Melodram:Heiß glüht das Edelweiß

Hilfe! Ben Verbong inszeniert mit Yvonne Catterfeld eine Neuauflage der legendären "Trapp Familie", die durch "The Sound of Music" weltberühmt wurde.

Von Rainer Gansera

Fällt er nun runter oder nicht? Der buschige Schnauzer, der die Oberlippe von Matthew MacFadyen alias Baron Georg Ludwig von Trapp ziert, scheint derart provisorisch drangeklebt zu sein, dass man fortwährend befürchtet - oder hofft -, er möge sich doch endlich lösen. Dann käme irgendwie Leben in des Barons Antlitz und in Ben Verbongs wachsfigurenartige Trapp-Familie, die den Trapp-Mythos als pubertäres Tochter-Stiefmutter-Drama darbietet.

Der Mythos: Passend zur Stimmungslage der Adenauer-Zeit war Wolfgang Liebeneiners trällernde "Trapp-Familie" (1956) ein Lobgesang auf tapferes Durchhalten und Ärmel hochkrempeln. Herzige Story von der verarmten Adelsfamilie aus Österreich, die 1938 vor den Nazis flieht und in den USA als Folklore-Chor reüssiert. Aber es war Robert Wises Musicalverfilmung "The Sound of Music" (1965), die aus der Trapp-Saga jenen Dirndl-Edelweiß-Apfelstrudel-Kult machte, der Salzburg bis heute erheblichen Tourismus-Zustrom verschafft. Edelkitsch pur: Schloss am See, Kindermädchen wird Baronesse, unschuldiges Alpenglühen, in dem noch der schnulzigste Edelweiß-Song zum Akt des politischen Widerstands geadelt wird.

Ben Verbongs Trapp-Revival raubt dem Mythos das Rührseligkeitszentrum, verzichtet auf die Romanze vom naiven Kindermädchen, das, erfüllt vom Echo der Berge, die Herzen des Barons und seiner Kinderschar erobert. Stattdessen rückt die älteste Trapp-Tochter Agathe (Eliza Bennett) in die Erzählmitte. Nach dem Tod der Mutter schwingt sie sich zur Herrin des hochherrschaftlichen Hauses auf, buhlt ständig um die Gunst des Vaters und liefert ihrer Stiefmutter Maria (Yvonne Catterfeld) als widerspenstiger Teenager einen heftigen Konkurrenzkampf. Kurioses ödipales Drama. Ein Trapp-Cocktail mit einem Schuss Freud, dessen Heimatfilm-Bilder zur unfreiwilligen Retroparodie werden. Alles erscheint drapiert, wie die Auslage eines Souvenirshops: die ausgiebig vorgeführten Dirndlkollektionen, das strahlende Weiß der Berggipfel und das Almwiesengrün, die Grimmigkeit der Nazibösewichter und die Schnauzer-Maskerade des Barons.

Melodram: Yvonne Catterfeld zeigt erfreut eins der vielen Trapp-Dirndl.

Yvonne Catterfeld zeigt erfreut eins der vielen Trapp-Dirndl.

(Foto: Concorde)

Die Trapp Familie - Ein Leben für die Musik, D/Österreich 2015 - Regie: Ben Verbong. Buch: Christoph Silber, Tim Sullivan. Mit: Matthew Macfayden, Yvonne Catterfield. Concorde, 95 Minuten.

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