Meister des Portraits: Richard Avedon:Kein Schnickschnack

Ob Stars wie Brigitte Bardot und Marilyn Monroe - oder Arbeitslose und Minenarbeiter: Fotograf Richard Avedon portraitierte Menschen wie kein anderer, 60 Jahre lang. Eine Pariser Ausstellung ehrt den Unübertroffenen.

J. Willms

11 Bilder

marilyn monroe, richard avedon, ap

Quelle: SZ

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In Paris hat man augenblicklich das Glück, zwei Ausstellungen sehen zu können, die jeweils die Summe des Lebenswerks eines berühmten Fotografen der Gegenwart präsentieren:

Marilyn Monroe am Strand, fotografiert von Richard Avedon, 1949/Brooklyn Museum of Art/ap

Text: Johannes Willms/SZ vom 28.7.2008

Richard Avedon, AP

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In der im Marais gelegenen Maison de la Photographie européenne ist dies eine Retrospektive der Amerikanerin Annie Leibovitz und die Galerie nationale du Jeu de Pomme prunkt mit einer Bilderschau des 2004 verstorbenen New Yorkers Richard Avedon (hier auf einer Aufnahme des Jahres 1979).

Auch wenn dies von den Veranstaltern sicherlich nicht so beabsichtigt war, so stehen doch beide Ausstellungen in einem Wettbewerb. Die Entscheidung für einen Fotografen allerdings fällt nicht schwer - Avedons Überlegenheit ist so evident, dass der Kritiker sehr erleichtert war, nicht auch über die Ausstellung der Leibovitz handeln zu müssen.

Foto: dpa

Suzy Parker and Robin Tattersall, robe de Dior, Paris, 1956, © 2008 the Richard Avedon Foundation

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Das fotografische Werk Avedons zerfällt bekanntlich in zwei große Werkgruppen: die Mode- ...

Foto: Suzy Parker and Robin Tattersall, Kleid von Dior Place de la Concorde, Paris, August 1956 © 2008 the Richard Avedon Foundation

Alberto Giacometti, Paris 1958, © 2008 the Richard Avedon Foundation

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und die Porträtfotografie. Auf beiden Feldern hat er Maßstäbe gesetzt, die seither für viele Fotografen vorbildlich sind, die bislang aber noch von keinem übertroffen wurden. Das gilt umso mehr, als Avedon nicht nur der Schöpfer einiger berühmter Ikonen ist, sondern dass sein gesamtes Werk, wie diese Ausstellung eindrucksvoll belegt, stets und unbeirrt einen Anspruch behauptet: Den, ein Fotograf zu sein, der nicht im mindesten durch seine Sujets beeinflusst oder unterstützt wird, sondern der jedem jene ungeteilte Aufmerksamkeit zollt, auf die ein Mensch oder ein Kunstwerk Anspruch haben.

Foto: Alberto Giacometti Paris, 6 März 1958 © 2008 the Richard Avedon Foundation

Brigitte Bardot fotografiert 1959 von Richard Avedon, AP

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Diesen unbedingten humanen Anspruch belegen besonders eindrucksvoll Avedons Porträts. Ob es sich um Stars wie Marilyn Monroe, Buster Keaton, Brigitte Bardot handelt...

Foto: Brigitte Bardot, fotografiert 1959 von Richard Avedon, AP

Roberto Lopez, Arbeiter an einer Ölbohrung, Texas, 1980, © 2008 the Richard Avedon Foundation

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... oder um Arbeitslose, Tramps oder Minenarbeiter, ausnahmslos jedem gilt seine anteilnehmende Aufmerksamkeit, mit der die Persönlichkeit des Porträtierten dingfest gemacht wird. Von seinen Porträtaufnahmen hat Avedon einmal gesagt: "Meine Fotografien gehen nicht unter die Oberfläche. Sie gehen nicht unter irgendetwas. Sie lesen die Oberfläche".

Foto: Roberto Lopez, Arbeiter an einer Ölbohrung, Texas, 28. September 1980, Aufnahme aus der Serie "In the American West" © 2008 the Richard Avedon Foundation

Sandra Bennett, 12 Jahre, Rocky Ford, Colorado, 1980, © 2008 the Richard Avedon Foundation

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Dieser ästhetischen Maxime hat er stets unbedingt die Treue gehalten. Das dokumentieren besonders eindrücklich die Porträtaufnahmen der Reihe "In the American West", die Avedon zwischen 1979 und 1984 im Auftrag des Amon Carter Museum in Fort Worth, Texas, machte.

Der amerikanische Westen findet sich in diesen Porträts, die alle vor neutralen, vor weißem Hintergrund entstanden, also konsequent auf die geläufige Möblierung dieser Weltgegend mit Telegraphenmasten bis zum Horizont, einsamen Benzinstationen oder ramponierten Motels verzichten.

Avedon interessiert allein die Geographie der Gesichter. Diese geben einen überzeugenden Wiederschein der Härten und Enttäuschungen, erzählen die Geschichte eines je eigenen Schicksals dieser Menschen, gleich ob es eine Bedienung in einem Diner, ein Arbeiter in einem Schlachthof oder ein Obdachloser ist.

