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Mediaplayer:Shakespeare für Serienmörder

22 Liter Kunstblut: Der Film "Theater des Grauens" ist ein Horrorkomödien-Klassiker.

Von David Steinitz

Es gibt Momente im Leben eines passionierten britischen Shakespeare-Schauspielers, da kann man sich einfach nur noch mit Inbrunst in die Themse stürzen. Zum Beispiel, wenn diese verdammten, arroganten und verblödeten Londoner Theaterkritiker einfach nicht einsehen wollen, dass man der beste aller Schauspieler ist. Edward Lionheart (Vincent Price) hat sie alle gespielt, die großen und die kleinen Shakespeare-Dramen, seit Jahrzehnten nur Shakespeare, immer wieder Shakespeare und nichts anderes - ein Theaterpurist alter Schule.

Deshalb hofft, nein, fordert er, endlich vom renommierten "Critic's Circle", der blasierten und beschwipsten Londoner Kritikervereinigung, mit dem Preis für den besten Schauspieler ausgezeichnet zu werden. Als dieser aber immer wieder an einen Konkurrenten geht, stürzt Lionheart sich melodramatisch von einem Hochhaus in die Themse. Lebe wohl, schnöde Welt, und zum Abschluss natürlich noch ein paar große Worte aus dem "Hamlet": "Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen, wenn wir die irdische Verstrickung lösten ..." Spricht's und springt.

Allerdings, so richtig tot scheint der Schauspieler nach seinem Sturz nicht zu sein. Denn plötzlich wird im Großraum London ein Kritiker nach dem anderen mit theatraler Sorgfalt umgebracht. Und zwar, wie die Kommissare vom Scotland Yard fachmännisch analysieren, nach Mordmethoden, welche direkt aus dem Gesamtwerk des guten alten William Shakespeare stammen.

Der Horrorkomödienklassiker "Theater des Grauens / Theatre of Blood" aus dem Jahr 1973, der nun neu als DVD und Blu-ray aufgelegt wird, ebnete dem Hauptdarsteller Vincent Price durch die Hintertür den Weg zu seinem heiß geliebten Shakespeare. Der Amerikaner Price, 1911 in St. Louis, Missouri geboren, kam als junger Mann durchs Studium nach Europa, wo er sich unter anderem in Deutschland und England in die alten Künste verliebte und sich bald schon am Theater probierte. Trotzdem führte sein Weg ihn eher nicht durchs Klassikerrepertoire, sondern zu einer Karriere im Horrorfilm.

1939 spielte er an der Seite von Boris Karloff in "Der Henker von London", eine kleine Nebenrolle nur, aber schon bald wurde er selbst zum Kinostar. "House of Wax", "The Raven", "Tagebuch eines Mörders", an eine Karriere als seriöser Theaterschauspieler war bald nicht mehr zu denken, zumal die Filmleute anständig bezahlten und dem Publikum seine aristokratische Ausstrahlung gefiel. Price war dauerbeschäftigt und drehte eine Produktion nach der anderen, mal üppiger, mal hart an der Grenze zum B-Movie.

Und doch wollte er so gerne auch einmal die großen Shakespeare-Monologe im Kino aufsagen, einmal zumindest ... Also schrieb ihm der britische Regisseur Douglas Hickox, der dem Horrorgenre gerne eine ordentliche Prise Zynismus beimischte, das "Theater des Grauens" auf den Leib, in dem Price als wiederauferstandener Shakespeare-Apologet sich an seinen Kritikern rächen und natürlich die großen, die größten Sätze aufsagen darf.

Wie mordet der wütende Edward Lionheart im Film? Er enthauptet einen Kritiker so wie in "Cymbeline", erstickt den nächsten, inspiriert von "Titus Andronicus", reißt einem anderen das Herz heraus wie im "Kaufmann von Venedig", provoziert einen Eifersuchtsmord wie in "Othello" und verbrennt eine Kritikerin, wie er es aus "Heinrich VI." gelernt hat. Schließlich droht er, als großes Finale den Kopf der ganzen Kritikerbande zu blenden, wie in "König Lear" beschrieben.

Ein blutiger Schauspielertraum, alle Klassiker in einem ironischen Streich, weshalb Hauptdarsteller Vincent Price "Theater des Grauens" auch als seinen Lieblingsfilm bezeichnete, unter den Dutzenden Produktionen, die er im Lauf seines Lebens gedreht hatte. Über sechs Gallonen Kunstblut, gute 22 Liter also, berichtete später sein Biograf Iain McAsh, seien notwendig gewesen, um die grausamsten aller Shakespeare-Morde akkurat fürs Kino zu inszenieren.

Theater des Grauens ist auf DVD und als Blu-ray erschienen (NSM Records/Alive AG, ab 9,99 Euro).

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Quelle:
SZ vom 03.09.2018
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