Mensch & Tier:Schwerarbeiter und Entspannungsvirtuosen

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Der Tierpfleger Bodo Förster empfiehlt in seinem Lebensbericht den Menschen das Leben mit Elefanten.

Von Holger Gertz

Wenn Bodo Förster aus seinem Leben erzählt, tut er das in einer sehr zupackenden, direkten Art. Der Mann ist 1962 in Saalfeld/Saale zur Welt gekommen, Mutter Lehrerin, Vater Metallbauingenieur, er wurde (mit Erfolg offenbar) von klein auf dazu ermuntert, seine Meinung nicht für sich zu behalten, im schnoddrigen Sound des Unangepassten berichtet er also und bekommt sogar bei Floskeln im allerletzten Moment noch die Kurve. "Elefanten wurden mir nicht in die Wiege gelegt - welche Wiege hielte das auch aus?"

Womit das Lebensthema des Tierpflegers Förster gesetzt wäre. Elefanten. Zu sagen, sie wären seine Lieblingstiere hieße, das Ausmaß der Leidenschaft nur anzudeuten. Es geht tiefer. "Ein Leben für die Elefanten" heißt mit aller Berechtigung seine soeben erschienene Biografie - verfasst hat er sie mit Bernd Linnhoff, einem früheren Sportjournalisten, der jetzt von Thailand aus reist und schreibt und bloggt. Elefanten wurden dem Titelhelden Förster nicht in die Wiege gelegt, und sogar als er in DDR-Zeiten im Ostberliner Tierpark Friedrichsfelde anfing, musste er erst noch einen Umweg nehmen, aber dann war er angekommen: "Ich bekam eine Anstellung im Futterstall. Fünf Monate lang bereitete ich Körner für die Vögel vor und Heu für die Rinder. Aber jede freie Minute war ich bei den Elefanten."

Die, um die er sich zu kümmern hatte, hießen Astra und Frosja, zwei Kühe aus der Sozialistischen Republik Vietnam, die über Moskau in den Ostberliner Zoo gekommen waren. Es herrschte Zucht und Ordnung damals, der Elefant musste unter Appell stehen, er sollte eins zu eins umsetzen, was der Mensch vorgab. Einmal schrie eine Tierparkbesucherin: "Ihr schlagt ja den Elefanten" und zeigte Förster an, wegen Tierquälerei. 1991 war das, sozusagen ein glücklicher Zeitpunkt, um noch was zu ändern. Die Mauer war gefallen, die Welt war jetzt offen. Der Elefantenpfleger Förster spürte, dass er eigentlich nicht genug wusste von Elefanten. Er wurde, wie andere Menschen, die hinterm eisernen Vorhang gelebt hatten, zum Traveller, aber nur wenige der neuen Weltreisenden dachten bei der Planung ihrer Routen an Elefanten. Bodo Förster dachte immer an Elefanten. "Ich wusste: Ich muss dahin gehen, wo die Elefanten leben, nach Asien."

"Elefanten zu beschäftigen ist besser, als sie beschäftigungslos herumstehen zu lassen."

Er legte sich einen Satz zurecht: "I am Bodo from East Germany and I want to ride elephants." Und so kam es dann auch. Förster ließ sich in Thailand zum Mahoud ausbilden, zum Elefantenführer, bald gründete er ein Elefantencamp. Es klappte nicht sofort, er musste vorübergehend auch mal zurück nach Deutschland, aber es zog ihn immer wieder zu den Elefanten. In Mae Sapok, eine Autostunde von Chiang Mai entfernt, ist inzwischen sein Refugium entstanden und gewachsen, eine wahre Elefantenherde hat er zusammengebracht, derzeit sind es 13 Tiere, sechs sind gemietet, die anderen gehören der projektgebundenen Stiftung.

In seinem Unternehmen "Elephant Special Tours"dürfen Touristen die Elefanten streicheln, füttern, führen, auf ihnen reiten, sie manövrieren. Begreifen, was für ein Wunder das eigentlich ist, so ein Elefant. Er benutzt Werkzeuge, erkennt sich im Spiegel, hat eine eigene Sprache. In Försters Camp sitzt der Mensch nicht in einem Korb auf dem Rücken des Elefanten, er reitet direkt im Nacken des Tieres. Und er ist nicht ein paar Stunden mit dem Elefanten zusammen, sondern Tage.

