Süddeutsche Zeitung

Metoo-Debatte:Schauspielerinnen werfen Dieter Wedel sexuelle Übergriffe vor

  • Mehrere Schauspielerinnen werfen dem Fernsehregisseur Dieter Wedel vor, sie sexuell belästigt zu haben.
  • Sein Name ist der erste, der im Zuge der Metoo-Debatte in Deutschland genannt wurde.
  • Dass sexuelle Belästigung auch in Deutschland Teil der Realität im Filmgeschäft ist, hatten Frauen schon zuvor berichtet, die betreffenden Täter blieben bislang aber anonym.

Nun ist es also doch passiert: Ein Name wurde genannt. Nach all den Erzählungen über sexuelle Belästigung, die es auch in Deutschland gab - von deutschen Schauspielerinnen, über Kollegen oder Vorgesetzte - ist er der erste, mit dem solche Vorwürfe ein Gesicht und einen Namen bekommen. Von Frauen, die nicht anonym sprechen. Im Magazin der Wochenzeitung Die Zeit erheben Frauen zum Teil schwere Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen den Fernsehregisseur Dieter Wedel.

Was zwei Frauen über Begegnungen mit Wedel erzählen, klingt erschreckend ähnlich wie die Geschichten, die im vergangenen Herbst über den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein bekannt wurden - bis zum Detail des Bademantels, in dem er junge Schauspielerinnen in seinem Hotelzimmer empfing. Die ehemalige Schauspielerin Jany Tempel sagt, Wedel habe sie 1996 in einem Hotelzimmer in München im Bademantel zu einem Vorstellungstermin empfangen. "Er hat mich mit Wucht gepackt und gegen die Wand gepresst." Sie habe "bitte nicht" gerufen, aber er habe sie aufs Bett geworfen und zum Geschlechtsverkehr gezwungen.

In einer schriftlichen Stellungnahme, die der Regisseur dem Zeit-Magazin gab, bestreitet er diesen Vorwurf. Er könne ausschließen, dass er diese Frau oder eine andere Schauspielerin für ein Vorsprechen im Bademantel empfangen habe. Dieser Frau gegenüber "war ich definitiv nie gewalttätig, ich habe sie nicht 'gepackt', 'an die Wand gepresst' und auch nicht 'mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr' gezwungen", sagt Wedel. Er habe Jany Tempel gemocht und "auch eine kurze Affäre mit ihr gehabt".

"Ich bekam große Angst und wehrte mich mit aller Kraft"

Eine weitere ehemalige Schauspielerin, Patricia Thielemann, berichtet, dass Dieter Wedel sie 1991 zu einem Vorsprechen für seinen Film "Der große Bellheim" in ein Bremer Hotelzimmer gebeten habe. Als sie dort ankam habe er sie ohne Vorwarnung bedrängt, ihre Bluse aufgerissen und versucht, sie rückwärts auf die Couch zu werfen. Sie habe sich gewehrt und ihn angeschrien. Da habe ihr Wedel den Hals zugedrückt. "Ich bekam große Angst und wehrte mich mit aller Kraft", sagt Thielemann. Es sei ihr aber schließlich gelungen, sich Wedel zu entziehen.

Gegenüber dem Zeit-Magazin weist der Regisseur auch diesen Vorwurf zurück. Er schließe aus, dass er Patricia Thielemann in sein Hotelzimmer gebeten habe, sich auf sie gestürzt, ihr die Bluse zerrissen und sie auf die Couch geworfen habe. Er sei ihr nie an die Gurgel gegangen oder habe sonst in irgendeiner Form Gewalt gegen sie verübt.

Auch andere Verhaltensweisen, die ehemalige Mitarbeiter Dieter Wedel zuschreiben, erinnern an Harvey Weinstein: Ein Kameramann und ein weiteres führendes Teammitglied erinnern sich, dass Dieter Wedel bei den Dreharbeiten zur "Affäre Semmeling" Anfang der 2000er Jahre eine Schauspielerin vor der gesamten Crew angebrüllt und bei den Dreharbeiten, die mehrere Monate dauerten, unter Druck gesetzt habe. Diese Schauspielerin habe ihnen damals erzählt, dass sie zuvor Wedels sexuelle Annäherungsversuche abgewehrt habe. "Die Schauspielerin, die nicht mit ihm schlafen wollte, hat er fertiggemacht", sagt der Kameramann. Die Frau selbst bestätigt diesen Vorfall.

Wedel schreibt zu diesem Vorwurf, er sei oftmals laut gewesen und habe sein Unverständnis, etwa wenn Schauspieler ihre Rollen nicht hinreichend beherrschten und nur schlecht vorbereitet oder ihm nicht ausreichend begabt erschienen, auch grob zum Ausdruck gebracht. "Unzutreffend ist aber, dass derartige Handlungen im Zusammenhang mit sexuellen Forderungen oder Avancen Frauen gegenüber standen."

Die Bad Hersfelder Festspiele, deren Intendant Wedel seit 2015 ist, wenden sich zumindest jetzt noch nicht von ihrem Chef ab. Auf der Webseite des jährlich im Sommer stattfindenden Theaterfestivals wurde am Mittwoch eine Stellungnahme von Wedels Anwalt Michael Philippi von der Hamburger Medienrechtskanzlei Unverzagt von Have veröffentlicht. Darin dementiert der Anwalt im Namen seines Mandanten die Anschuldigungen.

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