Michael Verhoeven und seine Firma:Sicherer Hafen auch bei Sturm

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Ein Mann, ein Œuvre: Vor 50 Jahre wurde die Sentana Filmproduktion gegründet. In der nach seiner Frau Senta Berger benannten Firma kann Michael Verhoeven in Ruhe seine filmischen Projekte verwirklichen

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

Es handelt sich um einen voreheliche Vereinigung. Geheiratet wurde nämlich erst im Jahr darauf. Sie war ein weltberühmter Filmstar, er ein Medizinstudent auf der Zielgeraden zum Facharzt der Chirurgie, schon als Kind hatte er immer wieder in den Filmen seines Vaters mitgespielt. Beide waren jung und unternehmungslustig und wollten unabhängig sein. Ihr erstes gemeinsames Baby ließen sie ganz offiziell 1965 eintragen: Senta Berger und Michael Verhoeven gründeten die Sentana Filmproduktion unter einem schwungvollen "S" mit steilem Aufstrich als Logo, einem Notenschlüssel, der Harmonie suggeriert. Aber darauf hat es keiner der beiden inhaltlich je angelegt. Ganz im Gegenteil.

Die Sentana feiert also heuer ihr 50-jähriges Bestehen. Selbstverständlich gibt es, wie könnte es anders sein, nicht nur eine Broschüre über die an die 40 Filme, die sie hervorgebracht hat, sondern einen Film mit dem programmatischen Titel "Der rote Faden". Es moderiert Sohn Simon Verhoeven, der das Einerseits und Andererseits der Sentana aufs Liebenswürdigste verunklart: Einerseits sei sie ganz der Vater, da er, mit der Produktionsfirma im Rücken, fortan nahezu ausschließlich seine eigenen Filme produzierte, aber durch den Namen natürlich auch die Mutter. Simons erster Film wurde von der Sentana produziert: "Insofern bin ich ein Sentana-Kind im wahrsten Sinn des Wortes". Als Hausherr ist Michael Verhoeven in der Gebsattelstraße in Haidhausen präsent, wo die Firma, drei Schneideräume inklusive, residiert. Und die einzige Frau, die hier das Zepter schwingt, ist seine Sekretärin Barbara Bauermeister.

Senta Berger und Michael Verhoeven im Jahr 1968. (Foto: Sentana)

Bis Michael Verhoevens Erstling herauskam, vergingen zwei Jahre. Der Titel gereichte im prüden Deutschland, das 1967 noch ziemlich in der Verlogenheit der Fünfziger dümpelte, zum ersten von etlichen Skandalen. "Paarungen", der Strindberg'sche Ehekrieg, musste in "Paare" umbenannt werden. Vor allem aber war es wohl ein Schock, dass sich auf der Leinwand nicht ein biederes Paar ohne Unterleib in einer der harmlosen Komödien neckte, wie sie Vater Paul in den Vierzigern unter den Nazis und wieder in den Fünfzigern gedreht hatte. Nunmehr stand er in den "Paarungen" mit Lilli Palmer bei seinem Sohn vor der Kamera. Dessen Auseinandersetzung mit dem Vater, auch als Vertreter einer Generation, die sich allein schon im Wegschauen schuldig gemacht hatte, legte allerdings den roten Faden in Verhoevens filmischem Werk. Der lautstarke politische Generationenkampf am heimischen Esstisch mündete in politisches Aufbegehren mittels Film.

Im Sentana-Gründungs-Jahr 1965, im Februar, hatte Lyndon B. Johnson den Befehl gegeben, fortan Nordvietnam zu bombardieren. 1969, als Michael Verhoeven ein halbes Jahr als Arzt in Kalifornien arbeitete, erlebte er die Vietnamproteste und den Aufbruch einer ganzen Generation hautnah mit. Das Sediment für den roten Faden hatte sich gesetzt und befruchtete Filme, die das Politische anhand von Schicksalen, egal ob dokumentarisch oder fiktiv, stets am Menschen exemplifizierte. Verhoeven erzählte von Menschen, die ihm nahe standen, verstieg sich ab und an in versponnene Fantastereien und stieß immer wieder auf Fälle schreienden Unrechts.

Michael Verhoevens erstem abendfüllenden politischen Film "O.K.", dem Skandalon der Berlinale 1970, ging der Kurzfilm "Tische" als Vorarbeit voraus - der Verhandlungstisch als Symbol für den bürokratischen Prolog blutigster Kriegsmassaker. Anders als das filmische Pamphlet gegen die Grausamkeiten des Vietnamkriegs war "O.K." aber keine Sentana-Produktion. Und Amerika kam nur noch einmal vor in seinem Schaffen, 2011 in "Zweite Hinrichtung - Amerika und die Todesstrafe".

Ins Gründungsjahr der Sentana fiel auch der Beginn der Auschwitzprozesse. Aber bis sich Verhoeven filmisch dem zwölf Jahre währenden Tausendjährigen Reich zuwandte, vergingen noch weitere 16 Jahre. 1981 drehte er die höchst erfolgreiche "Weiße Rose", 1990 "Das schreckliche Mädchen", 1994/95 "Mutters Courage", eine von zwei Verneigungen vor dem großen ungarischen Theatermann George Tabori. Es folgten "Der unbekannte Soldat" über die Reaktionen auf die Wehrmachtsausstellung, dann "Menschliches Versagen" über die Raubzüge der Nazis gegen die Juden, von denen auch der einfache Mensch auf der Straße gern profitierte.

Zu ihren Produktionen gehören sein Erfolgsfilm "Die weiße Rose" mit Wulf Kessler und Lena Stolze als Hans und Sophie Scholl. (Foto: Sentana)

Der Filmemacher war von Anfang an ein Einzelkämpfer. Er wurde nie zu den Protagonisten des Neuen Deutschen Films gezählt. Das waren andere. Statt der intellektuellen Allüre legte und legt er mit größter Selbstverständlichkeit missionarischen Eifer an den Tag. Bis heute beharkt Michael Verhoeven die deutsche Geschichte und bringt, was freiwillig niemand gern hört, nach wie vor selbst zu den Leuten. Gerade jetzt stellt er wieder einmal seinen Film "Die weiße Rose" in einer Schule vor, diesmal im politisch prekären Sachsen.

Daheim, unter dem Dach der Sentana, brütet er Stoffe aus, sucht nach Finanzierungsmöglichkeiten, die er in den vergangenen Jahren immer häufiger in den Fernsehanstalten findet, beantragt Fördergelder und verfolgt oft jahrelang zäh seine Pläne. Wie bei "Let's Go!", der Geschichte der Münchner Jüdin Laura Waco, einem Projekt, das erst nach zehn Jahren was wurde.

Und auch wenn er sich gern in die Einsamkeit des Schneideraums zurückzieht, so liebt er die Arbeit im Team. Wie einst sein Vater ist Michael Verhoeven ein treuer Mensch, hat in Mario Krebs seinen Drehbuchautor gefunden und besetzt immer wieder gern dieselben Schauspieler, zum Beispiel Friedrich von Thun in tragenden und seinen alten Freund Axel Scholtz in nicht minder wichtigen Nebenrollen. Und natürlich die eigene Ehefrau, Senta Berger. Gemeinsam entwickelten sie mit viel Liebe das kernige Gegenprinzip makelloser Schönheit: "Die schnelle Gerdi", die sich als Taxlerin mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt. Die beiden haben's gut miteinander getroffen - auch mit der Sentana.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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