Messe:Jenseits des Golds

Ab heute trifft sich die Kunstwelt wieder auf der Tefaf in Maastricht, dem weltweit wichtigsten Markt für Alte Kunst. Ein erster Besuch bei den Ständen der deutschen Händler.

Von Dorothea Baumer

Messe: Diese Tafelbilder von den heiligen Rittern Georg und Moritz wurden um 1520 gemalt vom Meister des Moritzburger Altars. Sie stammen aus der Kapelle des königlichen Jagdschlosses in Moritzburg bei Dresden und gehören zu den Höhepunkten am Stand von Rudigier.

Diese Tafelbilder von den heiligen Rittern Georg und Moritz wurden um 1520 gemalt vom Meister des Moritzburger Altars. Sie stammen aus der Kapelle des königlichen Jagdschlosses in Moritzburg bei Dresden und gehören zu den Höhepunkten am Stand von Rudigier.

(Foto: Rudigier)

Wer zur Tefaf in Maastricht reist, hat Erwartungen jenseits des Üblichen. Dieser Messe geht seit Jahren der Ruf voraus, die weltweit schönste und beste ihrer Art zu sein. Tatsächlich ist die Pracht ihres Angebots unvergleichlich. Maastricht ist nach wie vor der Maßstab, an dem sich alle anderen messen.

Für Aussteller wie Peter Mühlbauer bedeutet das "jedes Jahr eine immense Anstrengung", aber, so ergänzt er, "wenn man vorne dabei sein will, ist Maastricht unumgänglich." Peter Mühlbauer aus dem niederbayerischen Pocking ist einer der zwölf süddeutschen Aussteller, die in der Tefaf-Sektion Antiquitäten eine der stärksten Händlergruppen stellen, und die der Kunstkammer-Spezialist Georg Laue, seit dem vergangenen Jahr ein Mitglied des Tefaf-Boards, ohne zu zögern einen "Leuchtturm" nennt.

Wer bei einem ersten Rundgang am heutigen Eröffnungstag ihre Präsentationen etwas näher in Augenschein nimmt, dürfte denn auch staunen, mit welchen kunst- und kulturhistorischen Raritäten sie aufwarten können, bei einem Spektrum, das von mittelalterlichen Objekten bis ins 20. Jahrhundert reicht.

Besonders schätzen die Händler die Museumsabordnungen mit ihren kauffreudigen Sponsoren

Nun hält auch diese Tefaf inzwischen alljährlich strikte Verjüngungs- und Modernisierungsbestrebungen für angezeigt und hat sich deshalb diesmal eine "Neujustierung" hin zu mehr Zeitgenössischem verordnet, was allerdings wenig daran ändert, dass dieses Weltforum seine Basis entschieden in der Alten Kunst hat, wenn auch wohl nicht mehr vorrangig in der einstmaligen Königsdisziplin der Altmeistergemälde.

Antiquitäten, Gemälde und Zeichnungen, dazu die bestens besetzten Antiken, zunehmend gewichtigeres Design und die jüngste Sparte Tribal Art bilden das überwältigende Gros des Angebots. In aktuellen Zahlen heißt das: 7000 Jahre Kunstgeschichte, vergegenwärtigt in 35 000 Objekten, präsentiert von 279 Händlern aus 20 Ländern, darunter 38 Neuausstellern. Dem stehen nicht wenige Topsammler gegenüber, die in Maastricht das Außergewöhnliche, ja Einzigartige erwarten, und eben auch bereit sind, dafür Preise zu bezahlen wie nirgends sonst.

Da sind die vielen Museumsleute, Kuratoren und Restauratoren, die sich einen Überblick über den Markt verschaffen. Und da sind die hoch geschätzten Museumsabordnungen mit ihren kauffreudigen Sponsoren aus Übersee, vom New Yorker Metropolitan Museum, der National Gallery in Washington, den Museen von Chicago, Houston, Minneapolis, um nur einige zu nennen. Der Wettbewerb unter den Händlern ist entsprechend stark, dass sie ihr Bestes präsentieren, naheliegend.

Bei Blumka Gallery und Julius Böhler, dem von New York und Starnberg aus operierenden Ausstellungsteam, sind es die erlesenen Formen des Kunsthandwerks vom Mittelalter bis ins 17. und 18. Jahrhundert, die Kenner in ihre Koje locken. Einiger Risikobereitschaft verdankt sich eines ihrer Highlights: ein mit außerordentlich kühnem Temperament modelliertes Engelspaar. Die Händler erwarben es dick vergoldet als "Italienisch 18. Jh." in einer Auktion. Doch nachdem sie die Gold- und Farbschichten freilegten, erwies es sich, wie eine sorgfältig dokumentierte Recherche bestätigte, als ein Werk des großen Hans Leinberger. Es ist 1515 entstanden, also zeitgleich mit dessen Moosburger Altar, seinem Hauptwerk. Eine Million Euro soll es denn auch kosten.

