Michael Ballhaus im Interview:Sage nie "Oscar"!

Er hat sie alle im Kasten: Michael Ballhaus gilt als weltbester Kameramann. Mit uns spricht er über Scorsese, Nicholson, DiCaprio und das Hollywood von heute.

Susan Vahabzadeh und Fritz Göttler

Scorsese ja oder nein - darauf scheint die Spannungsdramaturgie der Oscar-Nacht am Wochenende hinauszulaufen. Wird der Mann bei seinem sechsten Anlauf endlich als bester Regisseur geehrt, für sein Gangsterstück "The Departed"? Gar nicht auszudenken, in welche Tiefen er stürzen würde, wenn nicht ... "The Departed" ist ein schöner Erfolg für Scorsese geworden, bei der Kritik wie an der Kinokasse.

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Ich sehe was, was du nicht siehst: Weltbester Kameramann Michael Ballhaus im Jahr 2004.

(Foto: Foto: AP)

Weshalb es doch überrascht, wenn man über die Entstehung des Films erzählt bekommt, von Michael Ballhaus, einem der engsten Mitarbeiter und Freunde Scorseses - bei sieben seiner Filme war er der Kameramann. Wird Scorsese - eine grausame Pointe - den langersehnten und verdienten Oscar für einen Film bekommen, der von seinem Star Nicholson usurpiert wurde, an den er dann den Glauben verlor ...

SZ: Wurde bei den Dreharbeiten zu "Departed" denn auch mal geflachst, ob endlich die oscarreife Szene dabei war?

Michael Ballhaus: Ach, das Thema Oscar wird kaum angesprochen - schon die Erwähnung ist kritisch.

SZ: Und ist der Name Eastwood in diesem Zusammenhang mal gefallen?

Ballhaus: Klar, das steht im Raum: Clint Eastwood kriegt immer einen... der schon wieder. Martin Scorsese ist eben New York und Clint Eastwood ist Hollywood, das ist der Unterschied. Ich bin auch nicht ganz sicher, dass es diesmal wirklich klappt. Da gibt es immerhin "Babel", der hat sieben Nominierungen bekommen, "Departed" nur vier.

Es gibt sehr viele Filme, die eher auf der Schiene der Academy liegen. Ich hoffe inständig, dass er ihn diesmal bekommt, Scorsese ist nach fünf Nominierungen einfach reif, und er ist einer der besten Regisseure der Welt. Aber der Film ist nun mal sehr gewalttätig, und wenn die Academy-Mitglieder 120 Mal das Wort fuck hören ... Hingehen werde ich sowieso nicht, das tue ich nur, wenn ich nominiert bin. Das ist doch vor dem Fernseher viel witziger!

SZ: Bei den Schauspielern ist Mark Wahlberg nominiert, nicht aber der ewige Sieger Jack Nicholson. Nicholson und Scorsese, das klang ja schon bei der Ankündigung nach einer gefährlichen Mischung - zwei unglaublich starke Persönlichkeiten. Nicholson dominiert ja die Filme, die er macht, sehr stark ... Wie war das denn bei "The Departed"?

Ballhaus: So ganz kann ich es mir immer noch nicht erklären. Es war so: Bob De Niro hat Martin Scorsese gebeten, den Film drei Monate vorzuziehen, weil er Matt Damon wollte für seinen Film "The Good Shepherd". Und weil Marty Bob nichts abschlagen kann, wurde es so gemacht.

Er war deshalb nicht so gut vorbereitet wie sonst - und hatte das Gefühl, dem Drehbuch fehlte noch irgendwas. Er bat also, was er oft tut, seine Schauspieler, von sich aus Einfälle und Änderungswünsche einzubringen. Das wird von denen gewöhnlich eher gelegentlich wahrgenommen. Nicholson verstand das offenbar ganz anders - er hatte das Gefühl, er sollte das Drehbuch umschreiben.

SZ: Er hat ja auch mal als Drehbuchautor angefangen ...

Ballhaus: Und hat auch mehrfach Regie geführt. Das Resultat war, dass Nicholsons Szenen größer wurden und die von anderen wegfielen, und dass er eine neue Figur erfand, diese Freundin - die gab es nicht, die gehört da nicht rein. Es gab Szenen, die nichts mit dem Film zu tun hatten, an der Grenze zur Pornographie waren. Die Szene im Kino etwa, wenn er mit dem Dildo kommt, das sind Erfindungen von Jack. Marty hat auch aufgegeben, ihn zu inszenieren.

