Süddeutsche Zeitung

Online-Coaching:Meisterphrasen des Erfolgs

Im Coachingprojekt "Meet Your Master" verraten Prominente wie Til Schweiger und Jonas Kaufmann angebliche Berufsgeheimnisse - und einen Haufen Binsen.

Von Theresa Hein

Jonas Kaufmann wirft in der Palaishalle im Bayerischen Hof den Kopf in den Nacken und lacht dröhnend über einen Witz. Auf der Bühne stehen sechs Männer, alle über fünfzig: Heiner Lauterbach, Alfons Schuhbeck, Til Schweiger, Nico Hofmann und Sebastian Fitzek. Und eben Opernstar Kaufmann, dem man es lassen muss, dass er die Gruppendynamik ein bisschen auflockern will, auch wenn er den Witz, über den er lacht, dafür gerade selbst machen musste.

Anlass für das Treffen ist das Projekt "Meet Your Master", eine von Heiner Lauterbach und dessen Frau Viktoria ins Leben gerufene Online-Lernplattform, die man seit Montag im Internet findet: Wer möchte, kann dort Coaching-Videos zu den Themen "Filmproduktion" (Nico Hoffmann), "Schauspiel" (Heiner Lauterbach), "Gesang" (Jonas Kaufmann) "Kochen" (Alfons Schuhbeck), "Schreiben" (Sebastian Fitzek) oder "Filmemachen" (Til Schweiger) erwerben. Ein Kurs kostet 89 Euro, dafür kriegt man dann dreieinhalb Stunden Schuhbeck oder auch fast neun Stunden Kaufmann. Das "Master" im Titel der Website bezieht sich augenscheinlich auf den Status der Lehrenden als Erfolgsmenschen - nicht aber zwingend auf ihr Geschlecht. Die Frage nach dem mangelnden Frauenanteil jedenfalls wischt Lauterbach freundlich mit der Beruhigung beiseite, der würde schon noch kommen, das sei "reiner Zufall". Er verweist auf Senta Berger als künftige Meisterin.

Abends, im Doppelinterview mit Til Schweiger, als er mit Weißwein seinen Toast hinunterspült, sagt Lauterbach, das liege noch an der leicht "männerdominierten Berufsgesellschaft". (Auf der Website kann man sich auch die Zusammensetzung des Teams hinter den Kulissen ansehen, auch dort scheinen Männer die "Berufsgesellschaft" zu dominieren.) Schweiger fügt außerdem hinzu, er habe versucht, eine "sehr erfolgreiche deutsche Schlagersängerin davon zu überzeugen, mitzumachen", aber das habe nicht geklappt.

In den USA ist eine ähnlich konzipierte Website namens "Masterclass" schon seit vier Jahren online und zieht fortlaufend neue Prominenz an: Werner Herzog erklärt dort, was man braucht, um Regisseur zu werden, Natalie Portman plaudert über Schauspiel-Geheimnisse, und seit diesem Jahr spricht auch Jodie Foster über ihre Erfahrungen als Regisseurin. Damit hat das Start-up 130 Millionen Dollar Venture Capital eingesammelt.

Die Idee entstand, als Heiner Lauterbach einem Kollegen Tipps am Telefon gab

Die Idee zum deutschen Pendant sei unabhängig davon entstanden, schwört das Ehepaar Lauterbach - als Heiner am Telefon einem Kollegen einmal Tipps zum Schauspielen gab. Beim Mithören erkannte Viktoria sein gewaltiges pädagogisches Talent und fand, davon könne auch der Rest der Welt profitieren. Einen "Betrag im niedrigen siebenstelligen Bereich" habe man investiert, die angeheuerten Master verzichteten auf hohe Vorabgagen und sind dafür nun am möglichen Erfolg beteiligt.

Natürlich könne man Schauspiel nicht in einem achtstündigen Video lernen, das gibt Lauterbach zu, "das wäre vermessen zu behaupten" - die Kurse seien eher als Begleitung zu einer guten Ausbildung gedacht. Til Schweiger ist sich da nicht so sicher. In seiner Welt, könnte man vermuten, unterrichten an Schauspielschulen vor allem Loser.

Anders als Jonas Kaufmann, der seinen Videoschülern Gesangs- und Atemübungen und einen hohen Praxisanteil in seinen Kurs einbaut, was sich beim Singen natürlich anbietet, spricht Til Schweiger in seinem Videokurs "Filmemachen" zwar viel und am liebsten über Til Schweiger, trotzdem gibt auch er konkrete Tipps zu Filmschnitt, zum Umgang mit Schauspielern oder für das Schreiben. Die muss man in der traulichen Erzählstunde aber erst einmal suchen. Vom Verfassen seines Drehbuchs zu "Knockin' on Heaven's Door" berichtet er lieber, während des Filmens sei ihm aufgefallen, dass die eigenen Dialoge kaum zu sprechen seien, was zu spontanen Wutausbrüchen führte: "Wer hat denn die Scheiße geschrieben?"

Was man in diesen Videokursen lernen kann, ist wohl weniger, wie man selbst ein "Master" wird, als die Tatsache, dass es auch Erfolgsmenschen gibt, die während ihres beruflichen Aufstiegs sehr viel zweifelten (Schuhbeck vermutlich ausgenommen) und trotzdem was erreicht haben. Außerdem ist Platz für einen Haufen Binsenweisheiten, auch am Montag im Bayerischen Hof flirren sie herum: Alfons Schuhbeck spricht etwa von diesem "wunderbaren bayerischen Dialekt" in Verbindung mit der "Festtagsküche", im Gespräch am Abend betont Til Schweiger, dass man seinen Traum "niemals aufgeben" solle. Aus dem Nebenraum lachdröhnt Jonas Kaufmann. Sein Kurs ist der erste, der verkauft worden ist.

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SZ vom 23.10.2019/tmh
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