Händler wissen um die Gier der Sammler und legen ihre Köder schon vor der Messe als Newsletter oder Katalog aus. So findet manches groß angekündigte Objekt gar nicht erst den Weg in die niederländische Provinz. Senger aus Bamberg ging es so mit einer seltenen Figur des Heiligen Simon aus der Werkstatt von Erasmus Grasser, was nun die Aufmerksamkeit umso mehr auf den Reigen spätgotischer weiblicher Heiligen lenkt, insbesondere auf eine im Umkreis des Jörg Lederer entstandene Maria Magdalena mit alter Fassung, die mit mit 85 000 Euro ausgezeichnet ist.

In einer Sonderschau stellen sich erstmals die Dresdner Kunstsammlungen vor

Wie man das ganz große Staunen erregt, ist wie immer am Stand der Kunstkammer Georg Laue zu erfahren, der historischen und künstlerischen Exquisitheit wegen, die seine Stücke auszeichnet. Wahre Wunderwerke sind darunter: das atemberaubend virtuose Prunkschloss eines Lyoner Schmiedemeisters um 1720, barocke Drechselkunststücke aus einer herzoglichen Kunstkammer und mehr noch, die exotische Schönheit eines Nautiluspokals mit schwedischer Silbermontierung königlicher Provenienz um 1670, dessen Gegenstück im Stockholmer Nationalmuseum aufbewahrt wird (450 000 Euro).

Bei Peter Mühlbauer, der als Generalist über Möbel wie Gemälde verfügt, ist es der schillernde Solitär einer Renaissanceschatulle, der ins Auge fällt. In Venedig um 1600 mit den üppigsten Intarsien aus Perlmutt und Elfenbein versehen, einst im Besitz des Kardinals Carlo Conti, jetzt für 145 000 Euro zu haben. Besonders eindrucksvoll zeugt von dieser Welt jenseits der Bilder auch die opulente Ausstellung früher Meißner Porzellane bei Röbbig und die Tafeln höfischen Silbers bei Helga Matzke.

In einer Sonderschau der Messe stellen sich in diesem Jahr mit prominenten Exponaten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vor. Die Kunsthandlung Rudigier hat dies dazu veranlasst, das Thema ihrerseits aufzunehmen und drei herausragende Dresdner Bildnisse zu zeigen, darunter das repräsentative, annähernd lebensgroße Renaissanceporträt der Magdalena Sibylla von Sachsen, verheiratet mit Kurfürst Johann Georg I., aus der Hand eines zeitgenössischen Hofmalers um 1617. Das Paar war berühmt für seine modisch-elaborierte Kleidung, wie auch auf dem Gemälde der Wettinerin unschwer zu erkennen. Es dürfte Modehistoriker entzücken.

Wie sehr sich in der Malerei das Interesse von den Alten Meistern ins 19. Jahrhundert verlagert hat, zeigten schon die letzten Tefaf-Ausgaben. Mit seinem Fokus auf ungezwungen-frische Ölstudien europäischer Künstler eröffnet Daxer & Marschall jeweils ein besonders attraktives Feld. Nun ist ihm eine exzellente Sammlung romantischer Landschaften anvertraut worden, die Sammlung des Amerikaners Asbjorn Lunde, mit wunderbaren Ansichten aus Norwegen, der Schweiz, dazu Dresdner Szenen von Johan Christian Dahl und seinem begabtesten Schüler Thomas Fearnley (Preise von 15 000 bis 260 000 Euro).

Was die Moderne anbelangt, so zählt die Galerie Thomas seit vielen Jahren zu den verlässlichsten Vermittlern. Sie ist mit einem hochkarätigen Programm angereist. Expressionistische Landschaften von Erich Heckel und Emil Nolde von 1909 und 1910, den besten Brücke-Jahren, und ein wichtiges Schlemmer-Bild aus dem "Silberfries" von 1931 zählen dazu. Wiederzuentdecken ist die Kunst des Kubaners Wifredo Lam, der mit einem starken Gemälde aus den Sechzigerjahren vertreten ist, das knapp zwei Millionen kostet.

Für den "kleineren" Einstieg in die Expressionisten-Welt gibt es Zeichnungen und Aquarelle bei Arnoldi-Livie, darunter flott Hingeworfenes wie eine Badeszene von Ernst Ludwig Kirchners für 58 000 Euro. Fürs Zeitgenössische zeigen sich dann eher die Kollegen aus Berlin, Düsseldorf und Köln zuständig.

Der Messebericht erscheint am kommenden Samstag.

Tefaf. MECC, Maastricht. Bis 24. März.

7000 Jahre

Kunstgeschichte, vergegenwärtigt in 35 000 Objekten, präsentiert von 279 Händlern aus 20 Ländern: Das ist die Tefaf. Antiquitäten, Gemälde, Zeichnungen und Antiken bilden das Gros des Angebots. In den letzten Jahren hat sich die Messe aber mit einem breiteren Angebot aus Moderne und Zeitgenössischem zu verjüngen versucht.

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