Das verleiht den Porträtierten nicht nur eine unverwechselbare Persönlichkeit, sondern auch das, was ihnen ihr Leben so offenkundig verweigerte: Schönheit und Würde.

Foto: Sandra Bennett, 12 Jahre, Rocky Ford, Colorado, 23. August 1980. Aufnahme aus der Serie "In the American West" © 2008 the Richard Avedon Foundation

Caroline Kennedy, küsst im Alter von drei Jahren ihren Bruder John F. Kennedy Jr. 1961, AP Photo/White House, Richard Avedon

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Diese nichts weniger als schöpferische Wirkung erreicht Avedon dadurch, dass er bei seinen Porträts konsequent allen Schnickschnack ablehnt: Kein raffiniertes Kunstlicht, kein durchschaubares Arrangement, keine Verführung durch Posen oder erzählerische Zutaten; stattdessen vertraut er allein auf den dramaturgischen Prozess, der zwischen ihm und dem zu Porträtierenden abläuft.

Über das Wesen seiner Kunst hat Avedon einmal anekdotisch anschaulich Auskunft gegeben. Auf Familienporträts, die in seiner Jugend gemacht wurden, seien immer Hunde zu sehen gewesen, die jeweils nur für diese Aufnahme ausgeliehen wurden. In einem Jahr, so habe er bei der Durchsicht des Familienfotoalbums entdeckt, seien es elf verschiedene Hunde gewesen, mit denen seine stets lächelnden Angehörigen vor der Kamera posierten. "Alle Photographien in unserem Familienalbum waren auf irgendeine Lüge basiert, die kenntlich machen sollte, wer wir seien, aber die Wahrheit, die sie zeigen, ist, wer wir gerne sein wollten."

Foto: Caroline Kennedy küsst im Alter von drei Jahren ihren Bruder John F. Kennedy Jr. 1961 in Palm Beach, Fla. AP Photo/White House, Richard Avedon

Richard Avendon 2002 in New York vor seiner Aufnahme des Schauspielers Bert Lahr, AP

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Den Umstand, dass vor allem bei Stars und Berühmtheiten Image und Person, Schein und Sein miteinander verschmolzen sind, hat Avedon mit beeindruckenden Altersporträts überlistet, auf denen die Maske brüchig geworden oder verrutscht ist, weil sich das Leben zurückzieht, sich einer Kontrolle verweigert.

Hervorzuheben unter diesen späten Porträtaufnahmen, sind die von Jean Renoir, Groucho Marx, Igor Stravinsky, John Ford, Ezra Pound und die des eigenen Vaters; ganz besonders berührt aber das Porträt von William Casby, der noch als Sklave geboren wurde und dessen Bildnis anmutet, als dämmerte ihm erst unter dem Prozess von dessen Entstehung das Bewusstsein seiner Freiheit.

Diese Porträts überwältigen den Betrachter mit einem Humanismus, der deshalb tröstlich wirkt, weil er bar aller Gefühlsduselei oder falscher Versprechen ist. "Death", so sagte Avedon einmal, "is a young poet's romance, and an old man's business".

Foto: Richard Avendon posiert 2002 in New York vor seiner Aufnahme des Schauspielers Bert Lahr, AP

Veruschka, Kleid von Kimberly, New York, 1967, © 2008 the Richard Avedon Foundation

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Die von Helle Crenzien vom Louisiana Museum of Modern Art bei Kopenhagen sensibel und kenntnisreich kuratierte Ausstellung zeigt auch eine schlüssige Auswahl aus den Modefotografien Richard Avedons, die ausnahmslos vor 1995 entstanden, als er es sich leisten konnte, von diesem Broterwerb zu lassen.

Dass er auch hier Bahnbrechendes geleistet hat, indem er Bewegung, Rhythmus und viel Witz in die Modefotografie brachte, die Mannequins nicht mehr als austauschbare Kleiderständer abhandelte, ....

Foto: Veruschka, Kleid von Kimberly New York, Januar 1967, © 2008 the Richard Avedon Foundation

Twiggy, Paris, 1968, © 2008 the Richard Avedon Foundation

Quelle: SZ

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... sondern ihnen eine Individualität gab, schließlich, dass er sie nicht bei Kunst- sondern bei Tageslicht und häufig nicht im Studio, sondern im öffentlichen Straßenraum mit all seinen Zufällen und Synkopen fotografierte, das hat längst Schule gemacht, gehört heute zu einem Standard, der es seinen Epigonen erlaubt, sich als Meister zu fühlen.

"Richard Avedon. Photographies 1946 - 2004" in der Pariser Galerie nationale du Jeu de Paume, bis 28. September. Info: www.jeudepaume.org. Der Katalog (Hatje Cantz) kostet 49,80 Euro.

Foto: Twiggy, Coiffure von Ara Gallant Studio, Paris, Januar 1968, © 2008 the Richard Avedon Foundation

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