Wenn der Verfasser böse oder traurig wurde, galt das als Nachweis für die Integrität der Redaktion. Und der Autor kehrte ja immer wieder zurück. Was hätte er sonst auch tun sollen? Es gab ja so wenige Seiten, auf denen er publizieren konnte.
Aber das war damals. Vor der Revolution. Vor der großen Meinungsflut in den Blogs, den Foren, in den sozialen Medien und auf Twitter. Sie hält noch immer an, und keiner weiß, wie die Welt der Medien in Zukunft aussehen wird.
Bis zum Jahr 2006 war ich oft der schnellste Journalist in Schweden, mit den interessantesten Kommentaren zu den interessantesten Nachrichten. Dann fiel der Vorhang. In den sozialen Medien wurde ich abgehängt. Experten und andere Autoren, die etwas zu sagen hatten, taten das immer öfter in Blogs und auf den Internetseiten der Zeitungen. Für uns Papiermenschen war die Schlacht verloren. Worauf ich kündigte und ein Meinungsforum im Internet startete, eben Newsmill.
Alsbald erwies sich die Debatte im Internet als unendlich viel lebendiger. Innerhalb von wenigen Stunden konnten wir mehr Perspektiven auf das interessanteste Ereignis des Tages anbieten, als meine alte Zeitung in einer ganzen Woche zustande brachte. Schnell wurden wir zu einer echten Konkurrenz für die Meinungsseiten der Tageszeitungen. Die aufregendsten Texte entstanden in den Kommentarfeldern, wenn bekannte Autoren die Debatte mit den Benutzern der Seite weiterführten.
Im Jahr 2008 war es ein Fest, Redakteur eines Meinungsforums im Internet zu sein. Vielleicht war es diese Euphorie, vielleicht war es aber auch Ignoranz: Aber ich merkte nicht, wie der Troll kam, sich niederließ und die Kommentarfelder in Beschlag nahm.
Wer ein Troll ist, und wer ein gewöhnlicher anonymer Kommentator, ist nicht leicht zu sagen. Der Troll selbst ist davon überzeugt, dass er oder sie ein mutiger Verfechter der Wahrheit ist, innerhalb einer Gesellschaft, die nach falschen Kompromissen strebt, in einer medialen Welt, die von "Feministinnen", "Gutmenschen" oder "Zionisten" beherrscht wird, die - natürlich - insgeheim von den "Muslimen" übernommen werden.
Solche Menschen, die heute Trolle sind, hat es immer gegeben. Der Unterschied aber besteht darin, dass sie früher keine Machtbasis besaßen. Diesen oft einwandererfeindlichen und immer bitteren Stimmen die Seiten der Papierzeitung zur Verfügung zu stellen, dieser Gedanke war uns völlig fremd. Nicht einmal auf den Leserbriefseiten waren sie willkommen. Doch dann wurde das Kommentarfeld im Netz erfunden. Der Einzug der Trolle in die Öffentlichkeit war ein Faktum. Es wurde unmöglich, sie zu übersehen. Sie waren überall. Jetzt waren sie es, die sich anschickten, die Öffentlichkeit zu übernehmen.
Eines gibt es, was alle Trolle gemein haben: Sie geben nicht auf. Der durchschnittliche Troll liefert zehnmal so viel Textmenge wie ein gewöhnlicher Journalist. Und die Qualität seiner Arbeit ist, trotz allen Gerüchten, oft nicht schlechter als die eines etablierten Journalisten.
Der Troll ist nicht immer ein Internet-Nerd. Er kann ein Frührentner auf dem Land sein. Oder ein pensionierter Diplomat mit einer beachtlichen Karriere. Oder eine erfolgreiche, eher melancholische Geschäftsfrau. Mehr als durch Klassenzugehörigkeit oder Geschlecht zeichnen sich die Trolle dadurch aus, dass sie traurig und einsam sind.
Das ist meine Erfahrung. Während meines letzten Jahres bei Newsmill war ich gezwungen, den größten Teil der Zeit, in der ich nicht schlief, mit der Jagd nach ihnen zu verbringen. Es waren nämlich nicht nur die alten und vertrauten Autoren, die mir aus Angst vor dem Troll den Rücken zukehrten. Dass auf unserer Seite keine Werbung erschien, deutete vielmehr darauf hin, dass die Anzeigenkunden sie scheuten wie die Pest.