Süddeutsche Zeitung

Mediaplayer: Stanley Kubrick:Genie bei der Arbeit

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Große Bildbände zum Making-of von Stanley Kubricks "Barry Lyndon", "2001" und "A Clockwork Orange".

Von David Steinitz

Das, was man da zwischen den Beinen der Schauspielerin in der Badewanne sehe, sei "ganz bestimmt keine Schambehaarung". So erläuterte es der Regisseur Stanley Kubrick in einem Brief an einen besonders eifrigen Bürokraten der Filmzensur, der ihm für sein Epos "Barry Lyndon" eine hohe Altersfreigabe aufzwingen wollte, was Kubrick ganz und gar nicht einsah. Das schwarze Dreieck sei "vielmehr ein sehr kleiner Bikini" - kein Grund, gleich zur Filmschere zu greifen.

Dieser Brief und viele andere Dokumente finden sich in dem Bildband "Das Making-of eines Meisterwerks: Stanley Kubricks Barry Lyndon". Das Buch enthält auch eine DVD des Films von 1975 sowie das original Filmposter. Ein Kubrick-Fanpaket, wie es der Taschen-Verlag gleichzeitig auch für dessen noch berühmtere Werke "2001 - Odyssee im Weltraum" (1968) und "A Clockwork Orange" (1971) herausgebracht hat.

Die Fotos von den aufwendigen Filmsets, die Kubrick ernst, sehr ernst und äußerst ernst, manchmal aber sogar lachend zeigen, sind nicht alle neu. Genau wie einige Interviews und Dokumente der jeweiligen Entstehungsgeschichte teilweise schon zuvor erschienen sind. Unter anderem auch beim Taschen-Verlag selbst, der Kubricks Werk schon mit diversen schwergewichtigen Bänden erschlossen hat. Die Herausgeberin der drei neuen Bücher, die Amerikanerin Alison Castle, hat für den Verlag zum Beispiel auch das "Stanley Kubrick Archiv" sowie einen dicken Band über Kubricks Pläne und Recherchen für sein nie realisiertes "Napoleon"-Projekt ediert.

Für Filmnerds bieten die neuen Bücher aber trotzdem reichlich Stoff, besonders der Teil über "Barry Lyndon" ist spannend. Kubricks Verfilmung des Romans von William Makepeace Thackeray war ein künstlerischer und logistischer Kraftakt. Stolze 250 Drehtage brauchte der Regisseur, das Budget kletterte von den anfangs kalkulierten 2,5 Millionen Dollar auf elf Millionen, weil er Hunderte Kostüme originalgetreu nachschneidern ließ und viel an Originalschauplätzen auf Schlössern und in Landhäusern drehte. Die Schelmengeschichte über den Emporkömmling Barry Lyndon war in den Siebzigern ein kommerzieller Flop, zumindest für Kubricks Standards, ist aber einer seiner schönsten Filme - so ironisch und so menschlich ging es selten bei Kubrick zu.

Wie detailbesessen er ans Werk ging zeigt zum Beispiel ein Brief seines Produzenten und Schwagers Jan Harlan an den britischen Zoll. Darin bittet er, eine speziell für den Film umgebaute BNC-Kamera mit aufmontiertem 50-mm-f-0,7-Zeiss-Objektiv importieren zu dürfen, weil normale Kameras nicht lichtempfindlich genug waren. Kubrick wollte ohne Scheinwerfer, nur mit natürlichen Lichtquellen wie Kerzen drehen.

Aber auch in den anderen beiden Bänden gibt es interessante Fundstücke. Zum Beispiel Kubricks Verteidigungsbrief an die New York Times vom 27. Februar 1972, in dem er darlegt, warum er "A Clockwork Orange" nicht für gewaltverherrlichend hält. Der Band über seinen Klassiker "2001" rekonstruiert dessen Entstehungszeit, in der Science-Fiction-Filme vor allem etwas für Kinderkino-Matineen mit Pappmaché-Marsmännchen waren, was sich erst durch Kubrick änderte. In keinen anderen Film wurde so viel hineininterpretiert wie in diesen. Damals schrieb die 15-jährige Margaret Stackhouse, eine Schülerin an der Norh Plainfield Highschool in New Jersey, ihre Gedanken zu dem Film auf, der Lehrer war so beeindruckt, dass er sie an Kubrick weiterleitete, und der sagte: "Ihre Mutmaßungen über den Film sind vielleicht die intelligentesten, die ich je gelesen habe. Was für eine erstklassige Intelligenz!" Der Aufsatz des Mädchens ist hier ebenfalls abgedruckt.

Genauso wie ein paar deftige Zitate des Meisters, der die Kinokunst wie folgt zusammenfasst: "Das Filmemachen widerspricht der alten Weisheit, dass ein ideales, von Genies entworfenes System von Idioten genutzt werden könne. Beim Film war es eher umgekehrt."

Alle drei Bände inkl. DVD sind bei Taschen erschienen (jeweils 30 Euro).

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Quelle:
SZ vom 23.12.2019
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