"ArtMuc":Die Kunst des Events

Lesezeit: 3 Min.

Gitarrenspieler? Lautenspieler? Oder ganz was anderes? "Edition 99+3EA" heißt das Kunstwerk. (Foto: ArtMuc)

Kommerzielle Schau oder Kulturförderung? Die "ArtMuc" auf der Münchner Praterinsel ist beides.

Von Karl Forster, München

Die Halle war rappelvoll. Kunst hing an Kunst, dicht gedrängt. Kubistisches neben Fotografie, dreidimensionaler Wandschmuck vis à vis von tiefblauen Cyanotypien, Streetart unweit von Picasso-Apologeten und Basquiat-Nachfolgern. Wunderbar.

Nur der Kaffee im Pappbecher schmeckte scheußlich, und draußen auf der Raucher-Terrasse störte das laute Quietschen der Kölner Regionalbahnen. Die "Kölner Liste" ist eine der erfolgreichsten neuen Ausstellungen in der Kunststadt am Rhein, im Schatten der "Art Cologne" in der XPost am Gladbacher Weg im hippen Stadtteil Nippes.

Mehr Messe als Schau, gekauft wird wie verrückt. Junges Publikum, viele Galeristen, selbstbewusste Künstler. Ein Pendant also zur "ArtMuc", der großen Kunstsause auf der Münchner Praterinsel, die nun zum vierten Mal stattfindet. Mit zwei Unterschieden zu Köln: Das Venue an der Isar wirkt wesentlich pompöser. Und die Diskussion über die Beziehung zwischen Geld und Kunst ist in München lauter. Und - mit Verlaub - deutlich dümmer.

Es ist vielleicht ein Indiz dafür, warum München sich so hart tut als Stadt der Kunst in Konkurrenz zu Köln oder Berlin. Dass man hierorts zwar edelste und teuerste Galerien pflegt, dass aber der oft recht hochnäsig geführte Diskurs, wie kommerziell Kunst denn eigentlich sein dürfe, junger Kunst mehr schadet als nützt.

Als dann 2009 die Brüder Marco und Raiko Schwalbe - Wahlmünchner aus Berlin, da schrillen doch alle Alarmglocken - nach einem Testlauf mit der "Obacht" in den Postgaragen an der Deroystraße und nachdem sie auch die Kunstmesse "Stroke Art Fair" ins Leben riefen und damit ebenfalls erfolgreich waren, rümpfte man vor allem feuilleton- und galeristenseits die Nasen ob solcher pseudokultureller Abzock-Events. Dann kam 2014 die erste "ArtMuc", damals schon mit dem Zusatz "spannende Kunst, die man sich leisten kann", und trug weiters zur Verstörung des etablierten Kulturbetriebs bei.

Doch offenbar hat Raiko Schwalbe, der die "ArtMuc" mit einem Team organisiert, einen Nerv bei jenen getroffen, denen die Argumente und Selbsteinschätzungen der Kunstbetriebherrschenden hierzulande egal sind: beim Publikum.

Längst jedenfalls ist die "ArtMuc" mehr als nur eine Leistungsschau Kunstschaffender aus fern und vor allem nah. Wenn jemals das schreckliche Wort Event seinen Sinn gefunden hat, dann hier für die paar Tage auf der Praterinsel, wo in diesem Jahr gar noch eine Zwillingsveranstaltung im Oktober stattfinden wird. Von diesem Donnerstag an bis Sonntag präsentieren nun gut 90 Künstler und 20 Galerien wieder "aktuelle Positionen junger Kunst, die man sich leisten kann".

Man ist stolz darauf, dass diesmal auf der Provenienzliste noch mehr europäische Staaten auftauchen, dass sich mit fünf sogenannten Förderkojen aber auch Münchens Institutionen wie etwa Kulturreferat oder der Kunstpreis "Zwei:Eins" (in diesem Netzwerk sind von der Akademie bis zum Hypo-Kulturstiftung diverse Etablierte der Szene versammelt) und den Domagkateliers auf der Praterinsel einmischen.

Nun darf man davon ausgehen, dass nicht allein die Sehnsucht nach guter Kunst (was ist das eigentlich?) den Veranstalter zu seinem Tun gedrängt hat und weiter drängt. Natürlich ist die "ArtMuc" eine kommerzielle Schau, dazu tragen die von einer Jury aus 500 Bewerbern ausgewählten Künstler selber mit einem Scherflein bei, weil sie für ihre recht dicht gestellten Kojen je nach Größe 500 bis 600 Euro berappen müssen. Wer aber sagt, solch ein Veranstalter sei doch mehr Raffke als Kunstverständiger, möge bedenken, dass auch Galeristen von ihren Künstlern leben und oft gewaltige Prozentbeträge beim Verkauf derer Werke für sich beanspruchen.

Die Verlogenheit des Arguments, Künstler hätten von Haus aus arm zu sein und ihr Schaffen am besten zu verschenken, zeigt sich spätestens beim Blick nach Basel, wo schon die Standgebühren mittlerweile so hoch sind, dass selbst alteingesessene Galeristen zurückzucken und bestenfalls als Besucher in die Nordschweiz fahren.

Raiko Schwalbe jedenfalls versteht sich als kunstfördernder Veranstalter, der die "sechsstelligen Kosten" der "ArtMuc"-Organisation mit den Platzmieten der Künstler und zwölf Euro Eintritt zu decken versucht. Und wenn dabei was übrig bleibt, trifft der etwas aus der Mode geratene Begriff der "Win-Win-Situation" die Sache wohl recht gut. Auch dass der neue Eigentümer der Praterinsel, die Käfer-Service-GmbH, die Platzmiete nicht erhöht hat, ist für Schwalbe ein Zeichen der Akzeptanz, welches die Zukunftsplanung erleichtert.

Dieser Eigentümer profitiert ja auch vom "ArtMuc"-Betrieb, weil er das Catering organisiert. Und deswegen schmeckt der Kaffee, mit Verlaub, deutlich besser als bei der Kölner Liste.

ArtMuc , Do., 25., bis So., 28. Mai, Praterinsel

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: