Mirna Funk: "Who Cares!":Scheine machen, Porsche fahren

Mirna Funk: "Who Cares!": "Jede Frau, die lethargisch zu Hause sitzt und schreit 'Ich mache nicht mit, solange wir 18 Prozent weniger als Männer verdienen!' anstatt sich selbst ins C-Level zu katapultieren, um faire Bezahlungen einzuführen, ist nicht progressiv, sondern antifeministisch." - Mirna Funk.

"Jede Frau, die lethargisch zu Hause sitzt und schreit 'Ich mache nicht mit, solange wir 18 Prozent weniger als Männer verdienen!' anstatt sich selbst ins C-Level zu katapultieren, um faire Bezahlungen einzuführen, ist nicht progressiv, sondern antifeministisch." - Mirna Funk.

(Foto: MARCUS_WITTE)

Mirna Funk fordert mehr Unabhängigkeit, Schweiß und Kraft von den Frauen. Kann man von ihrem Bloß-nicht-jammern-Feminismus etwas lernen?

Von Miryam Schellbach

Um den Feminismus ist es hierzulande wieder einmal schlecht bestellt, jedenfalls, wenn man Mirna Funk glaubt. Schuld sind vor allem zwei Typen von Frauen. Die einen nennen sich zwar Feministinnen, machen aber alles falsch. Sie beschweren sich dauernd über Ungerechtigkeiten, sind "Woke Warriors" oder "Social Justice Fighter" und haben nicht begriffen, dass, wer die Welt verändern will, bei sich selbst anfangen muss. Der andere Typ Frau sind die Verzweifelten, die mit "verschränkten Armen und mauligem Gesicht" herumsitzen, ein Häufchen Elend voll ostentativer Benachteiligung. Den zweiten Typus hält Mirna Funk naturgemäß nicht für Feministinnen, denn "jede Frau, die lethargisch zu Hause sitzt und schreit 'Ich mache nicht mit, solange wir 18 Prozent weniger als Männer verdienen!' anstatt sich selbst ins C-Level zu katapultieren, um faire Bezahlungen einzuführen, ist nicht progressiv, sondern antifeministisch".

Mirna Funk ist anders, sie gehört zu den Macherinnen, den sexuell Befreiten, den Aufsteigerinnen, zu denen, "die nicht twittern, sondern Scheine machen". Sie fährt einen pinken Porsche, den sie "Porschi" nennt, und mit dem sie "wild von A nach B" düst. Mirna Funk hat auch einmal einen Führungsjob angeboten bekommen und dann ihrem zukünftigen Chef erklärt, sie könne grundsätzlich nur bis 16.30 Uhr arbeiten, weil sie danach ihre Tochter, die sie allein erziehe, aus der Kita abhole. Außerdem würde ihre Tochter später ja auch die Rente ebendieses Chefs zahlen, hat sie noch hinzugefügt, woraufhin der Boss leuchtende Augen bekam. Mirna Funk hat auch einen schlechten Schulabschluss, jahrelang Steuern hinterzogen, erst im mittleren Alter verstanden, was der Unterschied zwischen brutto und netto ist, und investiert heute informiert in ETFs und Kunst.

Mirna Funk ist die im Alleingang gemachte Frau

Überhaupt erfährt man aus "Who Cares!", Mirna Funks gerade veröffentlichter Anleitung für ein selbstbestimmtes weibliches Leben vor allem etwas darüber, wie unwahrscheinlich und dennoch möglich der Aufstieg seiner Verfasserin war. Von der kiffenden Schulschwänzerin zur beliebten Romanautorin, von ganz unten nach ziemlich weit oben und das ganz ohne Hilfe oder vererbte Privilegien. Mirna Funk ist die im Alleingang gemachte Frau. Und weil das wider Erwarten so gut geklappt hat, muss sich daraus doch etwas ableiten lassen für das Leben der anderen 42 Millionen Frauen in diesem Land. Zum Beispiel, so befindet Mirna Funk: "Was ich heute über beruflichen Aufstieg sagen kann, ist, dass dieser an nichts weiter gekoppelt ist als an den unbedingten Willen, etwas erschaffen zu wollen." Neben dem obligatorischen Cashflow hat Mirna Funk noch weitere Tipps und Tricks für die Alltagsoptimierung der modernen Frau ins Buch gepackt: Liebe ("Kein Mann dieser Welt kann euch Zufriedenheit bringen"), Sex ("Es braucht keine Safe Spaces oder mit Plüsch ausstaffierte Sprechräume. Es braucht Mut") und Kinder ("Es gibt keine Care-Arbeit, keine Beziehungsarbeit, keine Freundschaftsarbeit. Es ist nichts weiter als die Conditio humana").

