Letztes Jahr, in Barcelona. 30 Bürgermeister aus ganz Europa saßen zusammen und sprachen wie souveräne Staatschefs miteinander: Welche internationalen Kooperationen sind möglich? Wie muss eine Politik des 21. Jahrhunderts aussehen? Wie können wir uns besser transnational abstimmen? Die ganz großen Fragen, runtergebrochen auf kommunalpolitische Ebene. Einige Zuschauer fragten kopfschüttelnd, was die denn jetzt wollen, echte Politik wird doch von Staaten, Ministerpräsidenten und Frau Merkel gemacht. Die Bürgermeister aber sagten: Wir kommen wieder. Ein Jahr später, wieder Mitte Juni, waren dann Delegationen aus mehr als 150 Städten angereist, diesmal aus der ganzen Welt, aus dem chilenischen Valparaíso, aus Vancouver, Philadelphia, Madrid, Seoul, und alle einte sie in ihren Reden die Überzeugung, dass die Städte geradezu in der Pflicht seien, eine bessere Politik zu gestalten. "Da die Staaten keine Antworten auf die großen prinzipiellen Probleme finden, müssen wir in unseren Städten Alternativen finden", sagte Ada Colau, die Bürgermeisterin von Barcelona, in ihrem Grußwort.
Benjamin Barber, der wenige Wochen vor dem Kongress gestorben war, muss an diesem Tag im Himmel über Barcelona eine Flasche feinstes Manna geöffnet haben. Schließlich versuchte diese Konferenz unter dem Titel "Fearless Cities" (furchtlose Städte), im Grunde das in die Tat umzusetzen, was der amerikanische Politikwissenschaftler in seinen letzten Jahren mantraartig geschrieben, ja gepredigt hatte: Die Welt ist überhaupt nur noch zu retten, wenn die Städte zu ihrem wichtigsten politischen Motor werden.
Was bilden sich diese Städter eigentlich ein? Viel. Gut so
In "If Mayors Ruled the World" (Wenn Bürgermeister die Welt regieren würden) schrieb er 2013, die Stärkung der Zivilgesellschaft und der partizipativen Demokratie könne einzig aus den Stadtgesellschaften kommen. Zum einen, weil sie ein sehr viel größeres kreatives Potenzial hätten als die verkrusteten, gelähmten Nationalstaaten. Zum anderen, weil sie in ihrer alltäglichen Politik auf Kooperationen und pragmatische Lösungen angewiesen seien - unabdingbare Voraussetzungen für jedes faire Miteinander. Und weil drittens viele Megacitys mittlerweile längst selbst zu Global Players herangewachsen seien. In "Cool Cities: Urban Sovereignty and the Fix for Global Warming", das in der vergangenen Woche posthum erschienen ist, führte er seine urbanistischen Emanzipationsthesen auf politisch höchst brisante Weise fort: Nur die Städte, so Barber, könnten Donald Trumps Agenda noch stoppen. Er nahm die Städte aber auch noch stärker in die Pflicht als zuvor: Als Hauptverursacher des Klimawandels, so Barber, hätten sie mittlerweile die verdammte Pflicht, sich ganz anders zu engagieren als bisher. Nie um eine griffige Formulierung verlegen, konstatierte Barber: "Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Nationalstaaten. Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Städte."
Nun stimmt einerseits, dass eine intensivere internationale Vernetzung auf kommunalpolitischer Ebene längst nottut, schließlich lässt sich, was Paweł Adamowicz, der Bürgermeister von Danzig, im letzten Jahr in Barcelona über die europäische Flüchtlingspolitik sagte, auch auf andere große Themen ausweiten: "In Brüssel wird über Integration geredet; aber unsere Städte sind doch die Orte, in denen die soziale und kulturelle Integration am Ende gelingen muss." Insofern sollten sich die einzelnen Bürgermeister gerne viel öfter und enger miteinander austauschen. Aber welchen politischen Handlungsspielraum haben Städte überhaupt? Geht das, transnationale Bündnisse auf kommunalpolitischer Ebene? Und, polemisch gefragt: Was bilden diese Städter sich überhaupt ein?