Förster beschreibt das Besondere an der Begegnung Mensch/Elefant, in seinem Camp gibt es keine Massenabfertigung, es stresst die Elefanten, wenn viele Menschen um sie herumwuseln. Förster und seine einheimischen Mitarbeiter zelebrieren die Begegnungen. Seine Gäste setzen sich im Camp auf den Boden, dann kommen die Elefanten und stehen mit ihren Köpfen und Körpern über ihnen, die Rüssel tasten, schnüffeln. So fängt es an. Manche Touristen brechen in Tränen aus in der Nähe der Elefanten, nicht vor Angst, Angst ist es nicht. "Es ist wohl eine unserer Ur-Sehnsüchte, voller Vertrauen und in Harmonie mit der Natur zu leben", schreibt Förster. "Unter den Bäuchen, Köpfen und Rüsseln entspannter Elefanten bekommen wir eine Ahnung davon, wie sich diese Utopie anfühlt."

In Försters Elefantenbuch steht alles drin: Was es mit der Bezeichnung "Khunjunob", auf sich hat, zu Deutsch: "König der Elefantenjäger". Wie viel Muskeln der Rüssel hat (je nach Quelle 40 000 bis 100 000). Warum vier Tiere aus Simbabwe im Ostberliner Zoo "die kleinen Afrikaner" genannt wurden. Warum die Raumsonde Voyager I ein Bild an Bord hatte, auf dem ein Elefantenführer mit einem Bullen bei der Arbeit im Holz zu sehen ist - als Beispiel für eine der höchsten Formen der Kooperation zwischen Mensch und Tier. Wie der Staat Laos früher hieß: Lane Xang, Land der einen Million Elefanten. So viele waren es nie in Laos, aber übrig geblieben sind noch 850. Zerstörung des Lebensraums, Wilderei.

Wie geht der Mensch mit seiner Umgebung um, was lässt er von ihr übrig?

Wenn es so weitergeht, hat Laos im Jahr 2030 seinen Status als Elefantennation verloren. In Myanmar gibt es derzeit 6000 Arbeitselefanten ohne Job, die letzten Konzessionen für Holzeinschlag endeten 2015. Wo sollen die Elefanten hin? Förster sagt: "Elefanten zu beschäftigen ist besser, als sie irgendwo beschäftigungslos herumstehen zu lassen, solange die Aktivitäten nicht widersinnig sind."

Auch solche Elefanten begegnen jetzt den Touristen in seinem Camp: Mo Pado, 40-jährige Kuh, früher als Arbeitstier im Einsatz gewesen. Mae Boontong aus Burma, früher Mitarbeiterin in einem Holzfällerlager. Phu Sii, 50-jähriger Bulle, früher ein großer Baumstammschlepper. "Lasst doch die Elefanten frei", sagen die Tierschützer, aber der Elefantenmann Förster sagt: "Die Lage ist komplexer als viele denken." Ein Arbeitselefant kommt in der Freiheit nicht klar. Und wenn man Elefanten nicht züchtet, werden sie womöglich schneller ausgestorben sein, als man denkt. "Noch sind wir beim Elefanten nicht so weit wie beim Sumatra-Nashorn, von dem es nur noch 80 Exemplare gibt. Das ist Alarmstufe eins. Aber ist Zucht erst dann opportun, wenn es ums nackte Überleben geht? Müssen wir es beim Elefanten so weit kommen lassen?"

So umkreist das Buch das Thema Elefanten und, im Tiefenrauschen, ein viel umfassenderes Sujet: Wie geht der Mensch mit seiner Umgebung um, was lässt er von ihr übrig? Und: Bietet ein Camp, so umstritten es bei Kritikern sein mag, nicht doch die beste Gelegenheit, möglichst viele Menschen empfindsam zu machen für ein zwar recht wuchtig geratenes, aber trotzdem sensibles und bedrohtes Mitgeschöpf? "In einer idealen Welt leben Elefanten frei in der Natur, unbehelligt von den Menschen. Doch wir leben nicht in einer idealen Welt", schreibt Förster in seinem Buch, das dazu einlädt, weiter nachzudenken, über Menschen und Elefanten und letztlich über das Miteinanderleben, die Koexistenz. Ein großes Thema. Das größte Thema.

"Du weißt nie, was im Kopf eines Elefanten vor sich geht", schreibt Bodo Förster. Wer sein Buch gelesen hat, weiß es ein bisschen mehr.

Bodo Förster: Ein Leben für die Elefanten. Wie ich mir in Thailand meinen Traum erfüllte. Rowohlt-Verlag, Hamburg 2019. 352 Seiten, 16 Euro.

© SZ vom 09.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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