Jack hat, für die 24 Tage, die er am Set war, diesen Film übernommen. Das war ganz anders bei dem Film, den er mit Nancy Meyers machte, "Something's Gotta Give", bei dem ich auch Kamera machte. Nancy Meyers war knallhart - die hätte jeden Versuch, ihre Kompetenz anzutasten, bestraft, und wenn sie zwanzig Takes wollte, hat Jack zwanzig Takes gemacht.

SZ: Hat das Ihre Arbeit beeinflusst? Mussten Sie umdenken, umbauen?

Ballhaus: Ja, aber das ist zwischen Marty und mir eine eingespielte Sache. Wir waren einfach diesen Stil nicht gewöhnt. Es hat mich deprimiert, dass mein Idol Martin Scorsese in dieser Situation war. Für ihn ist Nicholson ein Idol.

SZ: Und die anderen Schauspieler?

Ballhaus: Vor allem Leonardo DiCaprio war davon betroffen, den Nicholson in jeder Szene versuchte an die Wand zu spielen. Mit allen Mitteln. Wenn man in einer Szene ohne Vorbereitung eine Pistole an den Kopf gesetzt kriegt und auf neuen Dialog reagieren muss - das ist abenteuerlich. Aber Leonardo blieb Gottseidank absolut cool, und diese Exzesse sind ja rausgeschnitten.

SZ: Klingt nicht nach einer besonders schönen Erfahrung ... Schwierigkeiten am Set sind sie ja aber gewohnt, sie haben lange mit Fassbinder gearbeitet, der für seine Spielchen berüchtigt war. Beim Großprojekt "Berlin Alexanderplatz" endet diese Zusammenarbeit plötzlich. Waren Sie denn nicht dafür im Gespräch?

Ballhaus: Im Gespräch ist milde ausgedrückt, ich hatte einen Vertrag: Weil auch der WDR es gut fand, wenn ich dabei wäre - es war ja bereits öfter passiert, dass Fassbinder mal nicht erschien zum Dreh, und wir trotzdem drehten, ohne ihn. Aber wir waren eine eingeschworene Gruppe und wussten, was er wollte, die Schauspieler wussten es, ich sowieso. Wir haben also gedreht, er hat sich die Muster angeschaut und hat gesagt: ist okay.

Deshalb haben die beim WDR gedacht, wenn der Ballhaus das macht, ist es nicht so schlimm, dann haben wir Zeit, einen Puffer, um notfalls den nächsten Regisseur zu engagieren, wenn Fassbinder ausfallen sollte ... Ich kam nach Berlin, um mit ihm Motive zu besichtigen, und hatte mal wieder den Fehler gemacht, mit einem anderen Regisseur zu drehen. Das hat er mir übelgenommen, er war dann immer eifersüchtig.

Er pflegte also nicht mit mir selbst zu reden, sondern sagte seinem Assistenten: Sag doch mal dem Kameramann ... Das war dann doch etwas komisch, nach neun Jahren Zusammenarbeit. Als das immer so weiterging, kam der Punkt, da war mir das einfach zu viel. Diese Beziehung war zu Ende. Vielleicht hat er das auch provoziert. Es war aber richtig für mich und vielleicht auch richtig für Fassbinder.

SZ: Sie gingen Anfang der Achtziger nach Hollywood. Hat sich die Arbeit dort seither verändert, macht es noch Spaß?

Ballhaus: Bedingt, würde ich sagen. Es ist sehr viel kommerzieller geworden. Viele Projekte sind kaum mehr möglich, es sei denn, man kriegt zwei Stars dafür, und Filme werden nicht mehr vom Regisseur besetzt, sondern vom Studio. Nicholson ist keine Idee von Scorsese gewesen. Bei Robert Redfords "Legend of Bagger Vance" hing der Film davon ab, ob der Star unterschreibt, Will Smith - und Redford fühlte sich irgendwie erniedrigt, dass er darauf warten musste. Das hat es früher nicht gegeben in Hollywood. Die Luft ist dünner geworden.

Ich jedenfalls möchte jetzt aufhören. Es ist genug, ich bin auch ein wenig amerikamüde. Dieser Bush ist so grauenvoll. Ich habe hier in Deutschland ein Projekt über Vivaldi, das habe ich mit Peter Schneider entwickelt, Schlöndorff will es inszenieren, und ich werde die Kamera machen. Ans Regieführen denke ich im Moment nicht mehr. Ich bin kein frustrierter Kameramann, der lieber Regisseur wäre - ich habe mit so vielen Film-Koryphäen gearbeitet, so gut wie die kann ich gar nicht sein.

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