Mediaplayer :Schneegestöber

Lesezeit: 3 min

Luchino Viscontis letztes Werk "Die Unschuld", Buster Keatons Bummelzugfilm "Verflixte Gastfreundschaft" und ein paar Pappschachteln außer Rand und Band: "Dave Made a Maze", ein verrückter Gruselfilm von Bill Watterson, zeigt, was Karton so alles kann.

Von Fritz Göttler

Es scheint ein fairer Deal zu sein: Die jungen und nicht mehr ganz so jungen Männer in Rom kommen Ende des 19. Jahrhunderts zu den fürstlichen Soireen, um der Contessa Teresa Raffo den Hof zu machen, und sie sind bereit, dafür Buße zu leisten, indem sie einen Mozart, zwei Schuberts und vier Liszts über sich ergehen lassen, angefangen mit dem dahingestolperten türkischen Marsch. Eine starke Beziehung - Liebe? - besteht zwischen Teresa und dem Grafen Tullio, gespielt von Jennifer O'Neill und Giancarlo Giannini in "Die Unschuld/L'Innocente". Der Film nach dem Roman von Gabriele D'Annunzio ist das letzte Werk von Luchino Visconti, der 1976 gestorben ist. Anfangs sieht man seine Hand, die bedächtig, ein wenig wahllos, eine alte Ausgabe des Buches durchblättert. Es ist noch einmal Viscontis großes Sujet - wie das zusammengehen soll, das Begehren und die Unschuld, die Liebe und der Wahnsinn, das Leben und das Existieren. Tullio will zu seiner Frau zurück, aber die ist schwanger, nicht von ihm, und das Kind schiebt sich zwischen ihre Liebe. Dann kommt Weihnachten, es ist kalt, dichter Schneefall, alle sind in der Christmesse, nur Tullio allein zu Hause mit dem Neugeborenen. Atemlos folgen wir Visconti, wenn er Beziehungen und Motivationen hin- und herwendet. Zu den anfänglichen Bußleistungen gehört auch eine Arie aus Glucks Orpheus und Eurydike: "Was werd ich machen ohne Eurydike." In der letzten Einstellung aber sehen wir dann Teresa, wie sie aus Tullios Haus flieht, zwischen dichten Hecken, und sich noch einmal halb zurückwendet.(donau film)

(Foto: N/A)

An Weihnachten sind wir wieder zurück, das verspricht Don Shirley, der virtuose schwarze Pianist, seinem italoamerikanischem Fahrer (später: Freund) Tony Lip, in "Green Book" von Peter Farrelly, der dieses Jahr den Oscar für den besten Film bekam. Tatsächlich sind sie Heiligabend wieder in New York, bei dichtem Schneefall. Zuvor haben sie eine Reise durch den amerikanischen Süden gemacht, die vor allem Tony Lip - wir schreiben das Jahr 1962 - den Blick öffnet für die Wirklichkeit der Rassentrennung, und die die so unterschiedlichen Männer zusammenbringt. Die perverse Gastfreundschaft des Südens: Man empfängt und ehrt den Künstler Don Shirley, aber schikaniert den schwarzen Menschen. (e one)

(Foto: Verlag)

Ein road movie von 1923, "Our Hospitality/Verflixte Gastfreundschaft", von und mit Buster Keaton. Es ist ein Eisenbahnfilm. Den ersten Teil verbringen wir auf einer Bummelbahn von New York nach Kentucky, wo Buster sein Vaterhaus wieder einrichten will und in eine Fehde gerät mit einer feindlichen Familie - die zwei Väter haben sich gegenseitig umgebracht. Man spürt, wie glücklich Buster ist bei der gemächlichen Zockelei, noch ganz im Stil der europäischen Reisekutschenkultur des 18. und 19. Jahrhunderts. Und dass er möglichst schnell raus will aus dem feindlichen Haus mit den fiesen familiären Attacken,hinein in die Natur mit ihren Wasserfällen. (Studio Hamburg)

(Foto: N/A)

Die neue Geschwindigkeit, den neuen Drive bringt im amerikanischen Kino immer der Western: "Overland Stage Raiders/Die Goldräuber", 1938, von George Sherman. John Wayne spielt neben Louise Books und Elmer, der Bauchrednerpuppe seines Kumpels Max Terhune. Es war der letzte Film mit Louise Brooks, die als Lulu bei G.W. Pabst zur Ikone wurde. John Wayne ist der Held der Mythologie überhaupt, auf wundersame Weise zum Leben gebracht, sagte sie. Um Schurken und Banditen auszuschalten, werden Goldtransporte hier erstmals per Flugzeug durchgeführt. (Western Perlen)

(Foto: N/A)

Einer der verrücktesten Filme des vorigen Jahres ist "Dave Made a Maze" von Bill Watterson. Ein Monsterspektakel ganz aus Pappe. Dave hat ein Labyrinth aus Pappschachteln gebaut und ist darin verschwunden. Aber weil es noch nicht ganz fertig ist, findet er nicht mehr heraus. Also müssen seine Freunde auch hinein und ihn suchen. Es ist eine fantastische Innenwelt, Origamivögel entwickeln ein gefährliches Eigenleben, alles ist aus Karton, aber manchmal messerscharf und tödlich wie die Monstermaschinen der Horrorfilme. 2800 Quadratmeter Pappe wurden verbaut. Manche Dekorationen standen nur für die paar Stunden der Aufnahme. Dave ist ein Loser und wollte endlich mal selber was schaffen. Zum Labyrinth gehört ein Minotauros, mit Pappkopf, verbannt an einen Ort der Ausweglosigkeit. (Pandastorm)

(Foto: N/A)
© SZ vom 17.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: