Zum 80. Geburtstag von Michael Ballhaus:Der Mann, der Hollywood den Drive brachte

Michael Ballhaus und Jack Nicholson

Das direkte Beobachten der Schauspieler ging Michael Ballhaus (links, hier mit Jack Nicholson) in Fleisch und Blut über.

(Foto: dpa)

Um ihn rissen sich Regisseure wie Rainer Werner Fassbinder und Martin Scorsese. Ein Geburtstagsgruß an den Star-Kameramann Michael Ballhaus, der sogar ein Stückchen von Hollywood erobert hat.

Von Susan Vahabzadeh

Das Kino hat nur wenige deutsche Weltstars hervorgebracht - und nur ganz wenige Kameraleute, die richtig berühmt geworden sind mit ihrer Arbeit. Michael Ballhaus ist so eine Art Star-Kameramann geworden, das darf man also mit Recht als Alleinstellungsmerkmal bezeichnen.

Vor allem die 360-Grad-Fahrt, mit der er seine Protagonisten mehr als einmal umrundete, ist zu seiner Signatur geworden. Das war, als die Bilder Hollywoods noch zu uns sprachen; was sie heute zu sagen haben, geht oft unter, übertönt von schrillen Effekten, die am Computer entstanden sind sowie immer schnelleren Schnitten. Michael Ballhaus' Fahrten brauchen Zeit; sie lassen Emotionen aus Bewegung entstehen.

Vom Fotograf zum Chefkameraman

Ballhaus wuchs sozusagen in dem Theater auf, das die Eltern in Franken auf dem Land betrieben, heftete die Augen aufs Geschehen. Das direkte Beobachten der Schauspieler ging ihm in Fleisch und Blut über. Bis er dann begann, über den Umweg der Kamera zu beobachten, er machte eine Ausbildung als Fotograf und ging, 1960 schon, als Kameramann zum noch jungen Fernsehen. Er wurde sogar Chefkameramann beim Südwestfunk.

Das Kino war also erst der zweite Anlauf. Ballhaus, geboren am 5. August 1935, war einige Jahre älter als die jungen wilden Regisseure, die bald das Kino zum Neuen Deutschen Film aufmischen sollten. Und das war vielleicht ganz gut so. Als Ballhaus 1970 "Whity" machte, mit Rainer Werner Fassbinder, war er derjenige, der mehr verstand vom Geschäft. Und so kam es, dass sie beide die Filme prägten, die sie zusammen machten für den Rest des Jahrzehnts.

Sein Drive sprach sich rum - sogar in Amerika

Den Kreis hat Ballhaus das erste Mal verwendet, als sich in Fassbinders "Martha" Margit Carstensen und Karlheinz Böhm in Rom begegnen. Man kann übrigens kleinlich behaupten, es habe ja vorher schon einen vollständigen Kreis gegeben - um Anouk Aimée und Jean-Louis Trintignant herum, in der letzten Szene von "Ein Mann und eine Frau" (1966).

Das stimmt zwar, aber dieser Kreis ist anders, weil die beiden sich starr in den Armen liegen. Ballhaus schaut den Dingen gerne beim Entstehen zu. Carstensen und Böhm erleben ihren Schicksalsmoment in der Bewegung, Ballhaus fährt um sie herum, während sie aneinander vorbeilaufen und ihre Blicke sich treffen.

Es sprach sich bald herum, sogar in Amerika, dass dieser Mann aus Deutschland seinen Bildern einen ungewöhnlichen Drive gab, und so hat Ballhaus dann nach dem deutschen Fernsehen und dem Neuen Deutschen Film auch noch ein Stückchen von Hollywood erobert, wo man die Kameramänner, mit mehr Respekt als bei uns, Director of Photography nennt.

Martin Scorsese holte ihn ins Team

Michael Ballhaus mit seiner zweiten Ehefrau, Regisseurin Sherry Hormann.

Michael Ballhaus mit seiner zweiten Ehefrau, Regisseurin Sherry Hormann, im Jahre 2012.

(Foto: dpa)

Den berühmtesten seiner "Ballhaus circles" vollführte er um Michelle Pfeiffer herum, die sich auf dem Klavier rekelt, in Steve Kloves' "Die fabelhaften Baker Boys" (1989). Die großartigsten Filme machte er aber, als ihn Martin Scorsese in sein Team holte, für "Die Zeit nach Mitternacht" (1985).

Sie drehten zusammen "Goodfellas", "Zeit der Unschuld", "Die Farbe des Geldes", "Die letzte Versuchung Christi" und "Gangs of New York". Für letzteren zeigte Scorsese Ballhaus Rembrandt-Drucke, um ihm zu erklären, was für einen Look, was für ein Licht er sich wünscht für diesen Film über die wüsten Haudegen, die im 19. Jahrhundert in ihren Machtkämpfen festlegten, wie der Moloch einmal funktionieren würde.

Die Zusammenarbeit mit Martin Scorsese beendete Ballhaus 2006, nach der Arbeit an "The Departed" mit Leonardo DiCaprio und Jack Nicholson. Nicht, weil er sich mit "Marty" zerstritten hätte - eher schon aus Solidarität. Ballhaus' Augenlicht ließ nach, gleichzeitig veränderte sich Hollywood, bis die Bilder eine andere Sprache sprachen und Scorseses Meinung nicht mehr viel galt.

Fassbinder war eifersüchtig, wenn Ballhaus mit anderen Regisseuren drehte

Seinem Frust und seiner Lust am Kino hat er im vergangenen Jahr in dem Buch "Bilder im Kopf" Luft gemacht. Der sanfte Herr Ballhaus mit seiner edlen Aura, der immer etwas von einem sehr altmodischen Gentleman hat, erzählt darin wunderbare Geschichten übers Filmemachen und über die Menschen, mit denen er sie machte - Scorsese, Volker Schlöndorff, Robert Redford. Nur mit Fassbinder ist nicht einmal er ausgekommen, zumindest nicht bis zum Schluss.

Wie es zum Bruch kam während der Vorbereitung zu "Berlin Alexanderplatz", hat Ballhaus vor einigen Jahren im SZ-Interview erzählt: "Ich kam nach Berlin, um mit ihm Motive zu besichtigen und hatte mal wieder den Fehler gemacht, mit einem anderen Regisseur zu drehen. Das hat er mir übel genommen, er war dann immer eifersüchtig. Er pflegte also nicht mit mir selbst zu reden, sondern sagte seinem Assistenten: Sag doch mal dem Kameramann . . . Das war dann doch etwas komisch, nach neun Jahren Zusammenarbeit. Als das immer so weiterging, kam der Punkt, da war mir das einfach zu viel. Diese Beziehung war zu Ende."

Es ist immer ein bisschen schade, wenn eine so fruchtbare Verbindung in die Brüche geht - Ballhaus aber hat es nicht geschadet; das mit dem Weltruhm wäre ihm nämlich sonst gar nicht passiert.

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