Süddeutsche Zeitung

Mittwochsfilm:Ein bisschen kurz unter der Kapuze

"Blackkklansman" ist ein gelungenes Feelgood-Movie über den Ku-Klux-Klan.

Von Susan Vahabzadeh

Manche Geschichtenerzähler brauchen einen Gegner. Ein solcher Erzähler ist Spike Lee. Es schien ja ein bisschen so, als habe Lee, der wichtigste schwarze Filmemacher des amerikanischen Kinos, der Mann, der vor fast drei Jahrzehnten "Do the Right Thing" und "Malcolm X" gemacht hat, ein wenig die Konzentration verloren bei seinen letzten Filmen. Nun aber gibt es neue Verhältnisse, Donald Trump, Charlottesville, eine Verschiebung der Grenzen des Sagbaren. Und des Vorstellbaren: David Duke, der einmal der Grand Wizard des Ku-Klux-Klan war, findet, er und Donald Trump stehen auf derselben Seite. David Duke kommt vor in Spike Lees neuem Film "Blackkklansman". Er hat eine wahre Geschichte verfilmt, die sich Ende der Siebzigerjahre tatsächlich zugetragen hat. Und Lee ist in Hochform.

Dass der Mann sich mal eben zum Chef durchstellen lässt, findet der Ku-Klux-Klan eindrucksvoll

Es geht los mit einer Szene aus "Vom Winde verweht" - ein Klassiker; aber für viele Menschen ist er nicht einfach ein Stück aus der Vergangenheit, dessen Kontext man mitdenken mus, sondern Sehnsuchtsbild weißer Herrschaft. Später im Film werden sich Ku-Klux-Klan-Männer "Birth of a Nation" ansehen, den Film von D.W. Griffith, der 1915 den Klan wiederauferstehen ließ, der am Ende des Bürgerkriegs entstanden war. Spike Lees Film spielt 1979, man sieht als Nächstes Alec Baldwin, der als Rassenreinheitstheoretiker vor sich hinschwadroniert. Dann aber sind wir bei der Polizei in Colorado Springs. Dort stellen sie gerade ihren ersten Schwarzen ein: Ron Stallworth (John David Washington). Dass der junge Mann dann auch noch Ambitionen hat und gerne Sonderermittler werden will, ist seinem zukünftigen Chief sichtbar zu viel, und so landet Ron erst einmal im Archiv. Er bleibt nicht bei den staubigen Akten, Ron wird gebraucht für eine Undercover-Mission. Er soll Studenten ausspionieren, die sich für Black Power engagieren. Höchst suspekt.

Es kommt dann bei den Ermittlungen gegen die Studenten nicht viel heraus, außer dass Ron sich in die Black-Power-Aktivistin Patrice (Laura Harrier) verliebt hat, der er nun nicht sagen kann, dass er sie bei der ersten Begegnung belogen hat. Wie er sich windet, um ihr nicht noch mehr Märchen auftischen zu müssen, gehört zu den Kniffen, mit denen Lee der Geschichte die Leichtigkeit einer Komödie mit auf den Weg gibt. Den Rest müssen die absurden Gestalten erledigen, die Ron bei seiner nächsten Ermittlung auftut; er macht einen kleinen, zentralen Fehler, als er sich um eine Aufnahme beim Ku-Klux-Klan bewirbt - er gibt seinen echten Namen an. Das macht die Sache gefährlicher, aber als Ron dann nach ein paar Telefonaten tatsächlich zu einem Treffen eingeladen wird, muss sein Kollege Flip (Adam Driver) für ihn hingehen.

Das ist tatsächlich lustig, bis auf die letzen, bitteren Minuten ist "Blackkklansman" ein Feelgood-Movie; und ein Feelgood-Movie über den Ku-Klux-Klan zustande zu bringen ist schon mal eine Leistung für sich. Zwei Cops führen den Klan an der Nase herum, das klingt fast ein bisschen albern - aber ungefähr so ist es nun mal passiert. "Blackkklansman" hält eine schöne Balance zwischen Spaß, einer Art "Comic Relief" im Angesicht der Kapuzen, und ergreifenden, erschütternden Momenten.

