Mel Gibsons konservativer Katholizismus:Die Passion für Christus

Am Mulholland Highway, kurz vor Malibu, werden seit kurzem Gottesdienste nach dem Messbuch von 1962 gefeiert: Gregorianische Choräle, der Priester spricht Latein, er zelebriert mit dem Rücken zur Gemeind. Das alles in einer Kirche, deren Bau drei Millionen Dollar verschlungen hat. Bauherr: Mel Gibson.

ALEXANDER KISSLER

Die Heilige Familie von Malibu Mel Gibson ließ sich eine Kirche bauen, damit die Messe wieder ein Opfer ist und der Priester ein Stellvertreter Christi

Als der siebenfache Familienvater Mel Gibson, dessen älteste Tochter einem katholischen Orden beigetreten ist, nach seinem Bekenntnis gefragt wurde, antwortete er dem Fernsehsender ABC: Ja, er sei römisch-katholisch, und zwar so, wie es bis Mitte der sechziger Jahre üblich war. Wieder einmal hatte Gibson vor einem Millionenpublikum seinen religiösen Traditionalismus eingestanden. Das 1965 beendete Zweite Vatikanische Konzil und dessen Liturgiereform lehnt Gibson in weiten Teilen ab.

Darum baute er Anfang 2002 die "Holy Family Chapel" im kalifornischen Agoura Hills. Am Mulholland Highway, kurz vor Malibu, werden nun Gottesdienste nach dem Messbuch von 1962 gefeiert: Der Priester spricht Latein, er zelebriert mit dem Rücken zur Gemeinde, statt flotter Melodien erklingen gregorianische Choräle, vor allem aber ist die Eucharistie ein ernstes Messopfer - kein Herrenmahl, keine Gedächtnisfeier und kein besinnliches Fest zur ethischen Unterweisung.

Drei Millionen Dollar ließ sich Gibson den Kirchenbau kosten. Wenn die rund 70 Mitglieder der "Holy Family" sich zur Messe im tridentinischen Ritus versammeln, wie es hierzulande auch die von Marcel Lefebvre gegründete "Priesterbruderschaft St. Pius X." an 45 Orten tut, begehen sie keine kirchlich verbotene Handlung. Das Zweite Vatikanum erlaubt die alte Messe unter bestimmten Umständen. Dennoch erklärte die Erzdiözese Los Angeles, Gibsons Sakralbau sei keine katholische Kirche - was sich vor allem auf die Priester der "Holy Family" bezog, die eben nicht vom zuständigen Bischof eingesetzt worden sind.

Der innerhalb des traditionalistischen Spektrums relativ moderaten Pius-Bruderschaft wollte Gibson sich ebenso wenig anschließen wie dem extrem konservativen, sektiererischen "Catholic Traditionalist Movement". Dessen Leiter, Gommar A. De Pauw, schrieb daraufhin zwei offene Briefe an den Regisseur und klagte bitter, Gibson leiste einen Kotau vor dem Vatikan statt sich seiner "wahren Freunde" zu besinnen.

Ein solcher wahrer Freund könnte aber der Autor der Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" vom April 2003 sein. Darin hat Johannes Paul II. angesprochen, was Gibson im Zentrum seines Filmes illustriert: Die Eucharistie werde "ihres Opfercharakters beraubt und in einer Weise vollzogen, als ob sie den Sinn und den Wert einer brüderlichen Mahlgemeinschaft nicht übersteigen würde".

Sie sei jedoch selbst "das Kreuzesopfer, das durch die Jahrhunderte fortdauert". Nichts anderes meint nun die ungemein drastische Parallelmontage von Kreuzigung und Letztem Abendmahl. Während die Nägel in seine Arme und Beine getrieben werden, spricht Jesus die Segensworte im Kreis der Apostel; kaum hat er das Brot in die Höhe gehoben - "dies ist mein Leib" -, da wird auch schon das Kreuz mit dem entstellten Körper aufgerichtet. Gibsons theologischer Kommentar lautet: Wenn Christen zur Feier der Eucharistie zusammenkommen, vollzieht der Priester an Christi Statt und auf unblutige Weise das blutige Kreuzesopfer nach. Die Eucharistie ist keine zeichenhafte Gedächtnisübung, sondern die jedesmal neue und sehr reale Vergegenwärtigung zunächst des Leidens und dann erst der Auferstehung Christi.

Diese katholische Position - für Luther war das Messopfer ein "Trachenschwantz" - ist in der katholischen Kirche etwas aus der Mode gekommen. Mancherorts versammelt sich die Gemeinde bei der Eucharistie kreisförmig um den Altar und feiert die Gemeinschaft. Deshalb schrieb Johannes Paul seine Enzyklika wider die "Schatten nicht annehmbarer Praktiken", deshalb gründete Gibson die im kirchlichen Raum frei schwebende "Holy Family", und deshalb wurde "Passion" ein bluttriefender Film. Das Blut soll Gibsons Revolte gegen den tatsächlichen oder vermeintlichen Modernismus in der Theologie bildhaft beglaubigen.

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