Meinungskampf:Radikal unschick

Der AfD-Philosoph Marc Jongen sollte in Zürich an einer Diskussion teilnehmen. Nach heftigen Protesten wurde sie nun abgesagt.

Von Charlotte Theile

Das Theater Gessnerallee in Zürich hat nach wochenlangem Streit ein Podium abgesagt, zu dem der Philosoph und AfD-Politiker Marc Jongen eingeladen war. Geplant war eine Diskussion über die veränderte Bedeutung der Begriffe "progressiv", "liberal" und "reaktionär". Dazu sollten neben Jongen ein Schweizer Rechtspopulist und zwei Mitglieder der linksliberalen Bewegung "Operation Libero" Argumente austauschen. Die Veranstaltung mit dem Titel "Die neue Avantgarde" sollte am 17. März auf einer kleinen Bühne stattfinden.

Mitte Februar regte sich Widerstand. Ein offener Brief, unterzeichnet von etwa 350 namhaften Kulturschaffenden aus Deutschland und der Schweiz, sprach sich dagegen aus, dem "raffiniertesten Rhetoriker" der rechtspopulistischen AfD eine solche Bühne zu bieten. Der Brief kritisierte, dass man sich mit dem Titel "Avantgarde" den "radical chic" zu eigen mache, den die AfD wünsche. Die linke Schweizer Wochenzeitung hatte diese Kampagne befeuert - auch weil sie das Podium an der sonst eher linken Gessnerallee als unausgewogen empfand, es fehle eine explizit linke Position. In anderen Blättern wurde das Theater mit Blick auf die Meinungsfreiheit verteidigt. In der Schweiz, wo Vertreter der rechten SVP regelmäßig große Häuser füllen, ist eine solche Debatte ungewöhnlich.

Ein Sprecher der Gessnerallee sagte, es hätte Polizeischutz gebraucht, um die Veranstaltung abzuhalten, das komme nicht infrage. Weiter hieß es, das Theater sei bedroht, beleidigt und diffamiert worden. Zunächst hatte das Haus versucht, mithilfe einer vorangestellten Diskussionsveranstaltung die Wogen zu glätten und Kritiker einzubeziehen. Diese riefen zum Boykott auf.

Die Organisation Operation Libero, die auf dem Podium gegen Jongen hatte antreten wollen, kritisierte die Absage des Theaters. "And the winner is: Marc Jongen", schrieben die Aktivisten auf Twitter. Die Debatte und ihr Ausgang nütze nämlich nur der AfD.

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