Michelle Hunziker bei "Wetten, dass..?":Das blonde Wunder

Michelle Hunziker ist nicht Thomas Gottschalks Ko-Moderatorin, sondern das, was man früher "Muse" nannte. Trotzdem ist sie nicht nur sexy, sondern auch hart im Nehmen.

Marc Felix Serrao

Ein Mann zu sein ist manchmal nicht leicht. Thomas Schuster, ein kleiner Herr mit großem Schnauzbart, sitzt am Vorabend seines großen Fernsehauftritts im ZDF in der Messehalle 2 am Rand von Freiburg und versucht zu flirten. Der Spielentwickler aus Sulmingen hält einen pinkfarbenen Gummistiefel in den Händen und soll erschnuppern, welcher jungen Dame das Ding gehört. 23 Frauen haben gerade 20 Minuten lang Aerobic in Stiefeln gemacht. Die riechen jetzt.

Michelle Hunziker bei "Wetten, dass..?": Michelle Hunziker und Thomas Gottschalk am Samstag abend nach der Sendung.

Michelle Hunziker und Thomas Gottschalk am Samstag abend nach der Sendung.

(Foto: Foto: ddp)

Neben Schuster sitzt noch eine Frau, einen halben Kopf größer als er, mit langen blonden Haaren und sehr langen Beinen. Sie legt ihm die Hand auf die Schulter. "Wenn du willst, sag' ich nichts mehr, Thomas." Thomas Schuster rutscht auf seinem Hocker herum. "Nee", sagt er heiser. "Du hast doch 'ne süße Stimme." Dann steckt er seinen roten Kopf wieder in den pinkfarbenen Stiefel und macht Bewegungen, die wohl so aussehen sollen, als rieche er an einem teuren Wein. Michelle Hunziker lacht. "Der Thomas!" sagt sie, während die wenigen Probenzuschauer ihre Gesichter verziehen. "Bevor wir uns gleich küssen, musst du aber deinen Atem neutralisieren, Thomas." Der Mann fällt fast vom Stuhl.

Am nächsten Tag, ihrem großen Tag, sitzt Hunziker in einem kahlen Konferenzraum eines Hotels am Freiburger Hauptbahnhof und lacht. Die schwere braune Holztür ist noch geschlossen, aber man hört die Frau dahinter bis auf den Gang. Als die Tür schließlich aufgeht, lacht die 32-Jährige immer noch, genau wie die drei Journalisten aus der Schweiz, die ihrer Landsfrau Pralinen aus Zürich mitgebracht haben und sich mit jeweils drei schmatzenden Wangenküsschen von ihr verabschieden. Da Schweizer für vieles, aber nicht für ihre Herzlichkeit bekannt sind, liegt es wohl am Nationalstolz.

Michelle Hunziker, die Schweizerin, deren Hintern mal zum schönsten Po Italiens erklärt wurde, ist seit diesem Wochenende das neue, schöne Gesicht der erfolgreichsten Unterhaltungsshow im deutschen Fernsehen. "Wetten, dass Millionen Michelle lieben werden?", jubelte die Bunte vorab und erklärte die Verpflichtung der 32-Jährigen ungesehen zur "TV-Sensation des Jahres". Thomas Gottschalk, der am Samstagabend mit ihr zusammen seine 135. Show moderierte, begründete seine Entscheidung, sie nach fünf Gastauftritten zum festen Bestandteil seiner Show zu machen, so: "weil sie atemberaubend sexy ist und absolut zickenfrei".

Es sind solche Sätze, die Gottschalk nach Meinung vieler Leute, vor allem Frauen, unmöglich machen. Seit Jahren hört der Moderator von Bedenkenträgern, er könne es nicht mehr. Zu alt, heißt es. Zu chauvinistisch. Zu albern angezogen. Mag sein. Trotzdem ist der 59-Jährige erfolgreich wie kein Zweiter. Pro Sendung gehen beim ZDF mehr als 20.000 Kartenanfragen ein. Je nach Hallengröße ist Platz für ein Zehntel von ihnen, manchmal etwas mehr. Nach jeder der sechs, sieben Shows im Jahr gehen circa 1500 Wettvorschläge ein, ein halbes Dutzend schafft es in die Sendung. Von den Fernsehzuschauern ganz zu schweigen: Kein anderes Showformat dieser Größe zieht mehr an.

Warum sucht jemand, der es alleine allen gezeigt hat, mit Unterbrechungen 21 Jahre lang, plötzlich ein zweites Gesicht für seine Sendung? Und warum ausgerechnet dieses?

Vermutlich hat die Entscheidung auch viel mit Gottschalks Gespür für Massengeschmack zu tun. Und mit den Massen, die ihn mögen. Im Foyer der Messe in Freiburg warten eine Stunde vor Beginn der Show bereits Hunderte auf ihren Einlass. Die Männer haben ihre guten Jeans angezogen, die Frauen tragen große Broschen und starkes Parfüm. Man sieht viele Motto-T-Shirts. Besonders groß ist das Gedränge vor dem ZDF-Tresen mit den Mainzelmännchen-Kaffeebechern und den Guido-Knopp-DVDs. Auf einer großen Bühne am Hallenrand steht der örtliche Radiomoderator und sagt, dass Bryan Adams "immer noch die Bühne rockt". Eine halbe Stunde später, kurz vor acht, geht über dem Breisgau eine blutrote Abendsonne unter.

