"Michael" im Kino:Alltag des Bösen

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In seinem Spielfilmdebüt "Michael" beschreibt der österreichische Regisseur Markus Schleinzer einen Kinderschänder. Der Film vermeidet zu Recht jede explizite Darstellung des Monströsen und Unfassbaren - die bloße Schilderung des grausam normalen Alltags ist viel beklemmender.

Susanne Hermanski

Michael geht auf seine Terrasse, um zu rauchen. Er schickt Wolfgang pünktlich um 21 Uhr ins Bett, da ist er gewissenhaft. Vorher kocht er dem Kleinen sein Abendessen. Manchmal macht er Ausflüge mit ihm und hält ihn dabei fest an der Hand.

Das Bild von Vater und Sohn bei einem Ausflug täuscht. Der pädophile Michael (Michael Fuith) hält Wolfgang (David Rauchenberger) gefangen. (Foto: dpa)

Unterscheidet er sich da von den Vätern, die mit ihren Buben durch den Herbstwald spazieren? Wenn er Wolfgang tagsüber allein in dem verriegelten, schallisolierten Keller zurücklässt, dann nie ohne Konserven-Vorrat für einige Tage. Michael ist pädophil. Er markiert sich jedes Mal, wenn er den Jungen sexuell missbraucht, in seinem Kalender mit einem Kreuzchen.

Der österreichische Spielfilmdebütant Markus Schleinzer (bislang Casting Director von Jessica Hausner und Michael Haneke) zeigt den Alltag des Bösen in seiner kleinbürgerlichen Banalität. Er leuchtet es mit Neonlicht aus, taucht es in fahle, graue-gilbe Farben.

Er arbeitet nicht das Monströse heraus. Er versucht nicht, das Unfassbare zu schildern - so gibt es zum Beispiel keine sichtbaren Sexszenen zwischen Michael und seinem Opfer. Ein Kreuzchen, wie gesagt, genügt Schleinzer als Symbol.

Stattdessen zeigt er lieber einen trotzig angestrebten und doch missratenden Akt zwischen Michael und einer Hüttenwirtin, als sich der Versicherungsangestellte mit Kollegen auf einen "ganz normalen" Skiausflug begibt.

Kein Moment der Sympathie für den Täter

Es gibt keinen Moment der Sympathie für den Täter im Film, keinen fadenscheinigen Erklärungsversuch aus dessen schwerer Kindheit heraus oder durch irgendeine andere Psycho-Krücke.

Der Film lässt keinen Zweifel an der Perversität von Michaels Handeln. So testet der einem Spruch aus einem Horrorporno an Wolfgang: "Das hier ist mein Schwanz", sagt er, "und das ist ein Messer. Was soll ich in Dich hineinstecken?" - "Das Messer", antwortet der kleine Junge ohne die Stimme zu erheben.

Schleinzer konzentriert sich aufs Beschreibbare - mit großem Erfolg: Michael lief in Cannes im Wettbewerb, gewann Preise in Wien, Zagreb, Mumbai, Philadelphia, Saarbücken. Markus Schleinzers künftigen Projekten darf man mit Spannung entgegensehen. Und mit Furcht.

© Süddeutsche Zeitung vom 26.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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