmentarisch natürlich, wie jede Erinnerung an ein Nachtleben nur fragmentarisch sein kann, in Bildern, Texten und mit Anekdoten, die so herrlich sind, dass man auf der Stelle ganz traurig wird, nicht dabei gewesen zu sein.

Wie zum Beispiel die aus den Achtzigerjahren, als mal ein paar Freunde des Hauses nicht ins Grössenwahn kamen, grober Türsteherfehler, beleidigt abzogen, mit Brettern und Schrauben zurückkamen und von außen die Tür verrammelten. Oder wie Klaus Lemke einmal im hohen Bogen aus dem Why Not flog, Hausverbot, und dabei so böse auf dem Hinterkopf landete, dass man kurz befürchtete, er sei tot. Am nächsten Abend kam er mit Helm wieder: Sofort wurde gerührt das Hausverbot wieder aufgehoben. Oder wie Simon Le Bon, der Sänger der zu dieser Zeit irrsinnig berühmten Band Duran Duran, nach einer Nacht im Sugar Shack verschwunden war. Erst am Nachmittag fand ihn eine Putzfrau: Er war auf dem Klo eingeschlafen und über Nacht im Club eingesperrt gewesen. Oder wie Egon Bahr wirklich mal in der Egon Bar war, 1996 war das, und bis auf die heruntergekommenen Toiletten fand er es wohl sehr nett. Oder wie der britische DJ Aphex Twin (der in der deutschen Fassung von Bret Easton Ellis' Roman "Glamorama" mit die "Aphex Zwillinge" übersetzt wurde) mal eine Platte aus Schmirgelpapier spielte. Oder DJ Hell am letzten Abend im Ultraschall mit einem leeren Plattenkoffer die Deko einschlug. Hach.

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