In der Halle reißt Gottschalk ein paar passende Witze. Wie alt er denn sei, will der Moderator beim Gang durch die Zuschauerreihen wissen. Elf, kräht der Junge. "Elf, ja?" Gottschalk legt den Kopf schief und lächelt. "Vor fast zwölf Jahren hatte ich hier schon mal 'ne Show." Es dauert ein paar Sekunden, dann brüllt der Saal. Anders als Oliver Pocher, der als Gast der Sendung später nur ein paar Teenagerschreie, aber kaum Lacher provoziert, ist Gottschalk gerne anzüglich, aber lieb. Familientauglich.

Allianz mit den Frauen zu Hause

Wie Frau Hunziker. In Italien, sagt sie, seien Frauen und Kinder ihre Zielgruppe. Striscia la noticia (Nachrichtenstreiflichter) heißt ihre Comedyshow, die wochentäglich live nach den Abendnachrichten im Privatfernsehen läuft. "Wenn ich eine Erotik habe, dann ist sie familienfreundlich." Sicher, es gebe auch in ihrer Show, wie fast überall im italienischen TV, Mädchen, die, wie sie sagt "auf der Bank tanzen". Soll heißen: fast nichts anhaben und lächeln. "Aber ich nehme sie die ganze Zeit auf die Schippe."

Das, sagt Hunziker, sei ihre Allianz mit den Frauen zu Hause. So wie sie in dem Moment dasitzt, glaubt man es ihr sogar. Sie wirkt drahtiger als in den bunten Heften, nicht so aufreizend. Das mag an der hochgeschlossenen weißen Bluse liegen. Oder daran, dass diese Hefte, die sie so lieben, seit sie 1996 zum ersten Mal in einer Disco um Eros Ramazotti herumtanzte, sich meist auf die Strandfotos konzentrieren.

Und das ständige Angefasse - das Kandidaten wie den Stiefelschnüffler bei Wetten, dass..? fast vom Hocker gehauen hätte? Das mache sie immer so mit Männern, sagt Hunziker. "Man muss ihnen das Gefühl geben, dass man schätzt, was sie machen." Das sei ihre italienische Art: "Ich bin sehr physisch."

Menschen, die Michelle Hunziker länger kennen, sagen, dass sie nicht nur nett und physisch, sondern auch hart im Nehmen sei. Fest steht, dass es nur wenige Menschen gibt, deren Privatleben, inklusive Scheidung und Sorgerechtsstreit, so detailreich von den Boulevardblättern ausgeschlachtet wurde. "Wenn man entscheidet, dass man in der Öffentlichkeit sein möchte, muss man wissen, dass das dazu gehört", sagt Hunziker. Wenn ein Blatt auf sie einschlagen wolle, dann tue es das sowieso. "Das ist ihre Arbeit. Eure Arbeit." Sie habe aufgehört zu dementieren.

Sie sagt "Ah, ja" und schüttelt die Haare

Bei Wetten, dass..? sagt die neue Moderatorin am Ende nicht viel. Als Gottschalk dem Stiefelschnüffler die Brille aufsetzt, will er testen, ob der noch etwas sehen kann. Erst haut er ihm mit der Hand vors Gesicht, dann greift er nach Hunzikers Kleid. So, sagt er, und jetzt das Dekolletée. Sie sagt "Ah, ja" und schüttelt ihre Haare. Wenn sie mehr als das sagt, dann sind es meist naheliegende Dinge.

Als der Kandidat, der mit einem tonnenschweren Buggy über einen Baggersee rasen wollte, fast absäuft, "ist wahrscheinlich etwas schiefgegangen". Ein anderes Mal steht sie neben dem Riesen, der gerade 100 mit Wasser gefüllte Flaschen umgepustet hat und sagt, dass sie auch keine Luft mehr hat. Doch statt Luft sagt sie Lust. Alle lachen, sie am lautesten. Nein, ruft sie: Die Lust gehe ihr natürlich nie aus.

Thomas Gottschalk jedenfalls ist zufrieden. "Mir war wichtig, dass Michelle nach Hause geht und sagt, das hat Spaß gemacht", sagt er nach der Show. "Und es hat ihr Spaß gemacht." Dann sagt er noch, dass er sie sehr respektiere, dass er überhaupt Frauen sehr respektiere. "Ich bin kein Wüstling, und kein alter Sabberer."

Und Michelle Hunziker? Sie ist keine gute Moderatorin. Sie ist überhaupt keine Moderatorin. Sie ist hübsch und nett und fröhlich, und sie macht Thomas Gottschalk fröhlich. Muse hat man so eine Frau früher genannt. Mit Muse könne er gut leben, sagt Gottschalk. Das muss er jetzt auch.

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