Es gibt jedenfalls bald zwei Rons, einen, der in Fleisch und Blut vor den Klan tritt, und einer, der vom Büro aus per Telefon mitmischt - als der Mitgliedsausweis nicht rechtzeitig kommt, schafft es Ron, sich gleich den Oberboss ans Telefon zu holen, den er dann bei weiteren Telefongesprächen genüsslich vorführt. Ein Mann, der auf den ersten Blick ganz sanft und weich wirkt, vor allem bürgerlich: David Duke, hervorragend gespielt von Topher Grace. Es ist derselbe David Duke, der noch heute am rechten Rand der amerikanischen Politik herumspukt.

Im Film ist das Sammelsurium zweifelhafter, recht einfältiger Gestalten, die Flip bei den Treffen kennenlernt, sehr unterhaltsam - aber gefährlich sind sie doch. Besonders Felix Kendrickson (Jasper Pääkkönen), der so besessen ist, dass er einfach nur irre und lächerlich wirkt. Er heckt mit seiner Frau Bombenanschläge aus, und wie einem idiot savant dämmert ihm, dass Flip, der Mann, der vor ihm sitzt, Jude ist. Alle anderen sind vom neuen Mitglied begeistert. Man will "Ron", diese zusammengesetzte Gestalt aus zwei Polizisten, zum Chef der örtlichen Kapuzenträger machen. Seine Vernunft, sein kühler Kopf, dass er sich mal eben zum Grand Wizard des Ku-Klux-Klans durchstellen lässt - das finden sie eindrucksvoll.

Flips Auftrag ist ungleich gefährlicher als Rons Telefonfreundschaft mit Duke. Und er löst in ihm so eine Art Identitätskrise aus. Flip ist weiß, mit Religion hat er nicht viel am Hut. Dass er jüdisch ist, hat für ihn noch nie eine Rolle gespielt. Nun aber sitzt er in diesen Sitzungen des Klans, hört sich antisemitische Sprüche an - und fühlt sich plötzlich jüdischer als je zuvor. Es ist dann eine schöne Wendung, dass sich trotzdem in diesem Film nicht jeder in die Gruppe zurückzieht, in die er hineingeboren wird. Es entsteht eine neue Gruppe. Das Lager, das sich bildet, um sich dem Klan entgegenzustellen, entsteht auf dem Polizeirevier, wo die ganze Abteilung zusammenwächst. Je gefährlicher die Mission wird für Ron und Flip, desto größer wird die Solidarität im Großraumbüro.

"Blackkklansman" ist ein komischer Film, basierend auf der wahren Geschichte, es gibt ein bisschen Action (sogar mehr, als in der echten Ermittlung geboten wurde). Im Kern aber ist "Blackkklansman" vor allem ein Polizeifilm, eine Law-and-Order-Geschichte. Es gibt eben doch eine Entwicklung in der amerikanischen Wirklichkeit seit Spike Lee 1989 "Do the Right Thing" über die Polizeibrutalität gegen Schwarze gemacht hat. Es gibt diese Polizeibrutalität immer noch und den Rassismus und die Ungerechtigkeit und den Klan, aber man erzählt nun andere Geschichten. Die Helden in "Blackkklansman" sind keine Underdogs, Ron und Flip repräsentieren Staat und Recht - die Rassisten, mit und ohne Kapuzen, stören die Ordnung.

Blackkklansman, USA 2018 - Regie: Spike Lee. Drehbuch: Charlie Wachtel, David Rabinowitz, Kevin Willmott, Spike Lee. Kamera: Chayse Irvin. Mit John David Washington, Adam Driver, Laura Harrier, Topher Grace, Jasper Pääkkönen, Ryan Eggold. Verleih: Universal, 135 Minuten

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Quelle:
SZ vom 22.08.2018
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