Diese doch eher hemdsärmelige Diagnose von der allzeit möglichen Befreiung aus allerlei bindenden und kleinhaltenden Zusammenhängen erstaunt. Gerade weil sich derzeit in der deutschsprachigen feministischen Wissenschaft durchaus Ansätze finden, die eine Kritik an unfairen Strukturen von Ehegattensplitting bis Gehaltsgender-Gap an eine mittätige Emanzipierung zurückbinden. Von der Philosophin Eva von Redecker etwa, die in "Revolution für das Leben" die bekannte Sachlage beschreibt, dass bestimmte Formen von Tätigkeiten, die Pflege von Kranken, Kindern und Alten beispielsweise, gesellschaftlich und auf staatlicher Ebene nicht als vollwertige Arbeit gefasst werden. Oder der Soziologin Sarah Speck, die zuletzt darüber schrieb, dass eine Flexibilisierung der Arbeitswelt während der Corona-Pandemie nicht zwingend eine Gleichverteilung der anfallenden Haushaltsarbeiten unter männlichen und weiblichen Familienmitgliedern bedeutete, sondern die neue Sozialfigur der bis zur Erschöpfung funktionierenden "Home-Allround-Mum" geschaffen habe.

Mirna Funk: "Who Cares!": Mirna Funk: Who Cares! Von der Freiheit, Frau zu sein - Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Autonomie aller Frauen. DTV, München 2022. 112 Seiten, 10 Euro.

Mirna Funk: Who Cares! Von der Freiheit, Frau zu sein - Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Autonomie aller Frauen. DTV, München 2022. 112 Seiten, 10 Euro.

Es wäre allerdings etwas billig, "Who Cares!" ein Desinteresse an der wissenschaftlichen Debattenlage vorzuwerfen, denn das ist eine Richtung, die das Buch gar nicht einschlagen will. Eine klare Adresse hat es dennoch. Ohne den Mai 2021, so schreibt sie im Vorwort, hätte es ihr Buch nicht gegeben. Damals hatte sie auf dem Onlineportal Pinkstinks Frauen dazu aufgerufen, "am Muttertag ihre faulen Männer zu verlassen", woraufhin ein "paar abgehängte Reihenhausfeministinnen" und ein "Teil des Literaturbetriebs" einen Shitstorm losgetreten hätten. Nur sind Gedanken, die sich aus der hässlichen Twitter-Gemengelage heraus entwickeln, leider selten fein gestrickt.

Mirna Funks Abrechnung mit ihren Kritikern erinnert also im Stil immer wieder stark an einen - sehr langen - Thread in einem sozialen Medium: persönlich, schlaglichthaft, kontrastverliebt. Als sie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor einigen Monaten das Publikum darüber informierte, dass der Autor Max Czollek sie vor Jahren in einem Pausengespräch damit belogen habe, dass seine Eltern beide jüdisch seien, hatte das einen ähnlichen Dreh. Manches passt einfach besser auf eine Party, anderes zu Twitter oder auf einen Blog, nicht alles zwingend auf gedruckte Seiten.

"Hier geht nix, hier ist nix, ich kann nicht. Das ist passiv und nicht souverän."

Wegweisendes jedenfalls lässt sich aus "Who Cares!" entsprechend kaum herauspicken. Nuancen eines erheiternd kurz gedachten Aktionismus finden sich aber viele. Etwa, wenn Mirna Funk Eltern, die keine Kitaplätze für ihre Kinder abbekommen haben, zuruft: Macht's doch einfach selbst. Oder im Original: "Mir ist diese verantwortungsverneinende und staatsunterwürfige Kultur einfach fremd. Wenn es keinen Kindergarten in eurer Nähe gibt, der Kinder bis 18 Uhr betreut, dann eröffnet ihn doch einfach und helft damit anderen Müttern, ihren Träumen und Lebenskonzepten nachzugehen, aber hört auf mit: Hier geht nix, hier ist nix, ich kann nicht. Das ist passiv und nicht souverän." Diese You-Can-Do-Haltung mag unterhaltsam und schwungvoll sein, aber was die Managerin, die aus einer Zwangslage heraus zur Kindergärtnerin wurde, nun mit ihren eigenen Karriereträumen anfangen soll, lässt auch Mirna Funk offen. Hauptsache, das ist das Mantra ihres Buches, es wird nicht gejammert.

Größere Zusammenhänge politischer Ökonomie oder auch die sogenannte Intersektionalität, also die Verbindung von mehreren gesellschaftlichen Benachteiligungsformen, spielen hier keine Rolle. Dass etwa manche Zugewanderte, männlich oder weiblich, auf dem Arbeitsmarkt weniger lässig pokern können, ihnen damit nicht die gleichen Aufstiegschancen zur Verfügung stehen, ist Mirna Funk keine Zeile wert.

Der längst schon in die Mythenschublade geschobene American Dream, dass jeder alles werden kann, wenn er sich nur tüchtig anstrengt, wird bei ihr zum German Dream, und der ist vor allem eins, ehrliche Wertarbeit von Einzelnen: Frauen sollen "mit Schweiß und Kraft eine Welt für ihre Kinder und Enkel kreieren, die schöner als die jetzige ist". Dass aber alles besser wird, wenn nur alle mehr arbeiten, klingt selbst wie ein Märchen aus der Feder Mirna Funks.

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